Wenn Umsatzziele nicht erreicht werden, rechtfertigen sich Angestellte gegenüber ihren Vertriebsleitern regelmäßig mit der aktuellen Marktsituation, die einen Erfolg unmöglich mache. Tatsächlich wissen viele Verkäufer jedoch schlichtweg nicht, wo sie den Hebel ansetzen können, um den Umsatz zu erhöhen.
Seit Jahren ist von Verkäufern zu hören, dass sie ihre Umsatzziele nicht erreichen können, weil Unternehmen zurzeit sehr sparsam und nicht bereit für Investitionen sind. Entsprechend defensiv verhalten sie sich oft im Kundenkontakt. Zuweilen auch, weil sie nicht wissen, wie sie ihre Umsätze beeinflussen können. Dabei kennen alle die Formel: Umsatz = Menge x Preis. Folglich gibt es zwei (Grund-)Strategien, mit denen Verkäufer ihre Umsätze steigern können: – ein Erhöhen der verkauften Menge und – ein Verbessern der erzielten Preise.
Lieferquote erhöhen
Die verkaufte Menge können Verkäufer steigern, indem sie das Potenzial bestehender Kunden besser ausschöpfen oder neue Kunden akquirieren. Fragt man Verkäufer, ob sie das Potenzial eines Kunden ausschöpfen, so antworten sie meist: „soweit möglich“. Fragt man weiter nach der Größe des jeweiligen Potenzials, antworten sie in der Regel, genau könnten sie das nicht sagen. Je nachdem, ob sie mit den Einkäufern oder Bereichsleitern des Kunden sprächen, erhielten sie verschiedene Antworten.
Deshalb müssen die Verkäufer das Umsatz-Potenzial ihrer Kunden selbst erkunden. Dann erfahren sie, wie viel Mehr-Umsatz möglich ist; außerdem eröffnet sich ihnen ein Weg, wie sie das gewünschte Plus erzielen können. Zum Beispiel, indem sie den Lieferanteil beim Kunden von 30 auf 40 Prozent erhöhen.
Über ein Erhöhen des Lieferanteils sind beachtliche Umsatzzuwächse möglich. Ein Beispiel: Wenn das Umsatz-Potenzial eines Kunden 500.000 Euro beträgt, dann bedeutet ein Erhöhen der Lieferquote um zehn Prozent 50.000 Euro mehr Umsatz. Das entspricht oft dem Potenzial eines mittleren Kunden. Und was ist leichter? Bei einem Bestandskunden die Lieferquote zu erhöhen oder einen neuen Kunden zu akquirieren?
Das Umsatz-Potenzial eines Kunden lässt sich zumindest beim Produktverkauf meist leicht ermitteln. Ein Metall verarbeitendes Unternehmen benötigt beispielsweise Schneideplatten, um Metallblöcke zu zerspanen. Ermittelt der Verkäufer nun, dass das Unternehmen
- acht Bearbeitungszentren hat,
- diese im Zwei-Schicht-Betrieb arbeiten und
- pro Schicht zehn Schneideplatten verbrauchen,
kann er durch eine simple Multiplikation errechnen, dass das Unternehmen pro Tag 160 und pro Jahr 32.000 Platten benötigt – bei 200 Arbeitstagen pro Jahr.
Cross-Selling-Potenziale ausschöpfen
Solche Hochrechnungen haben die meisten Verkäufer im Kopf. Anders sieht es bezogen auf die weiteren Bedarfsfelder beim Kunden aus. Diese zu identifizieren, fällt vielen Verkäufern schwer. Erneut ein Beispiel: Ein Verkaufsleiter fragt seine Verkäufer, welche zusätzlichen Umsätze das Unternehmen mit dem Top-Kunden X erzielen könnte. Er erhält die Auskunft, dass der Lieferanteil beim Kunden bereits sehr hoch sei. Eine Steigerung ist laut den Mitarbeitern nicht möglich, auch weil der Kunde, um unabhängig zu bleiben, seinen übrigen Bedarf bei anderen Lieferanten deckt. Das trifft grundsätzlich zu. Auch solche Faktoren spielen bei der Kaufentscheidung eine Rolle. Doch wie sieht es beim Kunden in anderen Bereichen aus? Wären hier zusätzliche Umsätze möglich?
