Wegzugsbesteuerung (2): Ermittlung des Vermögenszuwachses

Die Ermittlung des steuerpflichtigen Vermögenszuwachses der Beteiligung erfolgt gemäß § 17 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG). Danach ist der Veräußerungsgewinn der Betrag, um den der Veräußerungspreis die Anschaffungskosten der Beteiligung übersteigt. Liegt keine Veräußerung vor – wie im Fall der Wegzugsbesteuerung – tritt an die Stelle des Veräußerungspreises der gemeine Wert der Beteiligung im Zeitpunkt des Wegzugs, also praktisch ihr Verkehrswert. Seine Ermittlung erfolgt nach § 11 Bewertungsgesetz, vorrangig unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Gesellschaft.

Der Vermögenszuwachs der Beteiligung ist nach dem Teileinkünfteverfahren zu versteuern, d.h. es sind nur 60 Prozent des gemeinen Werts und der Anschaffungskosten anzusetzen.

Schema zur Ermittlung des Vermögenszuwachses:

Gemeiner Wert der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft im Zeitpunkt des Wegzugs
minus steuerfreier Teil (40 Prozent nach § 3 Nr. 40 Buchstabe c EStG)
minus Abschaffungskosten der Beteiligung
plus nicht abziehbarer Teil der Anschaffungskosten
= Vermögenszuwachs/fiktiver Veräußerungsgewinn zum Zeitpunkt des Wegzugs

Beispiel:
A lebte von Geburt an in Frankfurt a.M. Er hegte den Traum, nach Dubai auszuwandern und erfüllt sich diesen Traum am 1.7.2023. Er löst seinen Wohnsitz in Deutschland auf. Seitdem wohnt er dauerhaft in Dubai. A ist seit 2008 mit 4 Prozent an der B-GmbH mit Sitz in München beteiligt. Die Beteiligung (Anschaffungskosten: 100.000 Euro, Verkehrswert im Jahr 2023: 400.000 Euro) gehört zu seinem Privatvermögen. Im Jahr 2023 erhielt er keine Gewinnausschüttung auf seine Beteiligung.

Lösung: A war im Jahr 2023 bis zu seinem Wegzug nach Dubai unbeschränkt einkommensteuerpflichtig nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG, da er als natürliche Person einen Wohnsitz im Inland hatte. Deutschland besteuerte bis zum 30.6.2023 sein gesamtes Welteinkommen. Ab dem 1.7.2023 ist A nur noch beschränkt einkommensteuerpflichtig mit seinen inländischen Einkünften gemäß § 49 EStG, da er ab diesem Zeitpunkt im Inland weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Beim Wegzug aus Deutschland wäre zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 6 Außensteuergesetz (AStG) vorliegen. Bei A handelt es sich um eine natürliche Person, die insgesamt mindestens sieben Jahre lang unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war. Seine unbeschränkte Steuerpflicht beendete er dauerhaft durch die Aufgabe seines Wohnsitzes. Zum Zeitpunkt des Wegzugs hielt er eine Beteiligung an einer GmbH im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG im Privatvermögen. Er war innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar zu mindestens 1 Prozent beteiligt.

Der Vermögenszuwachs der Beteiligung des A im Zeitpunkt des Wegzugs errechnet sich wie folgt:

Gemeiner Wert der Beteiligung 400.000 Euro
abzüglich steuerfreier Teil (40 Prozent) 160.000 Euro
abzüglich Anschaffungskosten 100.000 Euro
zuzüglich nicht abziehbarer Teil der
Anschaffungskosten (40 Prozent) 40.000 Euro
= zu versteuern 180.000 Euro

§ 6 AStG verlangt nicht, dass die natürliche Person die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder eine Verlegung des Wohnsitzes bzw. des gewöhnlichen Aufenthalts in einen niedrig besteuernden Staat erfolgt. Auch befasst sich § 6 AStG nicht mit der Besteuerung nach Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht, sondern regelt eine Exit-Besteuerung vor Eintritt in die beschränkte Steuerpflicht.

Die Wegzugsteuer kann auf Antrag in sieben gleichen Jahresraten zinsfrei entrichtet werden. Das Finanzamt soll diesem Antrag in der Regel nur gegen Sicherheitsleistung (z.B. Hinterlegung von Zahlungsmitteln) stattgeben. Die noch nicht entrichtete Steuer ist in einer Summe fällig, wenn u.a. eine Jahresrate nicht fristgemäß gezahlt wird, der Gesellschafter Insolvenz anmeldet oder wenn die Beteiligung veräußert oder übertragen wird (§ 6 Abs. 4 AStG).

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