Compliance im Unternehmen: Fraud-Indikatoren für die Aufdeckung von Kickbacks und Angebotsabsprachen

In den letzten Jahren ist der Begriff Compliance fest in den Sprachgebrauch von Unternehmen und Mitarbeitern übergegangen. Wer jedoch vermutet, dass in den meisten Unternehmen Compliance mehr darstellt als nur zum guten Ton zu gehören, der irrt. Nach wie vor ist Bestechung in Form von Kickbacks und Angebotsabsprachen in der Beschaffung ein weit verbreitetes Übel.

Hand in Hand: Unternehmens-Compliance und loyale Belegschaft

Sicherlich hat die Wirtschaft in der jüngsten Vergangenheit vieles geleistet: Einerseits getrieben durch entsprechende Gesetze und den damit einhergehenden regulatorischen Druck, andererseits aber auch durch die Erkenntnis, dass integres Verhalten langfristig einen Mehrwert bringt. Dies war nur mithilfe der Mitarbeiter und deren Verständnis sowie Akzeptanz für neue und andere Verhaltensweisen möglich. Durch Schulungen und gezielte interne Kommunikation wurde ein solides Compliance-Verständnis in der breiten Masse der Arbeitnehmer geschaffen. So hat sich das Geschäftsgebaren in den letzten beiden Jahrzehnten nachhaltig verändert. Einladungen zu exklusiven Events, großzügige Entertainment-Budgets
oder wertvolle Weihnachtsgeschenke gehören eher der Vergangenheit an. Auch die allgemeine Aufmerksamkeit bei auffälligem Verhalten ist deutlich gestiegen. Die Wahrscheinlichkeit ist heute deutlich höher, dass in der Belegschaft ein zu verbundener persönlicher Umgang mit Lieferanten durch einzelne Mitarbeiter intern offengelegt und hinterfragt wird.

Dolose Handlungen: Vorsatz vs. Unternehmensstruktur

Trotzdem gibt es sie nach wie vor – Menschen, die stets auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und/oder von krimineller Energie getrieben sind. Sie haben ihr Verhalten nur entsprechend angepasst – sind vorsichtiger und damit auch professioneller geworden. Im Grunde genommen findet sich immer jemand, der unrechtmäßig versucht, schnelles und weitestgehend leistungsloses Geld zu machen. Aber auch ohne kriminelle Energie oder Gier können Mitarbeiter zu Tätern werden. Wenn die Prämissen nach dem sogenannten „Fraud Triangle“ erfüllt sind, ist die Gefahr für dolose – also vorsätzliche und für das Unternehmen schädliche – Handlungen groß. Dabei handelt es sich um ein Model nach Donald R. Cressey, welches besagt, dass drei Faktoren erfüllt sein müssen, damit ein Mitarbeiter zum Täter wird:

  1. Druck/Motiv: z.B. ungerecht empfundene Boni, fehlende Anerkennung, Überlastung
  2. Gelegenheit: z.B. Schwächen im internen Kontrollsystem (IKS),
  3. Eigene Rechtfertigung des Täters, der die Tat durch die Umstände als vertretbar bzw. gerecht ansieht.

Sicherlich gibt es Bereiche in Unternehmen, die aufgrund ihres Tagesgeschäfts und den entsprechenden Prozessen weniger gefährdet sind als andere. All diejenigen Bereiche, in denen die Mitarbeiter eine Vielzahl an Transaktionen durchführen und schnelle eigenständige Entscheidungen treffen müssen, bedürfen jedoch besonderer Aufmerksamkeit und Kontrolle. Der Einkauf ist grundsätzlich ein solcher Bereich.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Während in Großkonzernen die Beschaffungsprozesse weitestgehend engmaschig dokumentiert und kontrolliert werden, herrscht im Mittelstand noch ein großes Vertrauen in den gesunden Menschenverstand, die Integrität der Mitarbeiter und die Detailkenntnis des Chefs. Aber auch eine engmaschige Administration oder die Aufmerksamkeit der Vorgesetzten haben hin und wieder Lücken und bieten somit Gelegenheit zum eigenen Vorteil zu wirtschaften. Oft wird zunächst im kleineren
Rahmen ausprobiert, was geht und nicht auffällt – gerne auch in der Form, dass der Täter sich im Falle der Aufdeckung noch durch eine Nachlässigkeit rausreden könnte. Sobald die ersten Versuche erfolgreich waren und die dolose Handlung sich positiv im Portemonnaie des Betrügers bemerkbar gemacht hat, wird dies die Tatfrequenz steigern. Auch die Transaktionsbeträge wachsen in der Regel stetig an, um sich schlussendlich irgendwo unter der nächsten Genehmigungsstufe einzupendeln.

