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Optimaler Vertrieb: Rechtssicherheit für Unternehmen

Optimaler Vertrieb: Rechtssicherheit für Unternehmen

Jedes Unternehmen benötigt einen Vertrieb. Denn was nützt das beste Produkt, wenn man es nicht an den Mann bekommt? Früher oder später muss sich daher jeder Geschäftsführer Gedanken über seine Vertriebsstrategie machen. Dabei gibt es viele Fragen zu klären, z.B., ob die Produkte direkt oder indirekt über Vertriebsmittler verkauft werden sollen oder ob der Vertrieb on- oder offline stattfinden soll. Bei der Wahl der richtigen Vertriebsform sind aber nicht nur wirtschaftliche, sondern auch rechtliche Fallstricke zu beachten. Grund genug, sich mit den verschiedenen rechtlichen Problemen des Vertriebs auseinanderzusetzen. Der nachfolgende Beitrag soll Ihnen einen ersten Überblick über die unterschiedlichen Vertriebsformen geben, um als Entscheidungsgrundlage für die Vertriebsorganisation zu dienen.

Der Direktvertrieb
Fast jedes Unternehmen beginnt den Verkauf seiner Produkte im Direktvertrieb, also unmittelbar an den Endkunden ohne zwischengeschaltete Handelsstufen. Der Direktvertrieb findet heutzutage ganz überwiegend online statt (E-Commerce). Nach wie vor gibt es aber auch eine Vielzahl von Produkten, die offline vertrieben werden, weil sie z.B. besonders beratungsbedürftig sind.

Der Vorteil des Direktvertriebs liegt auf der Hand: Der Unternehmer kann den Vertrieb zentral steuern und bestimmen, wann zu welchem Preis verkauft wird. Auf der anderen Seite kann der Direktvertrieb aber auch rechtliche Risiken mit sich bringen, von denen einige nachfolgend erläutert werden sollen.

Direktvertrieb durch E-Commerce
Fast kein Unternehmen kann heute mehr auf den Direktvertrieb durch E-Commerce verzichten, sodass der Verkauf über einen eigenen Webshop oder über Online-Marktplätze mittlerweile zum Standardrepertoire eines jeden Unternehmens gehört.

Der Vorteil dieser Vertriebsform ist ohne Frage, dass sie für den Unternehmer mit überschaubaren Investitionen einhergeht. Es fallen weder Kosten für die Einrichtung eines Ladenlokals noch Personalkosten für Verkaufspersonal oder Vertriebsmittler an. Außerdem können die Produkte einem breiten Publikum angeboten werden und der Unternehmer erhält einen direkten Kundenkontakt, der den Abschluss von Folgegeschäften erleichtert.

Allerdings hat der E-Commerce auch seine Tücken. Die Fülle der zu beachtenden rechtlichen Vorschriften – insbesondere im Bereich B2C – ist ohne kompetente rechtliche Beratung kaum zu überblicken. Neben Informations- und Kennzeichnungspflichten müssen Besonderheiten bei der Preisauszeichnung, beim Datenschutz und bei der Widerrufsbelehrung beachtet werden. Fehler in diesem sensiblen Bereich führen häufig zu teuren Abmahnungen.

Der E-Commerce ist daher nur auf den ersten Blick schnell und einfach zu handhaben. Bei näherer Betrachtung stellen sich eine ganze Reihe von rechtlichen Problemen, die der Unternehmer beachten muss.

Der „Reisende“
Unter dem Begriff „angestellter Reisender“ versteht man eine Person, die auf Grundlage eines Arbeitsverhältnisses für einen Unternehmer dauerhaft Geschäfte vermittelt oder in dessen Namen abschließt. Letztlich handelt es sich hierbei also um den eigenen Außendienst des Unternehmers.

Auch diese Vertriebsform erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit, insbesondere weil der Reisende aufgrund des Angestelltenverhältnisses weisungsgebunden und damit gut kontrollierbar ist. Außerdem kann es gerade bei hochpreisigen Markenartikeln gut für das Image des Produktes sein, wenn der Unternehmer den „eigenen“ Vertrieb einsetzt.

