Vesting-Regelung: Zulässigkeit einer Hinauskündigungsklausel bei einem Start-up-Unternehmen

Nach dem Einstieg von Investoren in ein Start-up-Unternehmen ist es üblich, für Gründer sogenannte Vesting-Klauseln zu vereinbaren. Hierbei handelt es sich um eine vertragliche Regelung, die festlegt, dass ein Gründer das Recht auf bestimmte Anteile erst über einen festgelegten Zeitraum erwirbt, der meist über drei bis vier Jahre dauert. Vesting-Regelungen sollen die Gründer an das Unternehmen binden und sie motivieren, weiterhin ihr gesamtes Know-how einzubringen. Verlässt ein Gründer das Unternehmen vor dem Ende des Vesting-Zeitraums, behält er nur die Anteile, die er bis zu diesem Zeitpunkt während des Vestings verdient hat.

Über die rechtliche Zulässigkeit einer solchen Vesting-Klausel hatte das Kammergericht (KG) Berlin in seinem Urteil vom 12. August 2024 zu entscheiden. Im Urteilsfall stritten die Beteiligten über die Gesellschafterstellung des Klägers, der Mitbegründer der C-GmbH war. Diese Gesellschaft, ursprünglich als Unternehmergesellschaft gegründet, schloss einen Investmentvertrag mit Investoren ab, die 1,373 Millionen Euro gegen Ausgabe von Anteilen investierten. Im Rahmen des Vertrags unterwarfen sich die Gründer einer Vesting-Klausel, die vorsah, dass die Gründer bei ordentlicher Kündigung ihrer Beschäftigungsverhältnisse im ersten Jahr des dreijährigen Vesting-Zeitraums sämtliche Geschäftsanteile verlieren.

Der Kläger wurde freigestellt und verhandelte ein halbes Jahr über sein Ausscheiden, das schließlich durch eine ordentliche Kündigung bestätigt wurde. Der Kläger war der Ansicht, dass seine Hinauskündigung gegen die guten Sitten verstoße und damit unwirksam sei. Beide Instanzen wiesen seine Klage ab.

Das KG entschied, dass eine Hinauskündigungsklausel in Form einer Vesting-Regelung eines Start-up-Unternehmens wirksam sein kann. Die gegenständliche Klausel sah vor, dass ein Gründungsgesellschafter bei ordentlicher Kündigung seines Beschäftigungsverhältnisses mit der Gesellschaft im ersten Jahr des Vesting-Zeitraums seine Anteile auf Wunsch der Mitgesellschafter an diese abtreten muss.

Das KG stützt sich in seiner Entscheidung auf die höchstrichterliche Rechtsprechung. Diese sieht Hinauskündigungsklauseln, bei denen den übrigen Gesellschaftern einer GmbH das Recht eingeräumt wird, einen Mitgesellschafter ohne sachlichen Grund aus der Gesellschaft auszuschließen, grundsätzlich als nichtig an. Der betroffene Mitgesellschafter ist nämlich nicht mehr in der Lage, von seinen Mitgliedschaftsrechten in der Gesellschaft Gebrauch zu machen und seine Mitgliedschaftspflichten zu erfüllen. Denn die freie Hinauskündigungsmöglichkeit kann von ihm als Disziplinierungsmittel empfunden werden und ihn hindern, seine Mitgliedschaftsrechte zu gebrauchen („Damoklesschwert“). Hinauskündigungsklauseln sind nur ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn ein sachlicher Grund vorliegt. Liegt ein vorwerfbares Verhalten eines Gesellschafters vor, ist eine sachliche Rechtfertigung deutlich leichter zu begründen (Bad Leaver Event). Handelt es sich hingegen – wie hier bei einer ordentlichen Kündigung – um kein vorwerfbares Verhalten (Good Leaver Event), sind die Hürden für die sachliche Rechtfertigung einer Hinauskündigungsklausel höher. Stets ist jedoch eine Gesamtbewertung aller relevanten Umstände des Einzelfalls erforderlich.

Eine Vesting-Klausel trifft meist Regelungen zur Abfindungshöhe. Das KG lässt offen, ob bei einer Good-Leaver-Klausel eine Abfindung zum Nominalpreis angemessen ist, da eine angemessene Abfindung die vereinbarte ersetzen könnte. Als Regelfall gilt die Abfindung zum Verkehrswert. Einschränkungen sind nicht unbegrenzt zulässig. In der Praxis werden häufig je nach Leaver Event prozentuale Abschläge vom Verkehrswert vorgenommen. Denkbar sind etwa minus 40 Prozent beim Bad Leaver und minus 20 Prozent beim Good Leaver. Zudem unterscheidet man, ob bereits erdiente Anteile verloren gehen oder nicht erdiente Anteile zurück zu übertragen sind. Beim Bad Leaver ist eine Abfindung zum Nominalwert üblich, da dies den Anschaffungskosten der Beteiligung entspricht.

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