Täter sind heute vorsichtiger und professioneller

Wurde früher oft der Mädchenname der Ehefrau mit entsprechender Bankverbindung genutzt oder die Firma des Cousins als Zwischenlieferant eingebunden, so werden heute aus Vorsicht deutlich mehr Verschleierungsstufen zwischengeschaltet. Gleiches gilt für die schriftliche Kommunikation – wurde sich vor zwanzig Jahren noch unvorsichtig über E-Mail abgesprochen, kommt heute ein beliebiger Messenger auf dem privaten Handy zum Einsatz. Für den Arbeitgeber ist diese Kommunikation nur dann erreichbar, wenn bereits die Strafverfolgungsbehörden eingebunden sind. Da allerdings nicht bei jedem Verdacht die Behörden involviert werden wollen und können, gilt es, nach Auffälligkeiten zu suchen, welche dann im Detail zu prüfen sind. Mögliche anfällige Bereiche sind Beziehungen zu Lieferanten, Bestellvorgänge, Warenannahme oder Zahlungsvorgänge. Anhand des Beispiels „Angebotsmanipulation“ finden sich nachfolgend Handlungsmuster aufgelistet, für die es zu sensibilisieren gilt, da sie ein Hinweis auf Schmiergeld/Kickbacks sein könnten:

  • Freigabe für einen neuen Lieferanten und Zahlungen an diesen durch ein und dieselbe Person
  • Anlegen von Fake-Lieferanten (Bankkonto, Adresse, Erreichbarkeiten und Zahlungsmodalitäten sind nicht üblich oder gehören in Wirklichkeit einer anderen Person)
  • Häufung eines Anbieters – Gewährleistung des Zuschlags stets in der gleichen Gruppe von Anbietern
  • Lieferant bietet unter anderem Namen, z.B. als Tochterunternehmen, an
  • Absichtliche Abgabe von Mondpreisen zur Sicherung des Zuschlags, Methode wechselt
  • Das letzte Angebot aus einem Ausschreibungsverfahren ist stets das günstigste
  • Nach Ausschreibung noch Zusatzleistungen im Vertrag
  • Senkung der Preise der Stammlieferanten beim neuen Bieter
  • Annahme der Angebote bei bestimmten Lieferanten auch nach Abgabefrist

(Un-)Rechtmäßiges Zusammenspiel von Einkäufer und Lieferant

Die Muster setzen ein kollusives Handeln von Einkäufer und Lieferant voraus. Es gibt aber mögliche Handlungsmuster, in denen ein Lieferant unwissentlich für die dolosen Handlungen benutzt wird. So kann es schon einmal vorkommen, dass ein Lieferant absichtlich überzahlt wird. Das Geld wird dann zwar zurückgefordert, taucht aber in den Bilanzen nicht auf und wird schließlich außerhalb des regulären Zahlungsverkehrs des Unternehmens entwendet. Ferner können die Stammdaten oder das Warensortiment von Lieferanten zugunsten des Täters verändert werden, indem zum Beispiel Fake- oder Gebrauchtwaren aufgeführt werden.

Egal ob allein oder im Verbund, dolose Handlungen schaden dem Unternehmen und dem fairen Wettbewerb und sollten weitestmöglich unterbunden werden. Gerade in diesem Feld hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan. Die Firmencomputer sind in der Regel leistungsstark, die entsprechende Software wird fortlaufend besser und besser.

Vor 20 Jahren war noch eine Heerschar an Prüfern für die Überprüfung der Buchhaltung notwendig, um nach Auffälligkeiten zu suchen. Dies war nicht nur sehr zeit- und kostenintensiv, sondern sorgte durchaus auch innerhalb der Belegschaft für eine gewisse Verunsicherung. Kurzum, es kostete Geld und störte den betrieblichen Ablauf. Mit Hilfe der entsprechenden Software lässt sich heutzutage der zu untersuchende Datensatz auslesen und in wenigen Stunden analysieren – ohne dass die Belegschaft davon etwas mitbekommt. Die Auffälligkeiten können problemlos aufgedeckt, analysiert und plausibilisiert werden. An der Stelle lassen sich bereits die meisten der sogenannten „red flags“, der Warnzeichen, die zu einer Überprüfung geführt haben, aufklären.

Was nicht erklärt werden kann, bedarf einer weitergehenden Vollprüfung: Diese ist in den allermeisten Fällen wirtschaftlich sinnvoller als das Ignorieren und sichert die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens.

Zur Person

Christoph Schlossarek

Co-Practice Leader des FTI Forensic &
Litigation Segments
von FTI Consulting in Deutschland.


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