Wer einen Nachfolger sucht, muss früh mit der Planung beginnen

Vor 30 Jahren hat Joachim Lang einen der großen Ingenieur-Dienstleister Deutschlands gegründet, seine Anteile später verkauft und ein eigenes neues Ingenieur-Unternehmen auf den Markt gebracht. Ab dem nächsten Jahr will er sich aus dem operativen Geschäft zurückziehen und das Coaching eigener Kunden verstärken. Dafür braucht er einen Nachfolger als Geschäftsführer seines Unternehmens. Das ist ein Prozess.

Herr Lang, nach Schätzungen von Medien und Verbänden suchen über 100.000 Unternehmen in Deutschland einen Nachfolger in der Firmenleitung. Wie geht man da am besten vor?

Das lässt sich nicht pauschal beantworten, weil es vom individuellen Fall, von der Größe eines Unternehmens, der Branche und auch der personellen Ausstattung abhängt. Will ich den Betrieb komplett verkaufen? Suche ich einen Geschäftsführer oder auch mehrere, die die Geschäfte übernehmen, während ich Gesellschafter bleibe?

In meinem Fall ist es so, dass ich den Wechsel von der Gründer-Generation zur zweiten Generation einleite. Den gestalten wir in mehreren Schritten: In Phase 1 habe ich mich zunächst auf die Suche nach einem potenziellen Nachfolger gemacht. Sowohl innerhalb des Unternehmens bei den Teamleitern, als auch außerhalb in meinen Netzwerken und auf dem freien Markt. Ich habe mich dann bewusst für jemanden aus dem Unternehmen, aus dem laufenden Betrieb entschieden, der unser Geschäft kennt und den ich mir aufgrund seines Führungsstils und seiner Loyalität in der Geschäftsführung vorstellen konnte. Dann war Schritt 2, ihn eine Zeit lang als Stellvertreter zu installieren, sukzessive Verantwortung zu übergeben und zunächst in der Kundenansprache und in der Mitarbeiterführung zu verfolgen, ob er den Erwartungen gerecht wird.

Und wenn das nicht klappt?

Darum ist es wichtig, mit der ersten Phase früh genug zu beginnen. Ich z.B. möchte mich zunächst aus dem operativen Geschäft zurückziehen. Mit dem Nachdenken, wie das vonstattengehen kann, und mit der Ausschau nach einem Nachfolger habe ich vor über fünf Jahren begonnen. Das klingt nach einem langen Vorlauf, ist es aber nicht. Denn auch ich musste feststellen, dass Personen, die ich mir anfangs für die Aufgabe vorstellen konnte, teils überfordert waren oder ich mich in der Einschätzung von deren Persönlichkeit getäuscht hatte. Jetzt sieht es aber sehr gut aus.

Das heißt, Sie können jetzt in die nächste Phase starten?

Da sind wir schon lange, und diese zweite Phase bestreiten wir bereits gemeinsam, d.h. zwischen mir als Gesellschafter und Geschäftsführer der Firma und dem potenziellen Nachfolger wurden wichtige Grundlagen geklärt: Für welche Werte stehen wir ein? Welche Philosophie und welche Ziele wollen wir verfolgen? Wie verstehen wir unser Geschäft und unseren Kundenauftrag? Das ist sozusagen die Meta-Ebene. Im nächsten Schritt geht es ans Organisatorische, mit der Übergabe von mehr und mehr Verantwortung vom alten auf den neuen Geschäftsführer. In dieser Phase befinden wir uns jetzt. Mein potenzieller Nachfolger Jens Feuerlein ist bereits lange im Betrieb, war Teamleiter und ist seit Jahresanfang mein Stellvertreter. Das Ziel ist es, dass ich bis Anfang 2025 das operative Geschäft dann ganz an ihn übergebe.

Und was macht der bisherige Chef, wenn der neue übernimmt?

Das ist eine wichtige Frage, die sich nach meiner Erfahrung tatsächlich zu wenige Unternehmer und Geschäftsführer stellen. Die glauben, dass es dann so Step-by-Step-artig weitergeht. Viele behalten ihr altes Büro, tauchen immer mal wieder in der Firma auf, mischen sich in Entscheidungen ein. Oft kommt es dann zu einer Verstimmung zwischen bisherigem und neuem Chef, manchmal auch zum großen Knall. Dann kann die erfolgreiche Übergabe auf den letzten Metern noch scheitern. Darum ist es meinem Nachfolger zu Recht ganz wichtig, dass er meine Rolle definiert sehen will: Wie sehe ich mich im Laufe des Nachfolgeprozesses? Wie will ich weiter eingebunden bleiben ins Geschäft? Wie erfolgt das Reporting? Was mache ich stattdessen?

In meinem Fall werde ich meine bisherigen Tätigkeiten im klassischen Coaching und im pferdegestützten Coaching für meist hochqualifizierte Führungskräfte und Teams ausbauen. Das mache ich schon eine Weile und es macht mir großen Spaß; und die Ergebnisse, die wir damit im Coaching erzielen, sind immer wieder beachtlich. Außerdem werde ich mich mit meiner Erfahrung aus dem jetzt laufenden Prozess und 35 Jahren Führungstätigkeit in der Nachfolge-Beratung positionieren. Auch das mache ich ja schon einige Jahre. Sicherlich werde ich außerdem einige Ehrenämter wie z.B. im „Cluster Nutzfahrzeuge“ eine Zeit lang beibehalten. Wie auch immer meine Pläne und vielleicht auch meine Ängste aussehen: Es ist wichtig, offen und ehrlich miteinander zu kommunizieren und keinen Plan B in der Hinterhand zu haben, von dem das Gegenüber nichts weiß.

