Verdeckte Gewinnausschüttung: Ohne Zuwendungswille keine verdeckte Gewinnausschüttung

Liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) auch dann vor, wenn eine GmbH ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet und dies irrtümlich geschieht, also ohne dass der Geschäftsführer der GmbH einen entsprechenden Zuwendungswillen hatte? Einen solchen Fall hatte der BFH mit Urteil vom 22.11.2023 zu entscheiden.

Im Urteilsfall wurde die A-GmbH (Klägerin) von der alleinigen Gesellschafterin B gegründet. Zu diesem Zweck brachte die B ihre 100-prozentige Beteiligung an der T-GmbH ein und leistete eine Bareinlage.

Im Jahr 2008 wurde bei der T-GmbH eine Kapitalerhöhung durchgeführt. Der neu gebildete Geschäftsanteil wurde irrtümlicherweise nicht von der A-GmbH, sondern von ihrer Gesellschafterin B übernommen. Die notarielle Beschlussurkunde wurde von B unterzeichnet und die Kapitalerhöhung nach entsprechender Anmeldung in das Handelsregister eingetragen.

Die A-GmbH bilanzierte in der Folgezeit beide Geschäftsanteile an der T-GmbH in ihrem Anlagevermögen. Alle danach gefassten Beschlüsse in den Gesellschafterversammlungen der T-GmbH wurden alleine von der A-GmbH gefasst. In den Protokollen der betreffenden Versammlungen war die A-GmbH als alleinige Gesellschafterin aufgeführt.

Im Jahr 2010 übertrug B ihren Anteil an der T-GmbH an die A-GmbH. In der notariellen Urkunde war vermerkt, dass die Übernahme des Anteils aus der Kapitalerhöhung bei der T-GmbH im Jahr 2008 durch die B irrtümlich erfolgte.

Im Jahr 2013 fand bei der A-GmbH eine Außenprüfung statt. Der Prüfer – und ihm folgend das Finanzamt – gelangte zu der Ansicht, die A-GmbH habe im Jahr 2010 auf eine Teilnahme an der Kapitalerhöhung bei der T-GmbH verzichtet und die Teilnahme stattdessen unentgeltlich der B ermöglicht. In diesem Verzicht liege eine vGA zugunsten der B vor, die mit dem Teilwert des von der B neu erworbenen Geschäftsanteils zu bewerten sei.

Der Einspruch gegen die geänderten Steuerbescheide und die Klage der A-GmbH vor dem Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein blieben erfolglos.

Der BFH hob das Urteil des FG auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung an das FG zurück.

Der BFH konnte nicht abschließend darüber entscheiden, ob der Verzicht der A-GmbH auf die Teilnahme an der Kapitalerhöhung seine Ursache im Gesellschaftsverhältnis gehabt hat. Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis sei anzunehmen, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahestehenden Person einen Vermögensvorteil zuwende, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlich und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. Allerdings gelte dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt. Vielmehr sei – wie bei einer offenen Gewinnausschüttung – ein Zuwendungswille erforderlich. Kann der Gesellschafter-Geschäftsführer – hier also die B – glaubhaft darlegen, dass eine Vermögensverschiebung an sie nicht stattfinden sollte und damit kein Zuwendungsbewusstsein bei ihr vorhanden war, liegt auch keine vGA vor.

Das FG hat nunmehr zu klären, ob B bei der Kapitalerhöhung im Jahr 2008 tatsächlich einem Irrtum über den Inhalt des Erhöhungsbeschlusses unterlag.

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