Eine Creditreform-Studie zur „Wirtschaftsdynamik in der Region Bonn/Rhein-Sieg“ zeigt für die wirtschaftliche Entwicklung in der Region gegenläufige Tendenzen: Trotz zwei Jahren Pandemie und aktueller geopolitischer Lage bleibt der Anteil ausgefallener Unternehmen sehr gering und steigt nur ganz leicht an. Der Anteil an Neugründungen im Jahr 2022 ist der höchste der vergangenen sechs Jahre.
Zwei Jahre Pandemie, anderthalb Jahre Krieg in der Ukraine, gestörte Lieferketten und gestiegene Kosten – und doch: Der Wirtschaft in Bonn und im Rhein-Sieg-Kreis geht es vergleichsweise gut. So stieg die Ausfallquote – der Anteil der Unternehmen, die ihren Zahlungsverpflichtungen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit nicht nachkommen können – zwar geringfügig an, erreichte mit 1,12 Prozent aber dennoch den drittniedrigsten Wert seit 2015 (siehe Abbildung 1) . Der Anteil der Neugründungen am gesamten Unternehmensbesatz in Bonn/Rhein-Sieg lag 2022 mit 1,99 Prozent erstmals fast auf Bundesniveau – der höchste Wert seit sechs Jahren. Andererseits: Was beispielsweise das langjährige BIP-Wachstum zwischen 2010 und 2019 betrifft, bildet Bonn/Rhein-Sieg mit durchschnittlich 1,9 Prozent pro Jahr im Vergleich zu den 14 anderen wichtigen Städten und Regionen, welche die Studie unter die Lupe nimmt, das Schlusslicht. Geht man die Ergebnisse im Einzelnen durch, muss man leider insgesamt sagen: Dynamik sieht anders aus“, kommentiert Jörg Rossen, Geschäftsführer der Creditreform Bonn Trier Rossen Eberhard GmbH & Co. KG, die aktuelle Untersuchung. „Bei vielen wichtigen Kennzahlen liegen Bonn und der Rhein-Sieg-Kreis nur im Mittelfeld.“
Abbildung 1: Entwicklung der Ausfallquote von Unternehmen, Region Bonn/Rhein-Sieg und Deutschland, 2013-2022

„Geht man die Ergebnisse im Einzelnen durch, muss man leider insgesamt sagen: Dynamik sieht anders aus“, kommentiert Jörg Rossen, Geschäftsführer der Creditreform Bonn Trier Rossen Eberhard GmbH & Co. KG, die aktuelle Untersuchung. „Bei vielen wichtigen Kennzahlen liegen Bonn und der Rhein-Sieg-Kreis nur im Mittelfeld.“
Kleinteilige und vielseitige regionale Wirtschaft – starke Bedeutung der IT- und Gesundheitswirtschaft
Prägend für die Wirtschaftsstruktur der Region Bonn/Rhein-Sieg ist weiterhin ihre Kleinteiligkeit und Vielseitigkeit: Weniger als ein Fünftel der Unternehmen in der Bundesstadt und im Rhein-Sieg-Kreis erzielen einen Jahresumsatz von über 500.000 Euro. Lediglich 3,6 Prozent sind Großunternehmen mit einem Jahresumsatz von fünf Millionen Euro oder mehr. Die meisten hiesigen Firmen sind alteingesessen, also seit mindestens zehn Jahren aktiv. Dagegen liegt der Anteil junger Betriebe unter dem Bundesdurchschnitt. Das Produzierende Gewerbe ist in Bonn/Rhein-Sieg unterrepräsentiert; der große Schwerpunkt liegt im Bereich Dienstleistungen. Die beiden Branchen-Cluster IT-Wirtschaft und Gesundheitswirtschaft sind in der Region stärker vertreten als im Bundesdurchschnitt.
Nur geringer Anstieg der Ausfallquote – trotz zwei Jahren Pandemie
Um die Dynamik in einer Wirtschaftsregion beurteilen zu können, ist eine eingehende Risikoanalyse unerlässlich. Dabei wird das Ausfallrisiko betrachtet. In Bonn/Rhein-Sieg stieg der Anteil der Unternehmen, die ihren Zahlungsverpflichtungen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit nicht nachkommen können, nach mehrjährigem Rückgang zwar zum zweiten Mal in Folge an. „Die 1,12 Prozent sind dennoch der drittniedrigste Wert seit Erstauflage unserer Studie 2015“, betont Rossen. Lediglich bei den Kleinstunternehmen fielen deutlich mehr Betriebe aus als im Vorjahr. Aktuell hat sich die Lage vor dem Hintergrund der Energiekrise nochmal deutlich eingetrübt. Zum Ende des ersten Halbjahres 2023 nahm der Anteil ausgefallener Unternehmen in Bonn/Rhein-Sieg weiter auf 1,23 Prozent zu, befindet sich damit jedoch unterhalb des Vergleichswerts der deutschen Gesamtwirtschaft, in der die Ausfallrate um 0,17 Prozentpunkte auf 1,34 Prozent gestiegen ist (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2: Ausfallquoten von Unternehmen im regionalen Benchmarking 2022

