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Die Künstlersozialabgabe 2022: Gesetzliche Grundlage – wichtige Urteile – Vermeidungsstrategien

Die Künstlersozialabgabe 2022: Gesetzliche Grundlage – wichtige Urteile – Vermeidungsstrategien

Die in der Künstlersozialversicherung versicherten Personen tragen – wie abhängig beschäftigte Arbeitnehmer – die Hälfte ihrer Sozialversicherungsbeiträge. Die andere Beitragshälfte wird durch einen Bundeszuschuss und durch die Künstlersozialabgabe finanziert. Diese Abgabe müssen diejenigen Unternehmen aufbringen, die künstlerische oder publizistische Leistungen verwerten. Welche Leistungen fallen darunter und welche Unternehmen (Auftraggeber) sind abgabepflichtig? Wie kann die Abgabe vermieden werden?

Anfang des Jahres 2022 haben cirka 240.000 Unternehmen Post aus Wilhelmshaven bekommen. Sie sind von der dort ansässigen Künstlersozialkasse (KSK) aufgefordert worden, bis spätestens zum 31.3.2022 die Summe der im Jahr 2021 an selbstständige Künstler und Publizisten gezahlten Netto-Entgelte zu melden. Wer nicht reagierte, muss damit rechnen, dass die Höhe der Entgelte geschätzt und auf dieser Grundlage die Abgabe festgesetzt wird (§ 27 Abs. 1 Satz 3 Künstlersozialversicherungsgesetz – KSVG). Außerdem kann die KSK für unterlassene Meldungen oder falsche Angaben eine Geldbuße bis zu 50.000 Euro festsetzen.

Höhe der Abgabe und gesetzliche Prüfung

Seit 2018 gilt ein Abgabesatz von 4,2 Prozent der Netto-Entgelte. Diese Absenkung von ursprünglich 5,2 Prozent (im Jahr 2016) war nur möglich, weil die KSK zusammen mit der Deutschen Rentenversicherung die Prüfungen bei den abgabepflichtigen Unternehmen erheblich ausweiten konnte. Das der KSK gemeldete Honorarvolumen hat sich in den letzten 20 Jahren von 2,6 Milliarden auf über 5,5 Milliarden mehr als verdoppelt.
Wenn heute eine Sozialversicherungs-Außenprüfung durch den Träger der Rentenversicherung stattfindet – turnusmäßig alle vier Jahre –, wird immer auch die Ordnungsmäßigkeit der Künstlersozialabgabe mitgeprüft.

Künstlerische und publizistische Tätigkeiten

Wird ein freiberuflich Tätiger beschäftigt (beauftragt), stellt sich zunächst die Frage, ob diese Person tatsächlich selbstständig tätig oder doch als Arbeitnehmer (Scheinselbstständiger) beschäftigt und damit versicherungspflichtig ist. Ist dies der Fall, ist keine Künstlersozialabgabe abzuführen, weil Arbeitnehmer bereits anderweitig pflichtversichert sind. Das sogenannte Anfrageverfahren, das durch die Deutsche Rentenversicherung Bund auf Antrag von Arbeitgeber (Auftraggeber) oder Arbeitnehmer durchgeführt wird, ist ein gutes Mittel, um Klarheit zu schaffen.
Nach dem Gesetz gilt als Künstler, wer Musik oder darstellende/bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt. Dazu gehören auch Designer und deren Ausbilder. Publizist ist jeder, der als Schriftsteller, Journalist oder in ähnlicher Weise publizistisch tätig ist oder Publizistik lehrt. Auf welchem Niveau dies geschieht, ist nicht entscheidend. In ihrer Informationsschrift Nr. 6 hat die KSK über 100 Berufe bzw. Tätigkeiten in ABC-Form aufgelistet, die unter das Künstlersozialversicherungsgesetz fallen. Die Palette der Beispiele reicht von Akrobat über Clown, Komiker und Sänger bis hin zu Zauberer. Hier einige weitere

Beispiele:

