Versichern ist im Krieg immer schwierig: Der Ukraine-Krieg und die Policen

Der russische Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hat direkte Auswirkungen auf deutsche Unternehmen und auf deren Versicherungen – sowohl in der Ukraine, in Russland und Belarus als auch in Deutschland selbst. Der Beitrag erläutert, mit welchen Konsequenzen deutsche GmbHs in Kriegszeiten wie diesen zu rechnen haben.

Bis zum Februar 2022 gab es vielfältige wirtschaftliche Verflechtungen des deutschen Mittelstands mit russischen und ukrainischen Unternehmen. Im- und Export liefen, Tochtergesellschaften in den beiden Ländern produzierten und handelten vielfältige Waren. 2021 lag Russland mit 26,65 Milliarden Euro noch auf Platz 14 beim Umsatz der Länder, in die deutsche Unternehmen exportierten – bei den Importen immerhin auf Platz 12. Mit dem Einmarsch der russischen Truppen änderte sich die Situation drastisch: Viele GmbHs schlossen ihre Tochtergesellschaften in Russland. Wer noch in das Land exportiert, sieht seine Reputation in Gefahr oder muss bei sanktionierten Gütern sogar mit Strafverfolgung rechnen.

Unsichere Zeiten für Versicherungen

Doch mit dem Einmarsch der russischen Truppen am 24.Februar 2022 in die Ukraine hat sich nicht nur die wirtschaftliche Lage in Deutschland insgesamt verändert, er stellt auch eine versicherungsrechtliche Zäsur dar. Insbesondere die Unternehmen, welche in der Ukraine investiert hatten, sehen sich verheerenden Kriegsschäden ausgesetzt. Die bereits zuvor präsente Gefahr eines Cyberangriffs wird von der Versicherungswirtschaft durch den russischen Angriff als erhöht angesehen. Auch für in Russland tätige Unternehmen werden die Sorgen und Risiken immer größer. Das Ansehen der in Russland produzierenden oder verkaufenden Unternehmen ist gefährdet.

Die Lage in Russland

Das operative Geschäft in und mit Russland ist stark beeinträchtigt, insbesondere durch die westlichen Sanktionen und starke Hindernisse beim Zahlungsverkehr. Russland seinerseits hat Gegenmaßnahmen ergriffen wie Enteignung von Sachanlagen, die Verstaatlichung privater Betriebe und strafrechtliche Sanktionen bei Einhaltung westlicher Sanktionen auf russischer Seite. Gerade auch für die Versicherungswirtschaft sind und werden weiter gravierende Auswirkungen zu spüren sein, wenn in Russland – und auch in der Ukraine oder Belarus – Geschäfte betrieben werden. Da Russland selbst aber kein Kriegsgebiet ist, haben die Versicherungen im Prinzip vollen Deckungsschutz – dennoch ist die Lage schwierig.

Rückgriff nur auf örtliche Makler

Russland unterliegt nämlich Sanktionen des Westens, welche ein Verbot von Versicherungsleistungen für bestimmte Personen, Unternehmen und Organisationen beinhalten. Diese Sanktionen sind von allen Bürgern unter Strafandrohung einzuhalten. Russland hat zudem seinerseits die Zusammenarbeit mit Versicherungen und Rückversicherungen aus „unfreundlichen Staaten“ – darunter auch Deutschland – untersagt. Das Land ist somit vom internationalen Versicherungsmarkt abgeschnitten. Tochtergesellschaften von westlichen Versicherungen dürfen aufgrund der lokalen Lizenz zunächst entsprechend weiterarbeiten. Russland hat außerdem die 2017 gegründete stattliche Rückversicherung RNRC mit neuem Kapital ausgestattet. Aber: Westliche Versicherungsmakler dürfen aufgrund der Sanktionen mit den russischen Versicherungen nicht mehr in Kontakt treten.

Es verbleibt der Weg, örtliche Makler einzuschalten. Die Versicherung ist dabei nur in Rubel erhältlich, die Deckungssummen werden geringer und die Finanzkraft der russischen Versicherer wird weiter schwinden.

Transportversicherungen: neu abschließen, teuer bezahlen

Auch der Export ist schwierig: Wenn Waren trotz Sanktionen noch exportiert werden dürfen, wird es dennoch zu Problemen bei der Transportversicherung kommen. In dieser besteht im Normalfall Deckung für See- und Lufttransport durch die entsprechenden, vom Londoner Versicherungsmarkt definierten und preislich bestimmten Kriegsklauseln. Soweit diese Klauseln in den Verträgen vorhanden waren, sind sie herausgekündigt worden und müssen von Fall zu Fall neu abgeschlossen und teuer bezahlt werden.

Wie sieht es in der Ukraine aus?