Eigenkapitalquoten gehen zurück – Ertragskraft weiterhin über dem Bundesdurchschnitt
Die durchschnittliche Eigenkapitalquote in der deutschen Gesamtwirtschaft (30,6 Prozent) ist 2020 erstmals nach zwei Jahren wieder gestiegen. In Bonn/Rhein-Sieg hingegen nahm sie nach mehrjährigem Anstieg seit 2018 leicht ab und lag 2020 bei 27,2 Prozent. Die Eigenmittelausstattung der Unternehmen liegt in der hiesigen Region damit weiterhin unter dem gesamtdeutschen Durchschnitt. Erste Zahlen für das Jahr 2021 deuten darauf hin, dass die durchschnittliche Eigenkapitalquote der regionalen Unternehmen wieder deutlich zunehmen und auch bundesweit weiter wachsen könnte.
Zahlungsverzugsdauer gesunken – Anteil überfälliger Rechnungen leicht gestiegen
Positiv ist in Bonn/Rhein-Sieg die Entwicklung der durchschnittlichen Zahlungsverzugsdauer. Waren es 2018 noch 12,6 Tage, sank der Wert seitdem auf 9,8 Tage im Jahr 2022 und damit auf den niedrigsten Wert unter allen Vergleichsregionen und -städten. Bundesweit sind es 11,5 Tage. „Diese Entwicklung ist zu begrüßen“, kommentiert Rossen, „denn für die Liquiditätssituation von Unternehmen ist das Zahlungsverhalten der Kunden von entscheidender Bedeutung, erst recht in Krisenzeiten. Besonders für kleine und mittlere Betriebe, die über eine eher dünne Eigenkapitaldecke verfügen, kann mangelnde Zahlungsmoral existenzbedrohende Ausmaße annehmen.“
Gleichzeitig stieg der Anteil überfälliger Rechnungen wieder an, nachdem er sich zwischen 2020 und 2021 verringert hatte. In Bonn/Rhein-Sieg wuchs er von 19,2 auf 19,7 Prozent im Jahr 2022. In Deutschland insgesamt ist die Lage bei gleichem Verlauf besser: Bundesweit nahm der Anteil überfälliger Rechnungen von 17,3 auf 17,7 Prozent zu, nachdem er zuvor gesunken war. Im regionalen Vergleich mit den Städten und Regionen Berlin, Darmstadt, Dortmund, Dresden, Düsseldorf, Frankfurt/Main, Hamburg, Hannover, Köln, Mainz/ Wiesbaden, Mannheim/Ludwigshafen, München, Nürnberg und Stuttgart belegt Bonn/Rhein-Sieg einen Platz im Mittelfeld (siehe Abbildung 3).
Abbildung 3: Durchschnittliche Zahlungsverzugsdauer und Anteil überfälliger Rechnungen im regionalen Benchmarking 2022

Wachstum nur im hinteren Mittelfeld
Beim Blick auf die jüngsten Daten zum Wachstum auf regionaler Ebene bietet sich ein gemischtes Bild. Einerseits sank das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Bonn/Rhein-Sieg 2020 in einem schwierigen Wachstumsumfeld um lediglich 0,5 Prozentpunkte. „Damit steht die Region im Vergleich mit anderen Städten und Regionen noch vergleichsweise gut da, etwa gleichauf mit Mainz- Wiesbaden und nur geringfügig schwächer als Darmstadt“, erläutert Rossen. In allen übrigen Vergleichsregionen dieser Studie nahm das BIP teils deutlich ab, in Köln etwa um über fünf und in Stuttgart um über sieben Prozent. Andererseits: Mit seiner durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate zwischen 2010 und 2019 von 1,9 Prozent liegt Bonn/Rhein-Sieg auf dem letzten Platz.
Höchster Neugründungsanteil seit sechs Jahren – weiterhin geringere Ausfallgefahr bei Start-ups
Das Gründungsgeschehen in Bonn/Rhein-Sieg war in den vergangenen Jahren stets etwas schwächer ausgeprägt als in Gesamtdeutschland. Im vergangenen Jahr bewegte sich das Gründungsgeschehen hingegen auf einem vergleichbaren Niveau: Der Anteil der Neugründungen am gesamten Unternehmensbesatz in Bonn/Rhein-Sieg lag 2022 bei 1,99 Prozent, deutschlandweit waren es zwei Prozent. In der Region ist der Anteil der Neugründungen 2022 der höchste der vergangenen sechs Jahre. Neu gegründete Unternehmen aus Bonn/Rhein-Sieg zeigten sich dabei im Bundesvergleich etwas resilienter: Nur 2,38 Prozent der Neugründungen sind 2022 ausgefallen, deutschlandweit waren es 2,62 Prozent (siehe Abbildung 4).
Abbildung 4: Neugründungen und Ausfallquoten von Neugründungen im regionalen Benchmarking 2022

Nachhaltigkeit: Noch viel Luft nach oben
Weltweit erfahren nachhaltigkeitsbezogene Unternehmensinformationen eine rasant steigende Aufmerksamkeit. Insbesondere innerhalb der EU steigen die Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung – sowohl von Finanzdienstleistern als auch von realwirtschaftlichen Unternehmen. „Deshalb untersucht unsere Studie zur Region Bonn/Rhein-Sieg auch unternehmensbezogene Informationen aus den Bereichen Umwelt (Environment – E), Soziales (Social – S) und Unternehmensführung (Governance – G)“, erklärt Rossen. Daraus werde der Creditreform ESG-Score ermittelt. Der beste 2022 in Bonn/Rhein-Sieg erzielte Wert ist A3 – 2,5 Prozent der Betriebe erhalten diesen ESG-Score. Immerhin ein knappes Fünftel der Betriebe kommt auf einen ESG-Score zwischen B1 und B3. Fast 70 Prozent, also die große Mehrheit, kommt auf einen ESG-Score zwischen C1 und C3. „Dies gilt“, so der Chef von Creditreform Bonn Trier, „als durchschnittliche Performance, hier ist noch viel Luft nach oben.“