In der Frage, ob ein GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer sozialversicherungspflichtig beschäftigt oder wegen Selbstständigkeit nicht pflichtversichert ist, ist das Bundessozialgericht von der bisherigen Rechtsauffassung abgerückt. Die sogenannte „Kopf und Seele“-Rechtsprechung wurde aufgegeben – ohne Vertrauensschutz für die betroffenen GmbHs.
Arbeitnehmer unterliegen in der gesetzlichen Sozialversicherung der Versicherungspflicht. Voraussetzung ist eine nichtselbstständige Beschäftigung, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch IV). Auch Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH können in einem abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur GmbH stehen. Dabei kann aber ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis insbesondere aufgrund der Kapitalbeteiligung des Geschäftsführers von vornherein ausgeschlossen sein.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat in der Vergangenheit in seiner Rechtsprechung bei bestimmten Angestellten einer Familiengesellschaft auch eine selbstständige Tätigkeit für möglich gehalten, wenn sie „Kopf und Seele“ der GmbH sind, weil sie faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft führen können. Dies kann geschehen aufgrund ihres überlegenen Fachwissens oder aufgrund ihrer alleinigen Branchenkenntnis.
In seiner Entscheidung vom 19.9.2019 beschäftigt sich das BSG eingehend mit der „Kopf und Seele“-Rechtsprechung.
Sachverhalt: Der Geschäftsführer einer GmbH war auf der Grundlage eines Geschäftsführervertrags alleinvertretungsberechtigt und von dem Verbot des Selbstkontrahierens befreit. Er war mit 24.500 Euro und seine Ehefrau, die als Buchhalterin bei der GmbH beteiligt war, mit 25.500 Euro beteiligt. Zwischen den Eheleuten wurde eine schriftliche Stimmbindungsvereinbarung geschlossen, nach der der Ehemann in seiner Geschäftsführerposition weisungsfrei sein sollte.
Nach einer Betriebsprüfung im Jahr 2013 setzte der Rentenversicherungsträger eine Nachforderung von insgesamt 59.533,32 Euro wegen versicherungspflichtiger Beschäftigung des GmbH-Geschäftsführers fest.
Klage und Berufung der GmbH blieben ohne Erfolg. Auch das BSG stellte fest, dass die Nachforderung des Rentenversicherungsträgers berechtigt war.
Nach der Urteilsbegründung des BSG ist ein Gesellschafter-Geschäftsführer selbstständig tätig, wenn ihm seine Gesellschafterstellung ermöglicht, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen. Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der mehr als 50 Prozent der Anteile am Stammkapital hält. Ein Geschäftsführer, der nicht über diese Kapitalbeteiligung verfügt und damit als Mehrheitsgesellschafter ausscheidet, ist dagegen grundsätzlich abhängig beschäftigt. Er ist ausnahmsweise auch dann als Selbstständiger anzusehen, wenn er exakt 50 Prozent der Anteile am Stammkapital hält oder ihm bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende („echte“ oder „qualifizierte“), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt wurde. Eine „unechte“, auf bestimmte Bereiche begrenzte Sperrminorität ist nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln.
Schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern, z.B. ein Stimmbindungsvertrag wie im Urteilsfall, sind nicht geeignet, eine beherrschende Stellung zu vermitteln, da sie auch gekündigt werden können – und sei es auch nur aus wichtigem Grund.