  • Eine GmbH gibt eine Mitarbeiterzeitschrift heraus. Um Texte hierfür zu erstellen, wird ein selbstständiger Journalist beauftragt.
  • Zur Herstellung eines Werbeflyers wird ein selbstständiger Grafiker beschäftigt.
  • Eine GmbH lässt ihre Webseite von einem Webdesigner gestalten.
Die abgabepflichtigen Personen

In § 24 KSVG werden Unternehmen aufgeführt, die typischerweise künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen verwerten und deshalb eindeutig zu den abgabepflichtigen Institutionen zählen. Dazu gehören u.a.:

  • Buch-, Presse- und sonstige Verlage, Presseagenturen (einschließlich Bilderdienste),
  • Theater (ausgenommen Filmtheater), Orchester, Museen,
  • Theater-, Konzert- und Gastspieldirektionen sowie sonstige Unternehmen, deren wesentlicher Zweck darauf gerichtet ist, künstlerische Werke aufzuführen oder künstlerische Leistungen darzubieten,
  • Rundfunk, Fernsehen,
  • Herstellung von bespielten Bild- und Tonträgern,
  • Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit für Dritte.

Darüber hinaus gehören auch alle Unternehmen, die Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit für das eigene Unternehmen betreiben, zum Kreis der Abgabepflichtigen, wenn sie regelmäßig – nicht nur gelegentlich (siehe dazu weiter unten) – selbstständige Künstler oder Publizisten beauftragen. Durch das Gesetz zur Stabilisierung des Künstlersozialabgabesatzes vom 30.7.2014 wurde der Begriff der gelegentlichen Auftragserteilung in zeitlicher und wirtschaftlicher Hinsicht konkretisiert. Für alle seit dem 1.1.2015 im Rahmen der Eigenwerbung oder nach der Generalklausel erteilten Aufträge gilt: Eine gelegentliche Auftragserteilung liegt nur dann vor, wenn die Gesamtsumme aller gezahlten Entgelte in einem Kalenderjahr 450 Euro nicht übersteigt. Sofern es für die Abgabepflicht nach der Generalklausel auf die Anzahl der Veranstaltungen ankommt, ist diese Voraussetzung unabhängig von der 450-Euro- Regelung zusätzlich zu prüfen.

Bemessungsgrundlage der Künstlersozialabgabe

Bemessungsgrundlage der Künstlersozialabgabe sind alle in einem Kalenderjahr an selbstständige Künstler und Publizisten gezahlten Entgelte (§ 25 KSVG). Entgelt im Sinne des KSVG ist alles, was der Unternehmer aufwenden muss, um das künstlerische/publizistische Werk oder die Leistung zu erhalten oder zu nutzen. Ob es sich bei den Aufwendungen beispielsweise um Gagen, Honorare, Tantiemen, Lizenzen, Ankaufpreise, Zahlungen aus Kommissionsgeschäften, Sachleistungen, Ausfallhonorare, freiwillige Leistungen zu Lebensversicherungen oder zu Pensionskassen oder andere Formen der Bezahlung handelt, ist unerheblich. Zum Entgelt gehören grundsätzlich auch Auslagen (z.B. Kosten für Telefon und Fracht) und Nebenkosten (z.B. für Material, Entwicklung und nichtkünstlerische Nebenleistungen), die dem Künstler vergütet werden.
Die Künstlersozialabgabe wird auch für Zahlungen an Personen erhoben, die selbstständig künstlerisch/publizistisch tätig sind, aber nicht nach dem KSVG versichert werden können. Künstler oder Publizist in diesem Sinne ist auch, wer die künstlerische/publizistische Tätigkeit nur nebenberuflich oder nicht berufsmäßig ausübt (Beamte, Studenten, Rentner, die nebenbei publizistisch oder künstlerisch tätig sind).