In solchen verwandten Bedarfsfeldern ruhen oft viele Cross-Selling-Möglichkeiten. Diese erkennen Verkäufer ohne Unterstützung häufig nicht. Also müssen ihre Chefs sie hierzu anleiten. Eine Möglichkeit ist, neben quantitativen Zielen (z.B. eine Steigerung des Umsatzes um fünf Prozent) auch qualitative Strukturziele (z.B. 25 Prozent des Umsatzes durch Cross-Selling-Produkte) zu vereinbaren. Solche Ziele zeigen den Verkäufern Wege zum Erfolg. Außerdem können Verkaufsleiter über sie beeinflussen, womit und mit wem ihr Unternehmen Umsätze erzielt. Deshalb sind sie für alle Unternehmen unverzichtbar, die ihren Markt strategisch bearbeiten möchten.
Neue Kunden gewinnen
Neue Kunden zu gewinnen, ist meist schwieriger, als mit Bestehenden mehr Umsatz zu erzielen. Deshalb sollte auch diese Aufgabe in der Zielvereinbarung der Verkäufer verankert sein. Zum Beispiel in der Form: Zehn Prozent des Umsatzes X sollen mit Neukunden erzielt werden.
Neukunden gewinnen heißt in der Regel, Mitbewerbern Kunden abzujagen. Dabei gilt es zwischen
- reinen Wettbewerbskunden, mit denen das Unternehmen noch nie Geschäfte machte, und
- ehemaligen Kunden zu unterscheiden.
Bei beiden Gruppen haben Verkäufer oft mentale Barrieren, sie aktiv zu bearbeiten. Langjährige Wettbewerbskunden erscheinen oft unerreichbar, sodass überhaupt kein Versuch unternommen wird. Bezogen auf ehemalige Kunden plagt Verkäufer oft ein schlechtes Gewissen. Sei es, weil sich ihr Unternehmen bei ihnen eine Panne erlaubte oder ihnen nicht die gewünschte Lösung
bieten konnte. Deshalb sollten Verkaufsleiter mit ihren Verkäufern erörtern, wie sie solche Zielkunden akquirieren können. Außerdem sollten sie ihnen verdeutlichen: Wenn ihr Neukunden gewinnen wollt, dann ist dies nur bei diesen Kunden möglich. Denn im Markt gibt es kaum weiße Flecken, wo sich keine Mitbewerber tummeln.
Kundenbeziehungen mit System aufbauen
Beim Versuch Neukunden zu akquirieren, agieren Verkäufer oft nach folgender Maxime: „Da hauen wir mit einem niedrigen Preis rein.“ Dieses Vorgehen ist aber nur bei Gütern von Erfolg gekrönt,
- deren Qualität nicht abhängig vom Lieferanten schwankt und
- die für die Leistung des Kunden eine geringe Bedeutung haben,
weshalb ihm gleichgültig ist, wer liefert, solange der Preis stimmt.
Anders ist dies bei Dienstleistungen und bei Investitionsgütern, die für Leistungsfähigkeit und -kraft des Kunden von Bedeutung sind. Hier kommt man mit Dumping-Angeboten nicht weit. Vielmehr wird z.B. ein Werksleiter, der ein solches Angebot erhält, sofort unruhig. Er weiß, dass ihm durch eine Änderung des Lieferanten Mehrarbeit droht: Beispielsweise müssen Arbeitsabläufe modifiziert oder Maschinen neu eingestellt werden. Es ist möglich, dass er daher den alten Lieferanten darauf hinweist, sein Angebot entsprechend anzupassen, sodass alles wie gehabt bleibt.
Mit Kampfpreisen kommt der Verkäufer also nicht weit. Er muss vielmehr eine Beziehung aufbauen. Also gilt es zunächst zu ermitteln: Wer ist an der möglichen Kaufentscheidung beteiligt und wer sind die Schlüsselpersonen in diesem Prozess? Mit diesen muss der Verkäufer systematisch eine Beziehung aufbauen. Zum Beispiel, indem er sich mit ihnen regelmäßig trifft – nicht um ihnen unmittelbar etwas zu verkaufen, sondern um sich mit ihnen etwa über die Marktentwicklung und die Herausforderungen, vor denen der potenzielle Kunde steht, auszutauschen.
