Eigentum verpflichtet. Das gilt insbesondere für Unternehmen. Nicht selten prägen sie eine ganze Region, sind große Gewerbesteuerzahler, Spender, Mäzene und Arbeitgeber. Allen voran Familienunternehmen leisten viel für die Gesellschaft, die Mitarbeiter und den Fortschritt. Doch viele Unternehmen sind gefährdet, nicht nur, weil die ökonomischen und konjunkturellen Rahmenbedingungen derzeit zu wünschen übriglassen, sondern auch, weil der demographische Wandel zuschlägt. Jedes Unternehmen, das mangels Nachfolge schließen muss, geht der Gesellschaft unwiederbringlich verloren. Und dabei geht es nicht selten um Lebenswerke und das Schicksal vieler Familien, manchmal gar um die Zukunft ganzer Kommunen. Nachfolge ist deswegen eines der drängendsten Probleme der Zeit. Auch Unternehmer werden älter und scheiden aus dem Erwerbsleben aus. Was sie an Lücken hinterlassen, ist immens. Intelligente und kreative Nachfolgeregelungen sind ein wesentlicher Aspekt von Nachhaltigkeit und betreffen die Gesellschaft am Standort Deutschland als Ganzes.
Nachfolge weiterdenken
Wichtig im Rahmen einer Nachfolgeregelung ist, dass nicht nur Hallen, Maschinen, Produkte und Verfahren übergeben werden, also klassische Assets, sondern auch eine Kultur, eine Identität und die unternehmerische Verantwortung. Diese eher weichen Faktoren werden allzu oft unterschätzt und führen am Ende nicht selten zum Scheitern – entweder bereits im Rahmen der Verhandlungen oder des Übergabeprozesses oder, was noch schlimmer ist, im Rahmen der wirtschaftlichen Aktivitäten. Insolvenzen können die Folge sein, in Krisenzeiten allemal.
Neue Technologien wie Künstliche Intelligenz, Zukunftsinvestitionen in Menschen und Maschinen und eine Idee von einer Ökonomie, von der am Ende alle profitieren, das alles spielt eine Rolle. Es geht auch um Zahlen, aber Zahlen sind eben nicht alles. Der soziale und gesellschaftliche Kontext muss genauso stimmen wie das Geschäftsmodell. Die Rolle eines Unternehmens in seinem gesellschaftlichen, systemischen und politischen Kontext ist eine zentrale Frage bei einer Unternehmensnachfolge. Hiervon hängen sehr oft das Wohlwollen der Belegschaft, die Integrität in die lokale Zivilgesellschaft oder die Reputation ab. Assets, die nur selten in Bilanzen stehen, die aber keineswegs unwichtiger sind als Vermögen und Betriebsmittel. Das soziale Kapital ist ein ganz erheblicher Faktor, den es zu bewerten und zu gestalten gilt.
Soziales Kapital
Nachfolgeregelungen werden meist durch externe Berater begleitet, die die notwendigen Prozesse häufig über mehrere Jahre hinweg mitgestalten. Rechtliche, steuerliche, strategische, kaufmännische, familiäre, finanzielle und nicht zuletzt auch ganz private Aspekte müssen von ihnen berücksichtigt und organisiert werden. Auch für diese Berater spielt soziales Kapital als Aspekt der Nachhaltigkeit eine Rolle. Auch eine Unternehmensberatung kann nachhaltig sein. Vielleicht muss sie sogar nachhaltig sein. Denn was ist nachhaltiger als Existenzen zu sichern, Werte zu schöpfen und langfristig zu erhalten sowie die Zukunft zu gestalten? Nachhaltigkeit ist mehr als Umweltschutz, Ehrenamt und Fair Trade. Nachhaltig ist letztlich alles, was der Gesellschaft nutzt und Ressourcen erhält. Unternehmen und deren Mitarbeiter sowie die Ökosysteme, in denen sie agieren, dienen zumeist der Gesellschaft – in dieser Erkenntnis fußt der Satz „Eigentum verpflichtet“.
Ein guter Berater muss das beherzigen und in seine Konzepte einbringen. Auch sein soziales Kapital ist relevant, stellt er doch im Wesentlichen Kontakte her, bringt Menschen und Ideen, Planungen und Visionen, Interessen und Bedürfnisse zusammen.
Haben Käufer und Verkäufer nicht zumindest eine ähnliche Vorstellung von der Zukunft des Unternehmens, wird die Nachfolge nicht nachhaltig funktionieren. Mitarbeiter legen Wert auf die vorhandene Betriebskultur und machen sich Gedanken über ihre Karrierechancen. Kunden und Lieferanten möchten keine negativen Erfahrungen machen müssen. Und sie alle sind zumeist regional vernetzt und sprechen über ihre Erfahrungen. Ändert ein Unternehmen seine Kultur und werden Beziehungen neu bewertet, verändert sich das betriebliche Ökosystem. Dies zu analysieren, zu bewerten und zu erhalten, die positiven Aspekte vielleicht sogar auszubauen, das ist die Aufgabe einer guten Nachfolgeregelung – und das Ziel einer nachhaltigen Beratung in diesem Kontext. Nachhaltigkeit hat hier gleich mehrere Aspekte: einen ökonomischen, einen kulturellen und einen sozial-gesellschaftlichen.
Nachhaltigkeit wird neu definiert
Hierzu gehört die Bewertung von Technologien und Geschäftsmodellen, auch im Kontext von ESG-Kriterien, Lieferkettenthematiken und Compliances. Eine nachhaltige Nachfolgeregelung betrachtet immer auch politische und regulatorische Aspekte – und hier wird Nachhaltigkeit gerade in nahezu jeder Beziehung neu definiert.
Der klassische, rein renditegetriebene Investor hat es zunehmend schwer. Ethische Fragen gewinnen an Bedeutung, nicht zuletzt auch bei Kapitalgebern, Share- und Stakeholdern. Das Umfeld für gelingende Nachfolgeregelungen wird komplexer, die Ansprüche an nachhaltige Geschäftskonzepte steigen – im engeren Sinne geht es dabei tatsächlich um ökologische, soziale und gesellschaftliche Fragen, im weiteren Sinne gar um eine Idee von der Zukunft, um ethische Fragen neuer Technologien in meist hochregulierten Märkten.
Nachhaltigkeit wird zum Schlüsselthema ganzer Branchen, und das umso mehr dort, wo junge Nachfolger auf arrivierte Unternehmer treffen, deren Lebenswerk zur Debatte steht. Etwas erhalten und etwas Neues darauf aufbauen, Nachhaltigkeit muss neu gedacht und moderiert werden.

Thorsten Luber ist Diplom-Kaufmann sowie Gründer und Inhaber von Luber Consulting, einer spezialisierten Strategieberatung für den Mittelstand in der DACH-Region. Die Beratungsgebiete von Luber Consulting sind Existenzgründung, Wachstum, Strategie sowie Unternehmensnachfolge und Unternehmensverkauf. Thorsten Luber ist Gründer der Nachfolgeinitiative www.nachfolge-chance.de und als „Top-Experte“ durch das „Erfolg Magazin“ ausgezeichnet.
Er hat u.a. Spitzenunternehmen wie BMW, BASF, DHL, Fresenius Medical Care und Boehringer Ingelheim in strategischen Projekten beraten und begleitet. Das in Bonn ansässige Beratungsunternehmen hat mehrere Mitarbeiter und legt besonderen Wert auf eine nachhaltig wirksame Begleitung in Projekten.
Weitere Informationen unter: www.luber-consulting.com