Delegieren: Entwicklung durch Abgabe von Verantwortung

Besprechung von Aufgaben im Team-

Auch wenn jede Führungsrolle es erfordert, gelingt es vielen Führungskräften oft nicht: Aufgaben zu delegieren. Dabei trägt diese Kompetenz nicht nur zur Entlastung der Führungskraft bei, sondern auch zur Entwicklung und Bindung der Mitarbeiter.

Oft weiß Stefan Kurz (Name von der Redaktion geändert) nicht, wo ihm der Kopf steht. Ein Meeting jagt das andere, die Unternehmensleitung erwartet die Erreichung der Zielvorgaben, die internen und externen Kunden erwarten Servicequalität und Zuverlässigkeit, und das zehnköpfige Team braucht Orientierung und Entwicklung. Wie Kurz geht es vielen Mittelmanagern: Der Druck von oben und von unten wächst vor dem Hintergrund einer derzeit angespannten Wirtschaftslage.

Unter engen Zeitvorgaben und mit knappen Mitarbeiter-Ressourcen wirkungsvolle Maßnahmen umsetzen – so sieht der Alltag vieler Führungskräfte aus. Das zehrt an den Nerven und am Schlaf. Hinzu kommt eine veränderte Mitarbeiterschaft mit anderen Bedürfnissen. Aktuelle Studien zeigen: Jüngere Mitarbeiter fordern mehr Sinn und Anerkennung und gleichzeitig eine hohe Sicherheit. Das Arbeiten in flacheren Hierarchien mit selbst organisierten Arbeitsformen stellt Führungskräfte auf mittlerer Ebene – die sogenannten Sandwich-Manager – vor zusätzliche Herausforderungen. Denn das Team erwartet Rollenklarheit. Stattdessen machen viele Führungskräfte weiterhin alles allein und fühlen sich im Hamsterrad überfordert.

Wege aus dem Dilemma

Niemand wird als Führungskraft geboren und fast alle haben durch herausragende operative Leistungen die nächste Karrierestufe erreicht. Also scheint es ein bewährtes Vorgehen, alles selbst zu machen. Hinzu kommt die Prägung aus Elternhaus und Schule: Viele sind von klein auf darauf getrimmt worden, dass man Probleme selbst zu lösen hat. Auch Glaubenssätze wie „Wenn ich mich nur ordentlich hineinhänge, dann schaffe ich es auch“ stehen vielen im Weg. Doch diese Haltung führt über kurz oder lang in das Burnout.

Ein Weg aus diesem Dilemma führt über das Bewusstsein für die eigene Führungsrolle mit zwei Kernaufgaben: Die erste davon ist, einen Beitrag dazu zu leisten, dass strategische Ziele des Unternehmens erreicht und dass die Arbeitsbedingungen so gestaltet werden, dass die Mitarbeiter gerne zur Arbeit kommen. Die zweite wichtige Aufgabe ist die Selbstfürsorge. Auch Führungskräfte brauchen Möglichkeiten zur Stärkung des eigenen Wohlbefindens und der eigenen Ressourcen. Das kann erreicht werden, wenn Verantwortung abgegeben wird.

Delegieren will gelernt sein

Beim Delegieren geht es darum, „loszulassen“. Aufgaben abzugeben, sind Führungskräfte oft nicht gewohnt und sie müssen sich vielleicht eingestehen, dass auch ein Mitarbeiter eine Aufgabe auf seine Art gut lösen kann. Aus dessen Perspektive betrachtet, bedeutet nicht delegieren: Die Führungskraft hat kein Vertrauen in meine Fähigkeiten. Damit sieht er oder sie keine Chance, die Aufgabe zufriedenstellend zu erfüllen. Die Folge daraus ist, dass sich der Mitarbeiter nicht entwickeln kann und die Lust verliert, selbst zu denken und Verantwortung für das eigene Tun zu übernehmen. Nicht delegieren zu können oder zu wollen, führt aufseiten der Führungskraft kaum zu mehr Zeit und Freiraum, um strategische Ziele umzusetzen. Auch entspricht die Kultur eines „alleinigen Superheldens“, der alle Entscheidungen trifft, nicht mehr dem Zeitgeist. Mitarbeiter erwarten einen modernen Führungsstil und die Beteiligung an Entscheidungen.

Eine strukturierte Delegation in einer partizipativen Unternehmenskultur kann helfen, dass Führungskräfte entlastet und Mitarbeiter befähigt werden – und das ist Personalentwicklung in ihrer besten Form! Diese Haltung ist geprägt von folgender Überzeugung: „Ich will meine Mitarbeiter stark und entscheidungsfähig machen.“ Das setzt voraus, dass sich die Führungskraft von ihren eigenen Vorstellungen, wie eine Lösung auszusehen hat, ein Stück weit befreit. Auch erfordert Delegation ein geordnetes Vorgehen und in vielen Fällen den Blick von außen.

Interim-Manager sind erfahrene Problemlöser

Erfahrene HR-Interim-Manager mit Coaching-Ausbildung können Führungskräfte bei Themen rund um Führung und Personalentwicklung begleiten. Aufgrund wechselnder Mandate in verschiedenen Unternehmen haben sie einen anderen Zugang zu den Themen als ein mitunter „betriebsblinder“ festangestellter Manager. Auch können sie alle involvierten Stakeholder im Prozess unterstützen und ggf. Gespräche vorbereiten, strukturieren und moderieren.