Nicht zur Bemessungsgrundlage gehören
  • Die in einer Rechnung gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer des selbstständigen Künstlers oder Publizisten,
  • Zahlungen an urheberrechtliche Verwertungsgesellschaften,
  • Zahlungen an eine Kommanditgesellschaft (KG) und offene Handelsgesellschaft (OHG),
  • Zahlungen an juristische Personen des privaten oder öffentlichen Rechts (GmbH, Unternehmergesellschaft – UG (haftungsbeschränkt), Arbeitsgemeinschaft AG, e.V., öffentliche Körperschaften und Anstalten etc.) und an GmbH & Co. KG, sofern diese im eigenen Namen handeln,
  • Gewinnzuweisungen an Gesellschafter,
  • Reisekosten, die dem Künstler/Publizisten im Rahmen der steuerlichen Freigrenzen erstattet werden und
  • auch andere steuerfreie Aufwandsentschädigungen (z.B. für Umzugskosten, Mehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung oder Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte) im Rahmen der steuerlichen Grenzen.
Künstlerische und publizistische Leistungen von Gesellschaften

Werbeagenturen und PR-Unternehmen bedienen sich heute vielfach der Rechtsform einer GmbH oder Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt). Wer nicht mehr als „Einzelkämpfer“ seine Leistungen anbieten möchte, schließt sich mit Gleichgesinnten zusammen und gründet eine Personengesellschaft in der Rechtsform der BGB-Gesellschaft, Partnerschaftsgesellschaft, OHG oder KG.

Beispiel:

Zwei Werbefachleute schließen sich zu einer Gesellschaft zusammen. Sie können die Rechtsform der BGB-Gesellschaft wählen. Da sie aber in der Regel ein Gewerbe betreiben, können sie auch Kaufleute nach § 1 Abs. 2 Handelsgesetzbuch (HGB) oder § 2 HGB werden und als solche sodann eine OHG oder KG gründen.

Da nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz nur selbstständige Künstler und Publizisten versicherungspflichtig sein sollen, fällt keine Pflichtabgabe an, wenn die Leistung von einer juristischen Person erbracht wird, egal ob es sich um eine Mehrpersonen-GmbH oder um eine Einmann-GmbH handelt. Entsprechendes gilt für eine UG (haftungsbeschränkt). Nach dem Merkblatt der KSK zur Künstlersozialabgabe gehören dann auch Zahlungen an diese Unternehmen nicht zur Bemessungsgrundlage für die Pflichtabgabe. Genannt werden dort ferner die AG, der eingetragene Verein, Anstalten, Körperschaften und Stiftungen sowie Zahlungen an eine GmbH & Co. KG, „sofern diese im eigenen Namen handeln“.
Des Weiteren zählt das Merkblatt der KSK Zahlungen an eine KG und OHG nicht zur Bemessungsgrundlage. Hintergrund ist, dass das Bundessozialgericht mit Urteil vom 2.4.2014, Az. B 3 KS 3/12 R, die KG und mit Urteil vom 16.7.2014, Az. B 3 KS 3/13 R, die OHG von der Abgabeplicht ausgenommen hat mit der Begründung, es könne „nicht regelmäßig angenommen werden, dass alle Gesellschafter an der Erstellung eines künstlerischen oder publizistischen Werks gemeinschaftlich als
selbstständige Künstler oder Publizisten mitwirken“.

Vermeidungsstrategien

Wenn Sie publizistische oder künstlerische Leistungen in Anspruch nehmen wollen, sparen Sie Geld, wenn Sie bei vergleichbarem Leistungsangebot einer Kapitalgesellschaft (GmbH, UG) oder einer Personengesellschaft den Vorzug geben.
Wenn Sie dauerhaft mit einem künstlerischen Einzelkämpfer zusammenarbeiten wollen, sollten Sie ihm nahelegen, im Interesse der weiteren Zusammenarbeit die Rechtsform der UG (haftungsbeschränkt) zu wählen. Die an eine UG zu zahlenden Honorare sind grundsätzlich nicht abgabepflichtig.
Wenn Sie mit einer Werbe- oder Eventagentur Veranstaltungen planen, überlassen Sie das Engagement der Künstler der Agentur. Nur diese ist dann gegenüber der KSK abgabepflichtig.

Zur Person

Der Autor Dr. Hagen Prühs ist Schriftleiter der
monatlichen Zeitschrift GmbH-Steuerpraxis.
Zudem ist er seit 2005 Herausgeber und
Chefredakteur des Wirtschaftsmagazins
gmbhchef.
www.gmbh-steuerpraxis.de
www.gmbhchef.de

Stand: 17.06.2022 14:14