Mit Herz und Prinzipien: So entstehen High-Performance-Teams

Jedes Unternehmen träumt von Teams, die jeden Tag über sich hinauswachsen und dem Begriff „Performance“ eine neue, atemberaubende Bedeutung verleihen. Um sich diesen Traum zu erfüllen, tun sie seit jeher eine Menge, um aus individuellen Mitarbeitern ein energiegeladenes und leistungsfähiges Team zu machen. Wer sich nicht allein auf sein Bauchgefühl verlässt, gründet das Teambuilding in der Regel auf einen Mix sich ergänzender Charaktere und schleust die neue Einheit theoriegetreu durch typische Entwicklungsphasen. Konzepte wie Belbins Teamrollen, Tuckmans Teamphasen, GRPI oder andere sind erprobte Standards und schaffen eine gesunde Basis für das künftige Teamwork.

Dabei setzen diese schablonenhaften Konzepte schon immer voraus, dass die ausgewählten Kandidaten reife und hoch motivierte Persönlichkeiten sind, die für den Erfolg alles geben wollen und können. Leider ist das nicht immer der Fall. Belbin und Co. unterstützen mit ihrer Methodik zwar dabei, den Durchschnitt hinter sich zu lassen. Der Weg zur Spitzenleistung und zum High-Performance-Team ist aber noch weit.

Die dafür nötigen Impulse verlangen persönliche Qualitäten, für die bewährte Instrumente und traditionelle HR-Glaubenssätze nicht mehr ausreichen. Hier kommt es auf intrinsische Motivationen und Verhaltensweisen an, die sich nur in der gemeinsamen Arbeit im Team entwickeln, also weder in einem Workshop erlernt noch durch gute Vorsätze verwirklicht werden können.

Die Unterschiede zwischen soliden und herausragenden Erfolgen liegen im „Herz“ und den „Prinzipien“ von Hochleistungsteams.

Zum Herz gehören die Elemente Mission, Vertrauen, Unterstützung und Führung

  • Mission: An erster Stelle steht die Aufgabe, dann folgt das Team und zuletzt das Ego. Individuelle Bedürfnisse und Ziele sind der Mission untergeordnet.
  • Vertrauen: Jedes Teammitglied kann blind sowohl in die Aufgaben als auch in persönliche Belange vertrauen.
  • Unterstützung: Jedes Teammitglied hat stets das Team im Blick und nicht nur den eigenen Weg. Die Frage lautet: Wer braucht meine Hilfe? Diese Unterstützung beinhaltet auch das Annehmen der Hilfe anderer – ohne falschen Stolz.
  • Führung: Jedes Teammitglied ist situativ zur Führung bereit, sei es aufgrund von Stärken oder weil es als Erstes mit einer Situation konfrontiert ist. Führung ist nicht auf Einzelne beschränkt, sondern kann wechseln. Niemand führt prinzipiell immer und niemand verweigert es, wenn die Aufgabe es erfordert.

Die Prinzipien umfassen Diskomfort, Verlässlichkeit, Mut, emotionale Kontrolle, Offenheit und Geschwindigkeit

