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Wirtschaftsstandort Bonn: Die aktuelle Lage und Ausblick

Wirtschaftsstandort Bonn: Die aktuelle Lage und Ausblick

Interview mit Katja Dörner, die Oberbürgermeisterin der Bundesstadt Bonn

Das wirtschaftliche Leben ist aktuell geprägt von den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Homeoffice, Homeschooling, Kurzarbeit und Lockdowns bestimmen das Leben von Unternehmerinnen und Unternehmern sowie deren Familien. Wie gestaltet sich die unternehmerische Zukunft am Standort Bonn? Fragen an Katja Dörner, Oberbürgermeisterin der Bundesstadt Bonn.

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, seit November 2020 sind Sie im Amt. Ihr Motto lautet „Global denken und lokal handeln“. Wie sehen Sie momentan die Situation der Unternehmen und Soloselbstständigen in Bonn?

Auch in Bonn ist das Gründungsgeschehen derzeit unverkennbar rückläufig. Nachfragen nach Gründungsberatungen aus dem Bereich der wissensintensiven Dienstleistungen zeigen jedoch, dass es immer noch gute Möglichkeiten für Existenzgründerinnen und -gründer mit Know-how gibt. Dies ist sowohl an der sehr guten Auslastung im Innovations- und Gründungszentrum BonnProfits, als auch an der kontinuierlichen Nachfrage nach Büroflächen für junge Unternehmen erkennbar.

Die Corona-Situation trifft bestehende Unternehmen je nach Branche unterschiedlich hart. Gerade freiberufliche Selbstständige konnten teilweise ihre Konzepte digitalisieren oder gar neue Konzepte entwickeln. Andere wiederum, z.B. die Selbständigen im Kulturbereich und der Gastronomie, sind durch die Schließungen schwer getroffen. Gerade die Einzelunternehmerinnen und -unternehmer sowie junge Unternehmen fallen zum Teil durch die Raster der Hilfeleistungen. Hier bedarf es weiterhin der Anpassung der staatlichen Unterstützungsangebote an die realen Situationen der Betroffenen.

Seit Beginn der Corona-Krise weist die Verwaltung Bonner Unternehmen über die Wirtschaftsförderung aktiv auf die Hilfen von Bund und Land sowohl auf den Internetseiten zu Corona, als auch in Mailingaktionen mit Informationen zu Corona-Unterstützungen hin. Als kommunale Zusatzhilfe zu den Bundes- und Landeshilfen in Zeiten von Corona bietet das Kassen- und Steueramt der Stadt Bonn Gewerbetreibenden an, einen Antrag auf Herabsetzung der Gewerbsteuer-Vorauszahlung zu stellen, sofern sich Gewinneinbrüche abzeichnen. Dies erfolgt formlos per E-Mail. Um Liquiditätsengpässe zu vermeiden, reicht häufig schon eine Stundung. Daher kann ebenfalls ein Erlass von Stundungszinsen, Säumniszuschlägen oder Mahn- und Vollstreckungskosten in Frage kommen.

All diese Maßnahmen setzen einen Antrag der betroffenen Gewerbetreibenden und eine Einzelfallprüfung voraus.

Welche Maßnahmen sind geplant, damit die Innenstadt für die Bürgerinnen und Bürger, die Besucher und den Einzelhandel der Stadt Bonn ein „nice place to be“ wird?

Die Bonner Innenstadt ist bereits heute ein „nice place to be“. Sie muss es nicht erst werden! Dies wissen wir aus zahlreichen Befragungen. Die letzte fand im Rahmen der bundesweiten Studie „Vitale Innenstädte 2020“ des Instituts für Handelsforschung im Spätsommer 2020 statt. Die 1.000 Befragten hatten der Bonner Innenstadt die überdurchschnittliche Gesamtnote 2,2 gegeben (statt 2,6 der Vergleichsstädte). Den Gästen gefiel insbesondere die stadtgestalterische Qualität und das umfangreiche Angebot im Einzelhandel und in der Gastronomie.