Auf der anderen Seite birgt der Vertrieb über Angestellte wirtschaftliche und rechtliche Risiken. Denn meistens erhält der Angestellte im Außendienst neben einer erfolgsabhängigen Provision ein hohes Fixgehalt. Dieses Fixgehalt wird auch dann fällig, wenn der Angestellte im Vertrieb erfolglos ist, sodass der Unternehmer das wirtschaftliche Risiko für den Vertriebserfolg trägt. Die anfallenden Lohnnebenkosten erhöhen dieses wirtschaftliche Risiko und führen dazu, dass viel Kapital im Unternehmen gebunden bleibt. Hinzu kommt, dass Reisende als Arbeitnehmer eine Vielzahl von Ansprüchen und Rechten (Urlaub, Lohnfortzahlung) haben, die es bei anderen Vertriebsformen nicht gibt. Gerade kleinere Unternehmen scheuen daher den Vertrieb über angestellte Reisende.

Der indirekte Vertrieb
Der indirekte Vertrieb unterscheidet sich vom Direktvertrieb dadurch, dass der Unternehmer nicht unmittelbar an den Endkunden, sondern über Absatzmittler verkauft. Je nachdem, wie viele Absatzmittler zwischengeschaltet werden, spricht man von einem einstufigen oder mehrstufigen Vertrieb (z.B. über Groß- und Einzelhändler).

Der große Vorteil ist, dass das Absatzrisiko dadurch auf die Vertriebsmittler abgewälzt wird. Hohe Fixkosten – wie beim angestellten Reisenden – gibt es beim indirekten Vertrieb nicht. Auch diese Vorteile haben freilich ihren Preis, denn Handelsvertreter und Co. werden vom Gesetzgeber mit umfangreichen Rechten ausgestattet, die für den Unternehmer schnell lästig und teuer werden können.

Der Handelsvertreter
Handelsvertreter ist, wer als selbstständiger Unternehmer ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Der Handelsvertreter unterscheidet sich vom angestellten Reisenden also durch seine Selbstständigkeit. Von einem Makler unterscheidet er sich durch die Pflicht zur Vermittlung, wohingegen der Makler lediglich „bei Gelegenheit“ vermittelt.

Das Besondere am Handelsvertreter ist, dass er ein Geschäft vermittelt. Der eigentliche Kaufvertrag kommt also zwischen dem Unternehmen und dem Kunden zustande. Der Handelsvertreter tritt mit dem Kunden in keine vertragliche Beziehung.

Die Selbstständigkeit des Handelsvertreters bringt Vor- und Nachteile mit sich. Da er nicht beim Unternehmer angestellt ist, ist er diesem auch nicht in gleichem Maße weisungsgebunden und daher schwerer zu kontrollieren als der Reisende. Auf der anderen Seite trägt er selbst sein volles unternehmerisches Risiko und ihm steht kein gesetzlicher Anspruch auf Urlaub oder Lohnfortzahlung zu. Seine Vergütung – die Provision – erhält er nur dann, wenn er erfolgreich ein Geschäft für den Unternehmer vermittelt. Dem Provisionsanspruch des Handelsvertreters gegenüber dem Unternehmer korrespondiert also immer ein Anspruch des Unternehmers gegenüber dem Kunden, sodass der Vertrieb über Handelsvertreter für den Unternehmer wirtschaftlich attraktiv ist.

