Zugang eines Steuerbescheids: Drei-Tage-Zugangsvermutung greift nicht bei fehlender Postzustellung

In vielen Teilen von Deutschland scheint es so, dass montags keine Post mehr zugestellt wird. Da stellt sich die Frage, ob die Drei-Tage-Zugangsfiktion (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO) noch gehalten werden kann, wenn das Bescheid-Datum z.B. auf einen Freitag fällt, und somit nur der Samstag für eine Zustellung verbleibt.

Beispiel:

Bei einem Klageverfahren vor dem FG Berlin-Brandenburg fiel das Bescheid-Datum auf einen Freitag. Nach Auffassung des FA legte die Klägerin den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid einen Tag zu spät ein. Die Klägerin legte aber dar, dass am Montag keine Postzustellung erfolgt war und daher der Bescheid erst dienstags zugestellt wurde. Die Einspruchsfrist sei daher aufgrund der Verschiebung um einen Tag gewahrt.

So sah es auch das FG Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 24.8.2022. Die Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO finde deshalb keine Anwendung, weil an der Wohnung der Klägerin innerhalb der Drei-Tages-Frist regelmäßig nicht an allen Werktagen vom Postdienstleistungsunternehmen zugestellt worden ist.

Die Zugangsvermutung sei zu einer Zeit kodifiziert worden (1976), als ausschließlich die Deutsche Bundespost Briefpost in der Bundesrepublik Deutschland beförderte und zustellte und das regelmäßig an sechs Tagen in der Woche. Auch wenn dem Grunde nach bei privaten Postdienstleistern die Zugangsvermutung gelte, müsse dennoch deren Arbeitsweise mit denen der Deutschen Bundespost bei Kodifizierung der Zugangsvermutung übereinstimmen. Dies stelle sich aber dann anders dar, wenn innerhalb der Drei-Tages-Frist (so im Streitfall) planmäßig an zwei aufeinanderfolgenden Tagen keine Zustellung erfolgte (durch Zeugenaussagen war das Gericht hiervon überzeugt). Die Zustellung wäre der Zugangsvermutung daher nur dann gerecht geworden, wenn der angefochtene Bescheid am Samstag, also an dem auf die Aufgabe zur Post folgenden Tag, im für die Wohnung der Klägerin zuständigen Zustellzentrum angeliefert und daraufhin am Montag in den Briefkasten der Klägerin eingeworfen worden wäre. Insoweit seien Verzögerungen ohne weiteres denkbar.

Wie zu erwarten war, hat das FA Revision eingelegt, welche nun unter dem Az. VI R 18/22 beim BFH anhängig ist. Die Frage ist zu entscheiden, ob die Zugangsvermutung gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO entfällt, wenn innerhalb der dort genannten Drei-Tages-Frist an einem Werktag regelmäßig keine Post zugestellt wird.

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