Um die innenstadtrelevanten Fragestellungen von der Entwicklung des Einzelhandels und der Gastronomie bis hin zum Wohnen und zur Aufenthaltsqualität zu diskutieren, hat meine Wirtschaftsförderung Ende Oktober 2020 die Bonner City-Konferenz durchgeführt. Als Ergebnis wurde die Einrichtung eines Arbeitskreises zur langfristigen Begleitung der Innenstadt beschlossen sowie eine verwaltungsinterne Taskforce, die sich vor allem um kurzfristig zu lösende Anliegen und Probleme kümmern soll.

Dass der Standort auch für Unternehmen weiterhin interessant ist, zeigte die Studie von FTI-Andersch, nach der Bonn das beste Ergebnis unter den Vergleichsstädten erzielen konnte: Als Wirtschaftsstandort mit einer Vielzahl an Konzernen und mittelständischen Unternehmen verfügt die Stadt über ein starkes Wachstum der Wirtschafts- und Einwohnerzahlen. Die Kaufkraft ist hoch, die Arbeitslosenquote gering und die Lebensqualität sehr gut. Gleichzeitig ist Bonn nicht so abhängig von Messen oder Tourismus wie andere Großstädte, was ihre Widerstandskraft in der Corona-Pandemie deutlich erhöht.

Der Wirtschaftsstandort Bonn soll wachsen. Welche Programme planen Sie für potenzielle Investoren und wie sieht deren konkrete Realisierung aus?

Bonn ist ein attraktiver Standort und die Nachfrage ist ungebrochen. Dies liegt auch darin begründet, dass die Stadt in den innovativen Branchen wie Informations- und Telekommunikationstechnologien, in der Gesundheitswirtschaft sowie im Bereich der Wissenschaft und Forschung ausgezeichnet aufgestellt ist.

Bonn ist ein starker deutscher Standort für Cybersicherheit. Diese Position werden wir weiter national und international ausbauen. Von großer Bedeutung ist hierbei das bereits 2018 gegründete „Cyber Security Cluster Bonn e.V.“. Es bündelt alle in der Region ansässigen Security-Einrichtungen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Forschung und Lehre, Behörden und öffentlichen Institutionen unter einem Dach. Im März dieses Jahres konnten wir die Geschäftsstelle des „Kompetenzzentrum für Cybersicherheit in der Wirtschaft“ in Bonn und Bochum eröffnen, die eine gemeinsame Gesellschaft des Bonner Cyber-Cluster und des Bochumer eurobits e.V. ist und im Auftrag des Landeswirtschaftsministeriums arbeitet.

Nachdem zu Beginn der Corona-Krise im letzten Jahr die Aktivitäten zur Anwerbung von Investoren zunächst einmal brach lagen, da es sich dabei in der Regel um Präsenzveranstaltungen handelt, nehmen nun die digitalen Formate Fahrt auf. Veranstaltungen zur Anwerbung von Investoren werden teilweise online durchgeführt. Wir als Stadt Bonn kooperieren hier im Rahmen der Vermarktung mit externen Partnern wie beispielsweise. der Wirtschaftsförderung des Landes NRW (NRW Global Business). Auch wenn die digitalen Formate keine direkten Kontakte und Gespräche ersetzen können, ist es doch wichtig, auch in der Corona-Krise als Standort kontinuierlich im Gespräch zu bleiben. Ich hoffe sehr, dass wir bald auch wieder persönlich vor Ort präsent sein und den Standort vermarkten können.

Ganz intensiv begleiten wir derzeit die Ansiedlung der Niederlassung des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersagen, wo die Bundesregierung mit Bonn als Sieger aus dem Standortwettbewerb hervorgegangen ist. Die Einrichtung wird schrittweise bis zu 350 Mitarbeitenden in Bonn beschäftigen. Hierzu gehören ein Welcome Service und verschiedene gezielte Informationsveranstaltungen auf Englisch, bei denen die Fragen der Beschäftigten gezielt beantwortet werden, damit die Ankunft in Bonn und Region so gut wie möglich gelingt!

