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Alte und neue Herausforderungen: Handlungsempfehlungen für ein nicht Zuviel und nicht Zuwenig

Alte und neue Herausforderungen: Handlungsempfehlungen für ein nicht Zuviel und nicht Zuwenig

Wir alle leben in herausfordernden Zeiten, für die Wirtschaft gilt dies erst recht. Bereits 2019 erwarteten wir eine Krise nach vielen erfolgreichen Jahren. Dann kam Covid-19 und stresst uns und die Wirtschaft bis heute.

Längst sind die Auswirkungen spürbar. Die Bundesregierung und die Länder haben sehr frühzeitig gut reagiert und Soforthilfen eingeführt, die nach einigen Anfangsschwierigkeiten mittlerweile bei fast allen angekommen sind. Die Verlängerung der Kurzarbeit rettet die Menschen bislang vor einer Massenarbeitslosigkeit und die nach dem Insolvenzrecht geltenden Maßnahmen sind nach wie vor teilweise ausgesetzt.

Bei den Soforthilfen fallen nach wie vor Unternehmen durchs Raster

Bei den Soforthilfen fielen zunächst die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) durch das Raster. Danach wurde ordentlich nachgebessert. Tatsächlich gibt es aber nach wie vor Unternehmen, die keine Soforthilfe bekommen, obwohl sie nachweislich durch Covid-19 in die Krise geraten sind. Das sind die Unternehmen, die bereits 2019 in der Krise waren, diese aber nachweislich noch 2019 überwunden hatten. Wer also 2019 sogar eine positive Fortführungsprognose testiert bekam, wird bis heute nicht berücksichtigt, weil es nur auf den Tatbestand der „Krise in 2019“ ankommt, egal, ob diese bereits 2019 überwunden war. Erwartungsgemäß halten sich dann auch die Hausbanken sehr zurück und vergeben nicht einmal eigene Kredite an zwischenzeitlich gesundete Unternehmen. Ob diese ohne Hilfen durchhalten werden, wird sich zeigen.

Insolvenzantragspflicht weiter ausgesetzt, aber nicht für Zahlungsunfähigkeit

In diesem Zusammenhang war sicherlich auch die Verlängerung der Insolvenzantragspflicht hilfreich, die aber für die Zahlungsunfähigkeit seit dem 1.10.2020 nicht mehr gilt. Das bedeutet, dass lediglich der Tatbestand der Überschuldung weiterhin geschützt ist, und zwar bis Ende des Jahres 2020. Die viel häufiger eintretende Zahlungsunfähigkeit wird nun zu einer Vielzahl von Insolvenzen führen.

Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, 90% seiner fälligen Verbindlichkeiten innerhalb von drei Wochen zu begleichen. So weit, so einfach. In diesem Fall muss der Schuldner „unverzüglich, spätestens aber innerhalb von drei Wochen“ die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen, will er nicht in eine massive Haftung kommen. Die verspätete Beantragung der Insolvenz führt nämlich zu Insolvenzverschleppung, die nicht nur ein mit erheblichen Strafen verbundener Straftatbestand ist. Sie führt daneben auch zur zivilrechtlichen Haftung des Geschäftsführers. Entgegen einer weitverbreiteten Auffassung haftet nämlich auch der Geschäftsführer einer GmbH im Zweifel mit seinem gesamten (Privat-)Vermögen. Nur die Gesellschaft als solches haftet im Zweifel bei einer Insolvenz beschränkt.

Prüfung erforderlich

Daher müssen Unternehmen prüfen, ob tatsächlich ein Insolvenztatbestand in Form einer Zahlungsunfähigkeit vorliegt oder nicht. Es geht dabei nur um fällige Forderungen, also diejenigen, die kurz- bis mittelfristig bezahlt werden müssen. Forderungen, die erst in einigen Monaten fällig sind, sind davon nicht betroffen. Auch bei jetzt schon fälligen Forderungen sind noch Maßnahmen möglich, selbst wenn die Zeit von drei Wochen denkbar knapp und möglicherweise schon abgelaufen ist. Hilfreich sind hier Gespräche mit den Gläubigern, um eine Zahlungsstundung zu erreichen. Gestundete Zahlungen sind nämlich nicht mehr fällig, sondern erst dann wieder, wenn die Stundung ausläuft. Eine weitere Möglichkeit ist natürlich das Gespräch mit Banken oder anderen Darlehensgebern oder die Veräußerung von Betriebsvermögen, um flüssige Mittel zu generieren. Die Frage ist ohnehin, ob überhaupt noch eine Dreiwochenfrist läuft, wenn man bei Zahlungsunfähigkeit wusste, dass ab dem 30.9.2020 der Insolvenzschutz nicht mehr verlängert wird. Es darf damit gerechnet werden, dass die Insolvenzverwalter hier ganz genau hinschauen werden, waren sie ja ohnehin gegen jedwede Verlängerung bzw. Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. Es schien manchmal so, als sollte Covid-19 eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Insolvenzverwalter sein.

Insgesamt ist daher mit einer erheblichen Zunahme der Insolvenzanträge zu rechnen.

Weitere Insolvenzschutzmaßnahmen umgesetzt oder geplant

Wie wird es aber weitergehen? Auch hier ist die Bundesregierung nicht untätig und hat mit Wirkung zum 1.10.2020 für den Bereich der Privatinsolvenzen die bisherige Sechsjahresfrist auf drei Jahre verkürzt. Das ist eine sehr begrüßenswerte Entscheidung. Dies betrifft tatsächlich auch Unternehmer, die durch die Insolvenz ihres Unternehmens dann später auch in eine Privatinsolvenz abgerutscht sind.

