Kundenbindung: Kundenherzbrecher – Wer Kunden verärgert, zahlt einen hohen Preis

„Schlechte Beratung“, „hier kaufe ich nie wieder“ oder „Geschäft meiden“ – drei Beispiele für viele, viele negative Kommentare bei Online-Bewertungen. Die sozialen Medien haben die Möglichkeiten, dem Ärger Luft zu machen, erhöht und noch beschleunigt, mit fatalen Konsequenzen für die betroffenen Unternehmen. Es gibt jedoch Dinge, die im Vorfeld getan werden können, um solche Situationen zu vermeiden.

Joachim Llambi ärgerte sich sehr über sein Hotel. So sehr, dass der Juror der TV-Tanzshow „Let‘s Dance“ seinen Unmut über Instagram mit seinen über 90.000 Followern teilte. Sein Fazit war: „Was für ein schlechtes Hotel! … Nicht mal 2 Sterne wert, absolut meiden“. Was war passiert?

Schon die Ankunft im Hotel lief schief. Beim Check-in wusste die linke Hand nicht, was die rechte tut. Außerdem dauerte dieser 20 Minuten. Im Zimmer angekommen der nächste schlechte Eindruck: „sehr klein, Dusche funktioniert teilweise nicht“. Als er am Morgen mit Gepäckstücken den Lift benutzen wollte, war dieser defekt. Also lief er die fünf Stockwerke zu Fuß durch ein dreckiges Treppenhaus. Unten angekommen stellte er fest, dass es das Frühstück erst später gab. Da platzte ihm der Kragen und er teilte seine Erlebnisse am 17.12.2022 in einem Posting auf Instagram.

Unzufriedenheit hat eine lange Tradition

Kundenbeschwerden gibt es schon immer, nicht erst seit den neuen Medien. Beispielsweise stammt die älteste Kundenbeschwerde der Welt aus dem Jahr 1750 vor Christus. Mittels einer Tontafel beschwerte sich in Mesopotamien ein Mann namens Nanni bei einem Händler. Der hätte ihm Kupferbarren von schlechter Qualität geliefert, weshalb er sie in
Zukunft auswählen würde. Gleichzeitig prangerte er die gegenüber ihm selbst und seinen Mitarbeitern verspürte „Verachtung“ an. Bereits damals zeigte sich, dass ein Faktor eine enorme Auswirkung auf das Kundenempfinden hat: der Mensch! So ergab eine Studie der Unternehmensberatung ESCH, dass in 70 Prozent der frustrierenden Kundenerlebnisse Mitarbeiter involviert waren.

Die neuen Medien stärken die Macht der Kunden

Mit der Digitalisierung haben sich die Mittel der Kunden, sich zu beschweren und ihrem Ärger Luft zu machen, deutlich erweitert. „Das Reh hat jetzt die Flinte in der Hand“, beschrieb die Buchautorin Anne M. Schüller die heutige Situation passend. Und tatsächlich gibt es viele Möglichkeiten, sich öffentlichkeitswirksam zu beschweren. In nahezu jedem Shop können Produkte bewertet und kommentiert werden. Auch Unternehmen sind davor nicht gefeit: Wird auf Google der Name eines Unternehmens gesucht, erhält man konkrete Erfahrungsberichte zu Restaurants, Hotels, Handwerkern und Firmen. Wer hier vier und mehr Sterne hat, genießt eine hohe Reputation, die sich geschäftsfördernd auswirkt. Wer weniger Sterne hat, wird schnell mit weniger Abschlüssen abgestraft. Und hier hat schon der leiseste Zweifel seine Auswirkungen. Vielleicht kennen Sie dieses Verhalten bei sich selbst: Beim Kauf eines Produkts werfen Sie einen Blick auf die Sterne und die Kundenrezensionen. Obwohl es viele positive Meinungen gibt, finden sich auch zahlreiche schlechte Bewertungen. Kaufen Sie trotzdem? Oder suchen Sie lieber ein anderes Produkt oder einen anderen Anbieter, die besser bewertet wurden?

Die Lust auf Rache ist wissenschaftlich belegt

Der US-Psychologe Dan Ariely untersuchte in mehreren Experimenten die Lust von Kunden auf Rache, wie er es nannte. Dazu wurden Gäste in einem Café gefragt, ob sie bei einem Test mitmachen wollen. Für die Teilnahme erhielten sie fünf Dollar. Es gab zwei Gruppen: eine, die ganz normal behandelt wurde, und eine zweite, bei der der Versuchsleiter während der Auszahlung einen fiktiven Anruf auf seinem Handy entgegennahm und das unkommentiert lies. Allen Teilnehmern wurden „versehentlich“ mehr als die vereinbarten fünf Dollar ausgezahlt. Die spannende Frage lautete: Hat das Verhalten des Testleiters in der zweiten Gruppe darauf einen Einfluss?

Das Ergebnis des Experiments sah so aus:

  1. Bei normaler Behandlung gaben 45 Prozent die überzähligen Scheine zurück.
  2. Telefonierte der Versuchsleiter, gaben nur 14 Prozent das zu viel bezahlte Geld zurück.

Erschreckend ist, welchen Einfluss ein einfaches Telefonat von zwölf Sekunden auf die Gefühle der Teilnehmer hatte! Außerdem ließen sich zwei weitere interessante Erkenntnisse ableiten: Die Höhe des zu viel ausbezahlten Betrags hatte kaum Einfluss auf die Entscheidung der Probanden, d.h. es war irrelevant, ob die Teilnehmer sechs, sieben oder neun Dollar erhielten. Auch die Stellung des Versuchsleiters, d.h. ob er sich als Verantwortlicher für den Test oder nur als Mitarbeiter zu erkennen gab, spielte keine Rolle bei der Rache.