Digitalisierung als Chance für die gesamte Gesellschaft. Worauf können sich die Unternehmerinnen und Unternehmer einrichten?

Zum 1.2.2021 hat die Stadtverwaltung den E-Rechnungsworkflows Vendor Invoice Management für alle Verwaltungsbereiche erfolgreich gestartet, sodass die Stadt Bonn als öffentlicher Auftraggeber elektronische Rechnungen (E-Rechnungen) empfangen und verarbeiten kann. Seit dem 5.2.2021 ist Bonn an das besondere elektronische Behördenpostfach angeschlossen. Nach der Einführungsphase erfüllt die Bundesstadt nun bereits ein Jahr vor der gesetzlichen Pflicht zur Einführung jetzt die Voraussetzungen, um im elektronischen Rechtsverkehr sicher zu kommunizieren. Online-Antragsprozesse verbessern wir für viele Lebenslagen mit dem neuen Portal www.service.bonn.de für verschiedene Zielgruppen und setzen Anträge medienbruchfrei und volldigital um. In den nächsten Monaten werden wir als Fokusprojekt das Baugenehmigungsverfahren ebenfalls volldigital anbieten können, was für alle Beteiligten erhebliche Mehrwerte bringt. Dazu arbeiten wir am digitalen Zwilling der Stadt Bonn, der Planungsvorhaben unterstützt. Bonn bietet vom digitalen Rathaus, 5G und LoRaWAN-Infrastruktur, Open Data bis hin zu Cyber Security aber nicht nur digitale Angebote, sondern auch eine Vielzahl von Initiativen, Institutionen und Aktiven, welche vor Ort für einen persönlichen Austausch und für gemeinsame digitale Projekte und Weiterentwicklungen offen sind. Die Möglichkeiten der persönlichen Vernetzung und der Zusammenarbeit ist ein erheblicher Standortvorteil, den nicht viele Kommunen vorweisen können.

Was würden Sie dem Wirtschaftsstandort Bonn für die Zukunft wünschen?

Mein erster Wunsch für den Wirtschaftsstandort Bonn ist die möglichst schnelle Überwindung der Corona-Pandemie und damit die Verbesserung der schwierigen wirtschaftlichen Situation in vielen betroffenen Branchen. Der zweite Wunsch ist, dass wir den Wirtschaftsstandort in Bonn und der Region qualitativ weiterentwickeln. Als Grundlage für die Stadt Bonn sehe ich die vier definierten strategischen Ziele „Klimaneutrales Bonn“, „Verkehrs- und Mobilitätswende“, „Sozial gerechtes Bonn“ und „Digitale Transformation“. Auf regionaler Ebene liegt mit dem von der Arbeitsgruppe der Region Bonn/Rhein-Sieg/Ahrweiler/ Neuwied erstellten Leitbild ebenfalls eine sehr gute Grundlage für die weitere Entwicklung im Zusammenhang mit dem Berlin/ Bonn-Gesetz vor. Mein dritter Wunsch ist eine konstruktive Zusammenarbeit aller relevanten Akteure am Wirtschaftsstandort Bonn – denn ich bin der Meinung, dass wir gemeinsam in Stadt und Region noch mehr erreichen können.

Vielen Dank für das Interview.

(Das Interview führten Jutta Jülich und Janine Dengel)

Katja Dörner, Oberbürgermeistern der Bundesstadt Bonn

Katja Dörner ist seit Oktober 2009 Mitglied des Deutschen Bundestags und seit Dezember 2013 stellvertretende Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Nach einer Stichwahl bei der Kommunalwahl in NRW 2020 wurde sie zur neuen Oberbürgermeisterin der Bundesstadt Bonn gewählt. Dieses Amt trat sie am 01.11.2020 an.

Stand: 08.07.2021 10:30