Im Hinblick auf die ab Anfang 2021 wieder uneingeschränkt geltende Insolvenzantragspflicht soll nun durch das „Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen“ (StaRUG) mit Sanierungsbau- und Restrukturierungsrahmen insbesondere Unternehmen, die durch die Covid-19-Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind, ein neues Sanierungsinstrument an die Hand gegeben werden. Der Zugang zum Restrukturierungsrahmen erfordert – anders als das Schutzschirmverfahren, das zudem einen Insolvenzantrag voraussetzt – keine umfangreichen und teuren Gutachten. Die Geschäftsleitung bleibt während der Restrukturierung am Ruder und lenkt diese eigenverantwortlich.

Eines der zentralen Elemente des Restrukturierungsrahmens ist der sogenannte Restrukturierungsplan. Dieser soll es Unternehmen ermöglichen, eine Insolvenz abzuwenden und sich mit Zustimmung einer Mehrheit der Gläubiger zu sanieren.

Der Restrukturierungsplan gibt Unternehmen Flexibilität

Mit dem Plan können Unternehmen Forderungen gestalten. Insbesondere eröffnet er die Möglichkeit, nur einzelne Gläubiger in den Plan einzubinden. So kann eine strauchelnde Firma etwa Forderungen von Banken restrukturieren, während Lieferantenforderungen unangetastet bleiben.

Zudem können sie Rechte ähnlich gestalten wie in einem Insolvenzverfahren, ohne dass hier aber eines vorliegt.

Die Abstimmung über den Plan erfolgt in Gruppen, allerdings mit deutlich einfacher zu handhabbaren Mehrheitsverhältnissen als in einem Insolvenzverfahren oder einer bisherigen außergerichtlichen Sanierung.

Es geht sogar ohne Gericht

Eine gerichtliche Beteiligung an dem Restrukturierungsplan ist nicht zwingend erforderlich. Stimmen alle betroffenen Gläubiger zu, haben sie sich freiwillig dessen Wirkungen unterworfen.

Für kleinere Unternehmen sieht der Entwurf als eine vorgelagerte Stufe eine Sanierungsmoderation zwischen Schuldner und Gläubigern vor.

Flankiert wird der Restrukturierungsplan von weiteren Instrumenten wie etwa der Möglichkeit, gegenseitige Verträge gerichtlich beenden zu lassen, sowie Stabilisierungsmaßnahmen, durch die die individuelle Rechtsdurchsetzung eingeschränkt wird.

Als Stabilisierungsmaßnahmen kann das Restrukturierungsgericht auf Antrag des Unternehmens für bis zu drei Monate eine Sperre von Zwangsvollstreckungen anordnen und die Verwertung von Gegenständen, die in einem Insolvenzverfahren zur Aus- oder Absonderung berechtigen, untersagen.

Neu eingeführt werden soll eine Pflicht für Geschäftsleiter, Krisen früh zu erkennen und bei Kriseneintritt Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Das ist eigentlich ein klassisches Compliance-Management-System (CMS), also ein besseres Risikomanagement. Liegt ein funktionierendes Risikomanagement bzw. CMS vor, können Risiken frühzeitig erkannt sowie Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.

Das durch den Referentenentwurf vorgesehene Sanierungsverfahren bietet Unternehmen die Möglichkeit, sich unter Vermeidung einer echten Insolvenz zu sanieren. Das ist grundsätzlich zu begrüßen, hat sich doch in der Vergangenheit gezeigt, dass sämtliche vom Gesetzgeber geschaffene Anreize, frühzeitig einen Insolvenzantrag zu stellen, um die Sanierungsaussichten zu erhöhen, nur begrenzt wirkten.

Der Haftungs- und Regelungsdruck für Unternehmen wird größer

Obwohl sich die Unternehmen derzeit im Krisenmodus befinden, werden parallel zu den zuvor beschriebenen Schutzmechanismen die Anforderungen an die Unternehmensintegrität und den Schutz der Mitarbeiter verschärft. Dies zeigt sich besonders beim Unternehmensstrafrecht.

Unternehmensstrafrecht kommt

Bislang konnten Unternehmen nicht bestraft werden, sondern lediglich individuelle Täter, also Personen. Nur in Ausnahmefällen konnte gegen Unternehmen direkt vorgegangen werden. Das soll sich nun ändern.

So geht das neue Verbandssanktionengesetz deutlich weiter. Künftig soll es Sanktionen von maximal 10% des Jahreskonzernumsatzes geben. Das gilt für Unternehmen mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz von mehr als 100 Mio. €. Zusätzlich soll der aus der Straftat erlangte Gewinn abgeschöpft werden. Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen soll die Sanktion bis zu 10 Mio. € betragen können.

Bei Verdacht muss die Staatsanwaltschaft ermitteln

Bislang lag die Entscheidung über die Verfolgung einer Tat bzw. über die Verhängung einer Geldbuße im Ermessen der Verfolgungsbehörden (sogenanntes „Opportunitätsprinzip“). Von diesem Grundsatz wird nunmehr Abstand genommen. Zukünftig sind die Ermittlungsbehörden verpflichtet zu ermitteln.

Unternehmen, die entsprechende Strukturen zur Prävention und Verhinderung von Korruption einführen, sollen belohnt werden. Günstig wirken sich ein umfassendes Risikomanagement oder – besser – eine effiziente Compliance aus.

Zur Person
Peter Fissenewert ist Rechtsanwalt und Partner im Berliner Büro der Kanzlei Buse Heberer Fromm. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind das Wirtschaftsrecht und das Wirtschaftsstrafrecht und hier insbesondere das Gesellschaftsrecht, Restrukturierung, Sanierung und Insolvenz sowie Compliance-Beratung und Managerhaftung. Seit 2005 hält Fissenewert darüber hinaus eine Professur für Wirtschaftsrecht.
Stand: 27.11.2020 15:51