Das „dicke Ende“ kommt aber zum Schluss, nämlich dann, wenn der Unternehmer sich vom Handelsvertreter trennen möchte. Zwar kann das Handelsvertreterverhältnis grundsätzlich gekündigt werden. Bei der ordentlichen Kündigung müssen aber Fristen eingehalten werden, die je nach Vertragsdauer bis zu sechs Monate betragen können. Außerdem steht dem Handelsvertreter meist eine Abfindung zu, der sogenannte Ausgleichsanspruch. Die Berechnung des Ausgleichsanspruchs ist überaus komplex, denn sie hängt von der Frage ab, wie viele Neukunden der Handelsvertreter geworben hat und inwiefern der Unternehmer von diesen Kundenbeziehungen auch nach Vertragsbeendigung noch profitiert. Als Faustregel kann man sich jedoch merken, dass der Handelsvertreter eine Jahresdurchschnittsprovision als Abfindung erhält. Der Ausgleichanspruch kann daher schnell eine sechsstellige Summe betragen, was die wirtschaftliche Attraktivität des Handelsvertreters zumindest relativiert. Darüber hinaus stehen dem Handelsvertreter umfangreiche Auskunftsansprüche gegenüber dem Unternehmer zu, insbesondere der vom Unternehmer gefürchtete Buchauszugsanspruch. Die Erteilung eines Buchauszuges kann mit einem derart hohen Aufwand verbunden sein, dass sich dieser Anspruch in der Praxis als wirksames Druckmittel des Handelsvertreters etabliert hat.

Der Händler
Der Vertrieb über Händler unterscheidet sich von dem über Handelsvertreter dadurch, dass der Händler die Produkte im eigenen Namen und auf eigene Rechnung vom Unternehmer kauft und wieder verkauft. Der Händler verdient keine Provision, sondern eine Marge, die sich aus der Differenz von Verkaufs- und Einkaufspreis errechnet.

Für den Unternehmer ist der Vertrieb über Händler interessant, da er auch in dieser Konstellation das Absatzrisiko an den Händler auslagern kann. Außerdem handelt es sich bei dieser Konstellation häufig um B2B-Geschäfte, sodass für den Unternehmer weniger strenge rechtliche Rahmenbedingungen gelten. Die andere Seite der Medaille ist, dass der Händler der freieste aller Vertriebsmittler ist. Sofern der Händlervertrag nichts anderes vorsieht, ist der Händler nicht weisungsgebunden und beim Weiterverkauf vollkommen frei. Großen Einfluss auf den weiteren Absatz der Produkte hat der Unternehmer – auch aus kartellrechtlichen Gründen – nicht. Seine Steuerungsmöglichkeit endet bei der Auswahl des Händlers. Ein weiterer Nachteil des Händlervertriebs ist, dass der Unternehmer keinen direkten Kontakt zu den Kunden hat.

Nicht selten versuchen Unternehmer daher, ihre Händler durch ausgefeilte Händlerverträge enger in das eigene Vertriebskonstrukt einzubinden, beispielsweise indem diese zu regelmäßigen Berichten verpflichtet werden oder Kundendaten an den Unternehmer weitergeben müssen. Hierbei ist aber Vorsicht geboten. Denn wenn der Händler zu eng eingebunden wird, kann dies zur Folge haben, dass die strengen Schutzvorschriften des Handelsvertreterrechts analog auf ihn angewendet werden. Dies kann sogar dazu führen, dass dem Händler ein Ausgleichsanspruch zusteht.

Fazit
„Den“ richtigen Vertriebskanal gibt es nicht. Alle dargestellten Vertriebsmöglichkeiten bringen Vor- aber auch Nachteile mit sich. Der Unternehmer ist gut beraten, sich zunächst Gedanken darüber zu machen, welche Punkte ihm im Vertrieb wichtig sind. Erst danach sollte er in einem zweiten Schritt das richtige rechtliche Konstrukt auswählen. Hierbei gilt es, die vertragliche Ausgestaltung so zu wählen, dass mögliche rechtliche Fallstricke bestmöglich umgangen werden, sodass einem erfolgreichen Vertrieb nichts mehr im Wege steht.

Dr. Dennis Groh, LL.M.
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblicher Rechtsschutz in Köln, LLR Rechtsanwälte
www.llr.de
Stand: 19.09.2020 11:41