Das folgende Fallbeispiel eines Handwerksbetriebs mit 150 Mitarbeitern macht den Nutzen eines Coaching-Prozesses deutlich:

Das mittelständische Unternehmen stand vor der Herausforderung, die Qualität der Lieferanten an die eigenen Anforderungen anzupassen und gleichzeitig die starke Bindung zu ihnen aufrecht zu erhalten. Es sollten Kriterien und Maßnahmen mit neuen Bedingungen zum Lieferantenmanagement eingeführt werden. Die Firmenleitung übergab diese Aufgabe an den Abteilungsleiter.

Als Prozessbegleiterin unterstützte die Interim-Managerin im Rahmen von Workshops sowohl den Abteilungsleiter als auch das Team und weitere involvierte Abteilungen dabei, anhand konkreter Fragen Maßnahmen zu erarbeiten. Welche Kriterien im Lieferantenmanagement müssen erfüllt sein, damit die Qualitätsstandards gewährleistet sind? Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, sodass Mitarbeiter diese Kriterien einfordern können? Wie können Lieferantenschulungen erfolgen, welche Timelines setzen wir uns, und wer muss in den Prozess einbezogen werden? Diese strukturierte Vorgehensweise hat dazu geführt, dass das Team „out-of-the-box“ Lösungswege erarbeitet, dabei Optionen geprüft und als Team Verantwortung übernommen hat. Eine Idee eines Mitarbeiters zur Einführung dieser Maßnahmen war z.B. ein Kickoff-Treffen mit allen Lieferanten zu organisieren, anstatt Einzelgespräche zu führen. Der Abteilungsleiter bezog Nachbarabteilungen wie z.B. das „Rechnungswesen“ mit ein, um Kriterien zu definieren, die aus deren Sicht erfolgsichernd waren.

Das Coaching mit dem Abteilungsleiter war ein weiteres wichtiges Element des Change-Prozesses. Die Interim-Managerin achtete grundsätzlich darauf, wertschätzend zu würdigen, wie Prozesse bisher gelaufen waren, und Feedback zu eigenen Beobachtungen zu geben. Systemische Fragen regten zur Reflexion an und stärkten die Veränderungsbereitschaft: „Was genau wollen Sie an Ihrer Situation ändern, wer könnte Sie unterstützen, und welchen Nutzen bringt es, einen Teil der Aufgaben abzugeben?“ Im Anschluss galt es, weitere Beteiligte einzubinden. So hat der Abteilungsleiter mit der Geschäftsführung vereinbart, dass sie Gespräche mit den Top-Lieferanten führt, um die persönliche Beziehung zu ihnen zu stärken. Auch Trennungsgespräche mit einzelnen Lieferanten waren ein notwendiger Teil des Lieferantenmanagements. Wichtig war, als Prozessbegleiterin empathisch mit dem Dilemma der erforderlichen Qualitätssteigerung einerseits und der Aufrechterhaltung der Lieferantenbeziehung andererseits umzugehen.

Handwerkszeug für wertschätzende Gesprächsführung

Neben professionellen Gesprächen mit den Lieferanten sollten auch die Gespräche mit den Mitarbeitern gut vorbereitet werden. Da der Abteilungsleiter des Handwerksbetriebs z.B. unsicher war, wie er mit seinem Team sprechen soll, ließ er sich von der Interim-Managerin coachen und erarbeitete mit ihr eine Gesprächsstrategie. Coaching kann darüber hinaus auch die Kommunikation nach oben stärken. Ohne die Kompetenz des Abteilungsleiters in Frage zu stellen, kann ihn eine strukturierte Gesprächsvorbereitung dabei unterstützen, seine Ziele und Ergebniserwartungen gegenüber der Geschäftsführung zu formulieren. So gewinnt der Abteilungsleiter Stärke und Selbstvertrauen für die Wegzielbestimmung, wodurch er sich weiterentwickelt und sowohl von der Geschäftsführung als auch von seinem Team als klare und souveräne Führungskraft wahrgenommen wird.

Neben mehr Handlungssicherheit unterstützt Coaching dabei, die Komplexität von Themen zu reduzieren und die Vorteile des Delegierens wertzuschätzen. Mittelfristig lohnt es sich, Zeit und Geduld zu investieren, um Mitarbeiter zu befähigen, Verantwortung zu übernehmen und abteilungsübergreifendes Arbeiten zu fördern. So verstanden ist Delegation ein Entwicklungsprozess und auch ein Programm zur Mitarbeiterbindung. Denn Mitarbeiter, denen Vertrauen entgegengebracht wird, die unterstützt werden und sich Rat einholen dürfen, bleiben dem Unternehmen erhalten.

Zur Person

Katrin Schauffele

Katrin Schauffele ist HR-Interim-Managerin, systemische Organisationsberaterin und Coach. In 30 Jahren hat sie zahlreiche Unternehmen gewinnbringend bei Transformationsprozessen und der Entwicklung von Führungskräften und Teams unterstützt.

Tel. +49 (0) 173 543 17 13

E-Mail: katrin.schauffele@schauffele-hr.de


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