  • Diskomfort: Der Grad des persönlichen und gemeinsamen Erfolgs hängt ziemlich genau vom Grad der Unbequemlichkeit ab, den sich die Mitglieder und das Team zumuten. Unbequem sind dabei nicht nur Überstunden, sondern auch soziale Aspekte, die emotionale Überwindung kosten, wie z.B. konstruktive Kritik entschlossen zu geben oder auch verständig anzunehmen.
  • Verlässlichkeit: Vereinbarungen sind heilig und bilden den „gesetzlichen“ Rahmen, in dem sich alle bewegen. Was vereinbart ist, wird unbedingt gehalten oder bei Problemen frühzeitig neu verhandelt. Nichtlieferung oder schlechte Ergebnisse auf den letzten Drücker gehören zu den Top-Tabus im High-Performance-Team.
  • Mut: Jeder überwindet seine Ängste für die Sache. Das betrifft körperliche ebenso wie soziale oder emotionale Überwindungen. Die Fähigkeit, Ängste zu bewältigen, wird durch bewusste Wahrnehmung in kritischen Situationen und entschlossene Entscheidungsfindung gestärkt.
  • Emotionale Kontrolle: Auch unter Druck gelingt es jedem, zwischen einem auslösenden Reiz und einer impulsiven Reaktion zur Reflexion zu kommen. Diese Fähigkeit kann durch die Selbstbeobachtung oder Introspektion geschult werden; das eigene Erleben und Verhalten wird betrachtet, beschrieben oder analysiert. Nicht die Emotionen, sondern die gemeinsamen Ziele bestimmen das Handeln.
  • Offenheit: Alle im Team vertreten ihre Meinung selbstbewusst nach bestem Wissen und Gewissen. Dabei sind sie offen für andere Sichtweisen und würdigen diese fair, selbst wenn sie im Widerspruch zu eigenen Argumenten stehen. Erkenntnisgewinn und das Ringen um beste Lösungen stehen stets über dem eigenen Ego.
  • Geschwindigkeit: Geschwindigkeit ist genauso wichtig wie Inhalt. Alle arbeiten daran, Ziele so schnell wie möglich und ohne Perfektionswahn zu erreichen. Wer noch an perfekten Ergebnissen feilt, während andere z.B. mit einem guten Produkt schon am Markt sind, das laufend verbessert wird, verliert an Wettbewerbsfähigkeit.

Herz und Prinzipen – alles hängt zusammen

Bei all dem sind die Werte aus dem Herzbereich und die Prinzipien keine isolierten Faktoren, sondern eng miteinander verwoben. So besteht die Mission, der sich alle unterwerfen, im Erreichen eines Zielbilds – also einem anzustrebenden Zustand in der Zukunft, für den man alles in die Waagschale wirft. Um den wichtigen Treiber des Diskomforts zu aktivieren, werden die Ziele mutig bewusst hoch aufgehängt. Wer statt zehn Prozent mehr Umsatz in den eher flauen Sommermonaten 30 Prozent auf der Agenda stehen hat, muss sich nicht erst in der Umsetzung stärker verausgaben. Er muss schon im Denken ganz neue Ansätze finden, ohne sich auf seine bequemen Blaupausen zu verlassen. Gleiches gilt, wenn die Zeitfenster im Projekt – um z.B. vor der Messe weiter als der Mitbewerber zu sein – bewusst klein gewählt werden.

Naturgemäß bedeutet Diskomfort auch mehr Diskussion und Abstimmung und schürt die Notwendigkeit konstruktiv ausgetragener Konflikte. Wo Geschwindigkeit ein wichtiger Wert ist, muss auch mal Tacheles geredet werden, statt zu hoffen, dass die Dinge sich mit Glück fügen werden. Das kann für Martin, der als Vertriebschef Nord über dem Umsatzplan liegt, bedeuten, in die Führung zu gehen und seiner knorrigen Kollegin Anne aus dem Westen Dampf zu machen, damit die gemeinsamen Ziele erreicht werden. Diese wiederum muss die Kritik emotional kontrolliert hinnehmen und sich nach dem Prinzip der Offenheit Gedanken machen, ob Martin womöglich recht hat. Hat sie diese Größe nicht und lässt es auf einen Krach ankommen, indem sie ihn anfährt, er solle besser vor seiner eigenen Tür kehren, ist Martin wieder gefordert. Statt aus der Haut zu fahren, reagiert er abgeklärt: „Anne, versteh das nicht falsch, aber wir wollen doch alle das Gleiche. Ich habe halt das Gefühl, dass deine letzte Initiative nicht ausreichend ist. Komm, wir treffen uns nach diesem Meeting und finden einen besseren Weg.“ Danach setzen sich beide im Sinne gegenseitiger Unterstützung zusammen und produzieren Erkenntnisgewinne, auch wenn sie lieber den Feierabend einläuten würden.