Intensiviert sich so der Kontakt mit der Zeit, denkt eine Schlüsselperson beim Kunden möglicherweise an den alternativen Lieferanten, sobald es ein Problem oder den Wunsch nach einer Veränderung gibt. Die Tür zum Portemonnaie des Kunden öffnet sich also ein Stück weit und der Anbieter erhält die Chance, bei einem ersten Auftrag seine Leistungsfähigkeit zu beweisen. Offeriert er dem potenziellen Kunden dann eine überzeugende Lösung, fasst dieser allmählich Vertrauen in die Kompetenz des Anbieters und geht mit ihm eine Kunden-Lieferanten-Beziehung ein.
Diese Zusammenhänge des strategischen Verkaufens sind vielen Verkäufern nicht ausreichend bewusst. Oft fehlt ihnen für ein solches Vorgehen auch die Geduld. Deshalb sollten ihnen ihre Vorgesetzten diese Zusammenhänge vermitteln. Zudem sollten sie mit ihnen Meilensteine vereinbaren – nicht nur, um den Fortschritt in der Kundenbeziehung messen zu können, sondern auch, damit ihre Mitarbeiter auf dem Weg zum Ziel bereits Erfolgserlebnisse haben. Sonst werfen sie irgendwann enttäuscht die Flinte ins Korn. Solche Meilensteine können z.B. sein:
- Es finden regelmäßige Treffen zum Erfahrungsaustausch mit fünf potenziellen Großkunden statt.
- Gemeinsam mit zwei Interessenten wird ein Unternehmen besucht, das mit unserem Angebot bereits zufrieden ist.
Höhere Preise erzielen
Der zweite Faktor, über den Verkäufer ihren Umsatz beeinflussen können, ist der Preis. Seine Bedeutung unterschätzen viele Verkäufer. Sie haben sich damit abgefunden, dass zumindest in weitgehend gesättigten Märkten die Preise in der Regel fallen. Also verwenden sie wenig Energie darauf, bessere Preise auszuhandeln. Dabei können sie zumindest beeinflussen, wie schnell die Preise fallen. Wo steht beispielsweise geschrieben, dass Preisnachlässe stets in Fünfer-Schritten erfolgen müssen? Sind nicht auch 3,75 Prozent möglich? Um solche Prozentpunkte feilschen Verkäufer oft nicht ausreichend. Dabei sind sie keine „Peanuts“. Im Gegenteil: Sie entscheiden oft darüber, ob ein Unternehmen mit Gewinn arbeitet. Dies sollten Verkaufsleiter ihren Mitarbeitern anhand von Rechenexempeln immer wieder verdeutlichen.
Ein Beispiel: Ein Zulieferer eines Autoherstellers macht mit diesem im Jahr 2023 500.000 Euro Umsatz; die Umsatzrendite beträgt fünf Prozent. Also zieht der Zulieferer aus dem Kontrakt einen Profit von 25.000 Euro. Gestehen die Verkäufer in den Verhandlungen für das Folgejahr dem Autohersteller nur ein halbes Prozent Preisnachlass zu, sinkt der Gewinn des Zulieferers um zehn Prozent beziehungsweise 2.500 Euro. Um diesen Gewinnverlust auszugleichen, müssten die Verkäufer 50.000 Euro Neuumsatz generieren. Verdeutlicht man Verkäufern solche Zusammenhänge, erkennen sie schnell, dass es einfacher ist einen niedrigeren Rabatt zu gewähren als hohe Umsätze bei Neukunden zu erzielen.
Der Weg vom Erkennen zum Tun ist aber oft weit. Viele Verkäufer packt spätestens bei der nächsten Verkaufsverhandlung, wenn der Einkäufer das „bessere“ Angebot des Mitbewerbers zückt, wieder die Angst, ohne Preisnachlass den Kunden zu verlieren. Deshalb sollten Verkäufer im Führen von Verkaufsverhandlungen geschult werden. Außerdem sollte das Erzielen bestimmter Preise und somit Gewinnmargen im Entlohnungssystem verankert sein. Denn die Entlohnung verdeutlicht einem Verkäufer besser als alles andere, was seinem Arbeitgeber wirklich wichtig ist.
Peter Schreiber ist Inhaber der B2B-Vertriebs- und Managementberatung PETER SCHREIBER & PARTNER in Ilsfeld bei Heilbronn. Er ist u.a. Referent an der IHK-Akademie München in Westerham und bei WEKA Industriemedien in Wien sowie Lehrbeauftragter an der Hochschule Mannheim.
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