Wie sieht diese offene und ehrliche Kommunikation aus? Lassen Sie sich dabei begleiten oder gestalten Sie das alles in Eigenregie?

Wir erarbeiten das alles schon seit letztem Jahr in Begleitung durch einen externen Coach, der selber unternehmerische Erfahrung und Fähigkeiten hat. Er kennt also nicht nur die psychologische Sicht, sondern er weiß auch, wie ein Unternehmen erfolgreich läuft und worauf zu achten ist. Diese Zusammenarbeit mit dem Coach muss auch geprägt sein von Ehrlichkeit und Offenheit, auch und gerade innerhalb der Dreier-Konstellation. Wir haben schon einige Meetings und auch Wochenenden in Klausur hinter uns. Hier soll jeder sagen, was ihn bewegt, wie er den anderen sieht, auch was ihm gefällt oder nicht gefällt, welche Erwartungen und welche Sorgen der jeweils andere hat. Offenheit und Ehrlichkeit sind hier das Maß aller Dinge, denn nur dadurch kann Vertrauen entstehen.

Ich bin sehr froh, dass unser Coach dies im Umgang mit uns fordert und wir es untereinander auch leben. Weil er zugleich Unternehmer ist, sprechen wir mit ihm auch ganz unternehmerische Ziele offen an, wie z.B. Wachstumsstrategie oder Gewinnerwartung – aber auch Risiken. Denn auch wenn ich mich aus der Geschäftsführung zurückziehe, bleibt es ja zunächst meine Firma, und ich bin auf die erfolgreiche Entwicklung langfristig angewiesen. Das ist Teil der Altersvorsorge für mich und meine Familie.

Zu wissen, dass ich als neuer Geschäftsführer Wachstumsziele erreichen, also Umsatz und Gewinn machen muss, das kann aber auch abschrecken? Vielleicht ziehen nach dem Wechsel nicht alle Kunden oder Mitarbeiter mit…?

Darum ist es so wichtig, dass wir in unseren regelmäßigen Treffen mit dem Coach solche emotionalen Probleme ansprechen und uns dafür genügend Zeit nehmen. Mein Nachfolger soll den Aufgaben gewachsen sein, aber natürlich muss ich meinen Teil dazu beitragen, dass das Geschäft weiter läuft. Ich glaube, dass sich viele alte und neue Geschäftsführer über diese mögliche Belastung nicht genügend im Klaren sind, und auch dass sie es nicht offen ansprechen. Es ist aber ein sehr wichtiger Punkt auf dem Weg zum Erfolg.

Wenn aber trotz externer Begleitung und Coach Zweifel bleiben…?

Dann müssen beide – Unternehmer bzw. Geschäftsführer und Nachfolger – ganz offen diskutieren und entscheiden, wie sie weiter verfahren. Ein paar Zweifel werden immer bleiben, das ist bei jeder Veränderung so, und das ist auch okay. Du musst den Mut haben, auch Risiken einzugehen und eine nicht immer optimale Performance zu akzeptieren. Das braucht Geduld und Persönlichkeit. Auch darum ist es so wichtig, rechtzeitig mit der Nachfolge-Planung zu beginnen.

Wie geht der Nachfolger langfristig damit um, wenn die Zusammenarbeit mit dem Coach vorüber ist und Sie die nächste Phase erreichen?

Ich selbst bin ja nicht aus der Welt. Das ist eine ganz wichtige Aussage und Zusage an den Nachfolger. Ich bin da, wenn er Fragen hat, wenn es Probleme gibt usw. In unserem Fall haben wir außerdem schon vor einigen Jahren einen Beirat ins Leben gerufen, der ähnlich einem Aufsichtsrat agiert. In diesem Beirat sind u.a. mein Sohn und meine Frau. Künftig werden auch externe Mitglieder vertreten sein. Diesem Beirat berichtet der neue Geschäftsführer regelmäßig über Ergebnisse und Pläne.

Es geht auch darum, dass – z.B. auch für den Fall, dass ich erkranke oder plötzlich sterbe – mit mir nicht das Know-how aus 30 Jahren Unternehmertum verschwindet, sondern dass da Menschen sind, die wissen, wie die Firma funktioniert, die den nötigen Einblick haben. Dieser Beirat oder Aufsichtsrat steht dem Nachfolger zur Seite, damit der insbesondere bei strategischen Entscheidungen nicht auf sich allein gestellt ist. Ein Beirat soll beraten wie ein Coach. Und er soll die Nachfolge natürlich auch mittragen, darum ist er jetzt schon eingebunden.

Die Fragen stellte Claudius Kroker, Journalist aus Bonn.

Joachim Lang

Joachim Lang ist Unternehmer und Coach. Er hat sich in den 1990er Jahren mit der Gründung von Deutschlands damals größtem Ingenieurunternehmen einen Namen gemacht. Heute berät er vor allem Unternehmen und Geschäftsführer in Branchen wie Optik, Maschinenbau und Fahrzeugtechnik.

E-Mail: j.lang@cigus.de
Tel. (0731) 1408 4990

Vorheriger Artikel

Effizientes Facility Management: Kostenoptimierung durch effektive Reinigungsstrategien

Nächster Artikel

Stevie Award Nominierung: Deutsche Unternehmerin für internationale Auszeichnung aufgestellt

You might be interested in …