Wie Vertrauen im High-Performance-Team entsteht

Sind die beschriebenen Verhaltensweisen erst einmal etabliert und von allen begrüßt, verändert sich der Ton im Team mitunter radikal. Plötzlich gibt es kein „Hinter vorgehaltener Hand“ mehr und keine Schonung vor Kritik, weil man Angst hat, das Gegenüber zu verletzen oder von ihm attackiert zu werden. Der Ton ist wertschätzend, aber bestimmt und immer an der Mission und ihrem Zielbild sowie dem schnellsten Vorankommen orientiert. Jeder trägt seinen Teil zum Erfolg rechtzeitig und verlässlich bei und sucht und gibt Support wo es erforderlich ist. Keiner hat Angst, sich zu überarbeiten oder in einem schlechten Licht dazustehen.

Wenn alle zu dieser Art, Projekte, Abteilungen und die gesamte Organisation zu managen, stehen und diesen Spirit leben, entsteht tiefes Vertrauen. Dieses reduziert signifikant die Komplexität der Zusammenarbeit, die Teamergebnisse werden immer besser und ein High-Performance-Team entsteht.

Einzeln, mit Team und Führung wachsen

Auf dem Weg dahin verfügt naturgemäß nicht jeder Mensch über das gleiche Spektrum von Stärken und Potenzialen, an denen er arbeiten kann. Der persönliche Status lässt sich in einer Führungseinschätzung und im Feedback ermitteln und grafisch visualisieren.

Die Arbeit selbst ist eine gemeinsame Aufgabe und obliegt nicht nur der Teamleitung. Jeder Einzelne, das Team in Gänze und die Führung tragen Verantwortung für sich und jeden Kollegen, unterstützen und spornen sich an.

Die folgenden Beispiele zeigen, wie dies funktioniert

Wenn Verlässlichkeit das Manko ist, helfen schon smarte „Reminder“, wie ein Obolus in die Teamkasse, wenn etwas verbummelt oder verbockt wurde. Später kann die „Spendenkasse“ bei einem Teamevent auf den Kopf gehauen werden. Wenn es einen echten Anstoß braucht, werden Ross und Reiter klar benannt: „Hier warst du nicht zuverlässig!“ Das dabei natürliche Schuldgefühl hat eine erstaunlich erziehende Wirkung. Das auszuhalten und sich danach zu ändern, gehört zum Kodex des Teams.

Bei mangelndem Mut unterstützen Team und Führungskräfte bei der Überwindung von Angst. Diese entsteht als Primäremotion im Bauch und wird durch den Mut überwunden, der im Kopf angesiedelt ist. Wer selbstreflektiert die Angst als normal annimmt, beraubt sie ihrer Macht und kann zwischen Angstreiz und der gerne auftretenden Panik den Entschluss fassen, mutig zu sein. Um den Mut zu entwickeln, spornen sich alle gegenseitig dazu an, sich in angstbesetzten Situationen zu bewähren. Wer clever ist, startet mit weniger kritischen Situationen und geht erst nach und nach zu herausfordernderen über, bis der Mut ein starker „Muskel“ geworden ist.

Das emotionale Commitment von High-Performance-Teams

In ähnlicher Weise entwickeln sich die weiteren Prinzipien und Herzaspekte des High-Performance-Teams. Jeder ist dabei einverstanden, dass der Druck bewusst hoher Ansprüche für Diskomfort sorgt, dem dann gemeinsam entgegengewirkt wird. Offene, konstruktive Kritik zu geben und zu erhalten, um diese in persönliche Transformation zu verwandeln, ist ebenso akzeptiert, wie das egobefreite Ringen um die besten Lösungen und Erkenntnisgewinne.

Mit dem Konzept des High-Performance-Teams werden bekannte Teammodelle und -strategien nicht überflüssig, sondern ergänzt. Das Leistungsmaximum wird dabei nicht durch das fachliche Können erreicht, sondern durch emotionale Bindung, gemeinsame Hingabe und Werte, die von allen in Ehren gehalten werden.

Zur Person

Matthias Kolbusa

Strategie- und Veränderungsexperte,
Vortragsredner und mehrfacher Autor von
Managementbüchern

E-Mail: kontakt@kolbusa.com
www.progressmaker.de


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