Vergütungspflicht und Nachzahlungsrisiko bei  Kündigungen minimieren

Die Inflation und die wirtschaftliche Lage stellen deutsche Unternehmen vor extreme Herausforderungen. Die Folge: Im August 2023 wurden 13,8 Prozent Regelinsolvenzen mehr beantragt als im gleichen Monat des Vorjahres, im Juli 2023 gar 23,8 Prozent mehr. In einer solchen Situation müssen viele Firmen Personal abbauen. Doch häufig treiben Abfindungszahlungen und Vergütungspflicht die Kosten so in die Höhe, dass es zu einer zusätzlichen Belastung statt einer Erleichterung kommt.

Verschiedene aktuelle Urteile zeigen, an welchen Stellen Unternehmen bei Kündigungsverfahren mit etwas Klugheit und Voraussicht Kosten vermeiden können.

Bundesarbeitsgericht betont die Pflichten der Arbeitnehmer

Ein Beispiel für einen solchen Hinweis hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) zuletzt mit einem seiner Urteile gegeben. In diesem betonte das BAG, dass Arbeitnehmer sich nach einer Kündigung arbeitssuchend melden müssen. Im Fall, dass dies nicht geschehen ist und sich der Arbeitnehmer entschließt die Kündigung anzufechten, kann der Arbeitgeber von der Vergütungspflicht befreit werden. Dies bedeutet für Arbeitgeber, dass sie die Nachzahlung von Gehältern vermeiden, wenn sie auf offene Positionen proaktiv hinweisen und zur Bewerbung auffordern.

Nichtstun wird als böswillige Handlung gewertet

Viele Arbeitnehmer haben bei einer erfolgreichen Klage gegen die Kündigung Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung. Das bedeutet, sie können ausstehende Gehaltszahlungen seit dem Ende der Kündigungsfrist einfordern. In dem konkreten Fall beim BAG hatte der Kläger, ein leitender Angestellter, weder seine Arbeitslosigkeit gemeldet noch Leistungen von der Agentur für Arbeit in Anspruch genommen. Er sei so spezialisiert, dass seine Position nicht über die Agentur für Arbeit vermittelt würde, sondern ausschließlich durch private Personalvermittler, so seine Argumentation.

Das BAG stellte jedoch fest, dass ein Arbeitnehmer böswillig handelt, wenn ihm vorgeworfen werden kann, vorsätzlich untätig zu bleiben und bewusst eine zumutbare alternative Arbeit nicht anzunehmen oder deren Aufnahme zu verhindern. In diesem Fall kam das Gericht zu dem Schluss, dass der Arbeitnehmer sich arbeitssuchend hätte melden müssen, betonte allerdings auch, dass jeder Fall einzeln betrachtet werden muss.

Praxistipp für Arbeitgeber

Angesichts der Tatsache, dass die Meldepflicht bei der Agentur für Arbeit ein wichtiger Faktor bei der Beurteilung des böswilligen Unterlassens ist, müssen Arbeitgeber im Rahmen der Kündigung zum einen auf die Pflicht zur Meldung bei der Agentur für Arbeit hinweisen. Zum anderen können sie auch proaktiv Maßnahmen ergreifen, um das Nachzahlungsrisiko für die Vergütung zu reduzieren. Hierzu bietet es sich an, die gekündigten Arbeitnehmer auf offene Stellen konkret hinzuweisen und sie zur Bewerbung aufzufordern. Alles zusammengefasst bedeutet dies: Kann der Mitarbeiter in einem späteren Prozess nicht nachweisen, dass er sich bei der Agentur gemeldet hat und dass er sich auf die Angebote des Arbeitgebers hin beworben hat, so wird der Arbeitgeber von der Vergütungspflicht befreit, wenn sich die Kündigung (oft lange Zeit nach Ausspruch) als unwirksam erweist.

Da diese ungeplanten Folgekosten einer Kündigung, die sich nachträglich als unwirksam erweist, den Arbeitgeber erheblich belasten können, lohnt es sich, besondere Sorgfalt auf die Bewertung der Kündigungsgründe zu legen und Hinweise auf offene und zumutbare Stellen beim Gekündigten nachweisbar zu platzieren. Sonst kommen unter Umständen erhebliche Nachzahlungen auf Firmen zu. In der Praxis gab es Fälle, in denen sich diese in Größenordnungen zwischen 9.000 und 30.000 Euro bewegten. Es lohnt sich also, auch diese Aspekte einer Kündigung rechtzeitig und umfassend zu beleuchten.

Rüdiger Meusel

Rüdiger Meusel ist Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der national und international operierenden Rechtsanwaltskanzlei Schumacher und Partner mit sieben Standorten im gesamten Bundesgebiet und Kooperationspartnern im In- und Ausland. Hauptsitz der Sozietät ist Düsseldorf. Aktuell arbeiten 120 Personen bei der Kanzlei, die sich vor allem als Partner von kleinen und mittelständischen Firmen und Verbrauchern sieht. Bei der juristischen Beratung steht immer die wirtschaftlich sinnvolle Lösung im Vordergrund. Die Kanzlei berät Verbraucher und Unternehmen in allen relevanten Rechtsgebieten deutschlandweit.

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