Sprechen wir bei Russland „lediglich“ über Handels- und Produktionsprobleme, sehen sich GmbHs, die in der Ukraine investiert hatten, teils verheerenden Kriegsschäden ausgesetzt. Seit dem Einfall der russischen Truppen wird das gesamte Staatsgebiet der Ukraine versicherungstechnisch als Kriegsgebiet betrachtet. Für die Gebiete Krim, Luhansk und Donezk gelten zudem strenge Sanktionen. Versicherungsverträge laufen auch im Kriegsfall grundsätzlich bis zum vertraglichen Ablaufdatum weiter. Die Deckung wird aber eingeschränkt. Denn Schäden mit direktem oder indirektem Kriegsbezug sind in fast allen Versicherungssparten ausgeschlossen. Für die Versicherungsnehmer stellen sich massive Probleme ein, wenn Obliegenheiten als Voraussetzung zur Leistungserbringung der Versicherung nicht eingehalten werden können, z.B. Schadenminderung bei Wassermangel, zu spät oder gar nicht kommende Feuerwehr, Objektschutz bei mangelndem Personal und Ähnliches.

Parallel wurde in der Ukraine das Kriegsrecht ausgerufen, Zahlungsflüsse mit dem Ausland wurden eingestellt. Den Unternehmen bleiben somit nur lokale ukrainische Versicherungen. Versicherungsgesellschaften mit Sitz in der Ukraine arbeiten zurzeit aber quasi im Notbetrieb. Die Einstellung der Zahlungsflüsse bedeutet auch, dass lokale Policen nicht mehr in das Programm über Rückversicherungsleistungen integriert werden. Westliche Versicherungen zeichnen keine neuen Deckungen in der Ukraine, Russland und Belarus.

Seewege und Cyber-Versicherung

Die Kriegshandlungen an den Küstenregionen der Ukraine haben zu einer Einengung der versicherten Seewege geführt. Auch hier findet sich eine Kriegsklausel. Ob diese jedoch zugunsten der Versicherungen zum Tragen kommt, sollte immer im Einzelfall geprüft werden. Cyberangriffe hingegen werden von kriminellen Tätern ausgeführt und haben zunächst nichts mit einem Krieg zu tun, sodass GmbH-Geschäftsführer davon ausgehen können, dass hier der Versicherungsschutz auch weiterhin besteht.

Die Rolle von Belarus

Zwar ist Belarus kein Kriegsgebiet, wird aber, wie erwähnt, von westlichen Versicherungen nicht mehr mit Deckung versorgt. Zudem hat Belarus die Zusammenarbeit mit westlichen Versicherungen ebenfalls verboten. Auch wenn in den mehr oder weniger am Krieg beteiligten Ländern die politischen Risiken, beispielsweise bei der Warenkreditversicherung, mitversichert sein sollten, werden Limits von den Gesellschaften reduziert oder ganz gestrichen. Hermes-Bürgschaften für Exporte nach Russland und Belarus hat der Bund seit dem 24. Februar 2022 ausgesetzt. Eingehende Anträge werden nicht bearbeitet.

Möglichkeiten, dennoch zu versichern

Grundsätzlich Abhilfe können sogenannte Financial Interest Klauseln (FInC) leisten. Danach wird die Schadenzahlung im Land des Mutterunternehmens geleistet. Allerdings sind hier Länderausschlüsse zu beachten. Es verbleibt dann zudem weiterhin das Problem, wie die Zahlung beim geschädigten Tochterunternehmen ankommen soll. Kriegsausschlüsse finden sich in aller Regel in den Versicherungsbedingungen nicht. Haben unternehmerische Entscheidungen Bezug zu Russland, Belarus und der Ukraine muss der GmbH-Geschäftsführer generell sorgfältig abwägen. Es lässt sich zurzeit nur schwer abschätzen, welche Entscheidungen des Unternehmers im Nachhinein als pflichtwidrig – und damit als versichert – oder als wissentliche Pflichtverletzung – und damit als nicht versichert – eingestuft werden.

Komplexe Lage bei Insolvenzverfahren

In den drei Ländern Russland, Ukraine und Belarus sind Deckungen durch Versicherungen momentan also nicht oder nur sehr schwer zu erhalten. Noch komplexer wird es bei Auswirkungen auf bestehende Vermögensschadens-Haftpflichtversicherungen in Insolvenzverfahren. Oftmals gibt es aber auch hier Möglichkeiten, Lieferungen und Leistungen zu versichern – wenn die Vertragsdetails genau studiert wurden und Versicherungsnehmer ggf. bereit sind, höhere Beiträge zu zahlen.

Soweit Lieferbeziehungen zu Russland, Belarus und der Ukraine bestehen, sollten die Versicherer in jedem Fall darauf hingewiesen werden. Betroffene müssen davon ausgehen, dass die Versicherer ihre Haftpflichtbedingungen kurzfristig ergänzen und den aktuellen Gegebenheiten anpassen werden.

Fazit: Nichts ist mehr, wie es war

Der Krieg gegen die Ukraine hat die Versicherungswirtschaft stark getroffen und beeinträchtigt. Derzeit ist nichts mehr, wie es war. Daher sind bei Versicherungsverträgen, die Russland, Belarus und die Ukraine tangieren, stets der Einzelfall und die genauen Details zu prüfen. Im Zweifel können Experten ins Boot geholt werden, die die möglichen Fallstricke identifizieren und bei der Suche nach Lösungen zielführende Wege aufzeigen.

Zur Person

Torsten Steinwachs

Rechtsanwalt, Wirtschaftsmediator,
geschäftsführender Partner

BMS Bond Management Support GmbH

www.bms-bond.com


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