Diese beiden Punkte sollten wichtige Alarmsignale für alle Unternehmen sein! Die Reaktion auf eine schlechte Behandlung war im Experiment gleich intensiv, bei der Revanche gab es keine Abstufungen. Genauso wenig unterscheiden Kunden, wer ihnen etwas angetan hat. Wie ein wildgewordener Stier wird das Unternehmen attackiert, auch wenn die schlechte Erfahrung von nur einem einzelnen Mitarbeiter verursacht wurde. Dies zeigt sich im Falle von Joachim Llambi sehr deutlich daran, dass er das gesamte Hotel „in Haftung“ für seine schlechten Erfahrungen genommen hat.

Positive Erfahrungen addieren sich, negative multiplizieren sich

Nun könnte man sagen, dass ein kleines Zimmer oder ein defekter Lift nicht so dramatisch und solche Reaktionen überzogen sind. Bei einem Blick auf den einzelnen Touchpoint stimmt das. Das Problem ist jedoch, dass Kunden nicht arbeitsteilig denken und deshalb die Customer-Journey im Gesamteindruck am Ende bewertet wird. Besonders entscheidend sind dabei zwei Punkte: Der erste und der letzte Eindruck! Wenn der erste Eindruck schon mit einem negativen Erlebnis beim Check-in beginnt, werden danach mehrere positive benötigt, um das auszugleichen. Im Falle von Joachim Llambi kamen diese nicht, sodass sich die negativen Erfahrungen multipliziert haben. Am Ende hat er sich „wahnsinnig geärgert“, sein Handy in die Hand genommen und potenzielle Gäste vor dem Hotel gewarnt.

Wie können Unternehmen solche Situationen vermeiden?

Dan Ariely hatte nach seinem Experiment zwei einfache Antworten darauf: Entweder genügend Zeit vergehen lassen oder sich entschuldigen. Den ersten Fall kennen wir alle aus dem Straßenverkehr: Wir werden von einem Rowdy abgedrängt und fast in einen Unfall verwickelt. Verärgert merken wir uns das Kennzeichen, um ihn anzuzeigen. Doch das passiert in der Realität in den seltensten Fällen. Bei Unternehmen ist das anders: Hier behalten wir uns den Vorfall im Hinterkopf und werden dort nur noch selten oder gar nicht mehr kaufen. In jedem Fall erzählen wir Freunden von unseren Erlebnissen!

Der zweite Weg, nämlich die Entschuldigung, wirkt Wunder! Hier konnte Ariely nachweisen, dass eine Entschuldigung für das beanstandete Verhalten die gleichen Ergebnisse erzielt, wie wenn die Gäste von Beginn an normal behandelt werden.

Der beste Weg: Vorausschauend handeln!

Der beste Ärger ist der, der gar nicht erst entsteht! Das erfordert vorausschauendes Handeln, wobei die folgenden fünf Punkte helfen:

  1. Finden und leben Sie das „WHY“ Ihres Unternehmens: Ein klares „Warum?“ oder „Wofür tun wir etwas?“ gibt den Mitarbeitern eine Leitlinie für ihr Verhalten – und das in jeder Situation!
  2. Erstellen und optimieren Sie die Customer-Journey: Die sogenannte „Kundenreise“ hilft Ihnen zu verstehen, welche Berührungspunkte der Kunde bzw. Gast mit Ihnen hat und ob diese zu positiven oder negativen Erlebnissen führen.
  3. Optimieren Sie laufend die Touchpoints: Überprüfen Sie jeden einzelnen Kontaktpunkt hinsichtlich seiner Wirkung. Stellen Sie bekannte negative Erlebnisse an den Touchpoints so schnell wie möglich ab und arbeiten Sie daran, laufend positive Erlebnisse zu schaffen. Denken Sie dabei auch an versteckte Touchpoints, wie z.B. den defekten Lift oder ein unsauberes Treppenhaus. Diese haben, wie oben gezeigt, eine enorme Auswirkung.
  4. Holen Sie aktiv Feedback bei Ihren Kunden bzw. Gästen ein: Feedback ist eine kostenlose Unternehmensberatung. Warten Sie dabei nicht bis zum Schluss, sondern erkundigen sich an einzelnen Touchpoints nach der Erfahrung und der Bewertung der Kunden.
  5. Sorgen Sie mit einem Kundenbegeisterungsprogramm (oder Kundenbindungsprogramm) dafür, dass die Emotionen noch lange nachwirken und Sie so bei der nächsten Kaufentscheidung wieder in der Poleposition bzw. der bevorzugte Anbieter sind.

Wenn Sie diese fünf Punkte beachten, sind Sie gut gerüstet und auf einem guten Weg zum Kundenherzgewinner. Vermutlich wird die Revanche Ihrer Kunden dann nicht lange auf sich warten lassen: viele positive Bewertungen und viele Sterne!

Zur Person

Thomas Stoklossa

Managementberater &
Keynote-Speaker

www.thomas-stoklossa.de


Das Buch zum Thema

Thomas Stoklossa
Die Kundenherzgewinner
Begeisterungsstrategien für eine langfristige
Kundenbindung
BusinessVillage 2021, 224 Seiten, 29,95 Euro

Dieses Buch soll Lesern als praktischer Leitfaden dazu dienen, die Beziehungen zu ihren Kunden zu stärken. Das kann in Zeiten der günstigen Online-Konkurrenz in vielen Branchen ein entscheidendes Mittel sein, um sich auf dem Markt zu behaupten. Es geht darum, eine eigene Begeisterungsstrategie zu entwickeln und erfolgreich anzuwenden. Bei diesem Unterfangen soll das Werk Unternehmern unter die Arme greifen.


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