Trotz seiner Relevanz wird das Thema Unternehmensnachfolge von vielen Unternehmern gern ausgeblendet. Man hört immer wieder Aussagen wie: „Darüber kann ich mir in zehn Jahren Gedanken machen, jetzt gibt es andere Prioritäten.“ Im Interesse Ihres Unternehmens und damit Ihres Lebenswerks lohnt es sich jedoch, sich diesen Fragen zu stellen.
Hintergrund
Nach Angaben des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn standen in Deutschland zwischen 2018 und 2022 ca. 150.000 Unternehmen mit ca. 2,4 Millionen Beschäftigten zur Übergabe an. Die Auswahl und der Aufbau eines Nachfolgers geschehen nicht über Nacht, sondern bedürfen üblicherweise eines mehrjährigen Vorlaufs. Jedoch kann der Unternehmensinhaber auch überraschend erkranken, sodass sich die Nachfolgefrage schlagartig stellt. Doch wie nähert man sich diesem Thema grundsätzlich an?
Bestandsaufnahme
Zunächst einmal muss der Unternehmer den Gedanken akzeptieren, dass die Nachfolgefrage für ihn an Bedeutung gewinnt, je älter er wird. Welche Optionen bestehen für den Tag, an dem der Unternehmer nicht mehr gewillt oder imstande sein wird, seine gegenwärtige Aufgabe zu erfüllen? Grundsätzlich gibt es nur drei Möglichkeiten, nämlich den Aufbau eines Nachfolgers, den Verkauf oder die Schließung des Unternehmens. Letzteres ist regelmäßig für alle Beteiligten die schlechteste Lösung.
Die nächste Überlegung lautet: Wie sieht seine Lebensplanung in den nächsten Jahren aus? Wann sollte man mit der Nachfolgeplanung beginnen? Entscheidend ist das Lebensalter: Mit Anfang 50 ist es durchaus sinnvoll, noch einige Jahre zu warten, um eine Entscheidung zu treffen. Wenn sich der Firmeninhaber aber bereits dem 60. Lebensjahr nähert, besteht verstärkt Handlungsbedarf. Es geht aber nicht darum, in Aktionismus zu verfallen. Man sollte lediglich alle in Betracht kommenden Optionen prüfen.
Einbeziehung des persönlichen Umfelds
Zunächst einmal sollte sich der Unternehmer allein Gedanken zum Status Quo des eigenen Unternehmens machen. In einem nächsten Schritt sollte er aber auch die Meinung des persönlichen Umfelds in seine Überlegungen einbeziehen. Es besteht immer das Risiko, in eingefahrenen Bahnen zu denken oder den Wald vor lauter Bäumen nicht zu sehen. Was meinen der Ehepartner, langjährige Freunde oder Berater, denen der Unternehmer besonders vertraut? Möglicherweise geben diese Personen dem Inhaber neue Anregungen und Ideen.
So kann auch vermieden werden, dass der Unternehmer von einem gewissen Wunschdenken geleitet wird, etwa dergestalt, dass das eigene Kind als Nachfolger in Betracht kommt. Hier können Feedbacks hilfreich sein, z.B. ob er seine Kinder möglicherweise zu positiv einschätzt oder wichtige Aspekte außer Acht lässt. Glauben die Personen im persönlichen Umfeld, dass die angedachten Nachfolger dieser Aufgabe gewachsen sind und dass sie das notwendige Unternehmergen haben?
Kommunikation mit den möglichen Nachfolgern
Wenn es Personen gibt, die als Nachfolger in Betracht kommen, sollte der Unternehmer mit ihnen ein offenes Gespräch suchen. Sind sie bereit, die Nachfolge anzutreten? Welche Vorstellungen haben sie, gerade auch hinsichtlich der Konditionen für die Übergabe des Unternehmens? Die Bereitschaft, ein Unternehmen zu übernehmen, greift erheblich in die persönliche Lebensplanung des Nachfolgers ein. Ist auch dessen Ehepartner bereit, eine solche Entscheidung mitzutragen? Wenn es sich um einen Mitarbeiter oder Mitgesellschafter handelt, muss dieser zudem grundsätzlich bereit sein, einen Kaufpreis zu bezahlen. Ist ihm dies bewusst? Welche Konditionen stellt er sich vor?
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, über einen Fahrplan zur Übergabe zu sprechen. Dieser sollte Antworten auf die folgenden Fragen enthalten: Wann will der Inhaber vollständig aus dem Unternehmen ausscheiden? Wie sind seine Lebensplanung und die Lebensplanung der Nachfolger? Ein solches Gespräch kann schmerzlich sein, etwa wenn es ergibt, dass die Kinder nicht bereit oder geeignet sind, in die Fußstapfen der Eltern zu treten! Dies ist aber immer noch besser als eine ungeklärte Situation, bei der die Erwartungshaltung der Eltern unausgesprochen im Raum steht. Grundsätzlich macht es mehr Sinn, die eigenen Wunschvorstellungen, dass die Kinder das Lebenswerk einmal fortführen, loszulassen als daran festzuhalten und zu riskieren, andere Handlungsmöglichkeiten womöglich zu verpassen.
Umsetzung
Sofern es einen möglichen Nachfolger gibt, sollte sich der Unternehmer über den zeitlichen Ablauf und über die konkrete Ausgestaltung der Übernahme Gedanken machen. Der Aufbau eines Nachfolgers nimmt üblicherweise mehrere Jahre in Anspruch. Wie kann dieser an das Unternehmen herangeführt werden? Dabei gibt es folgende Abstufungen: Zunächst kommt ein bloßes Anstellungsverhältnis in Betracht. Perspektivisch sollte über die Bestellung zum Prokuristen oder Mitgeschäftsführer nachgedacht werden. Die Überlassung einer Beteiligung an dem Unternehmen kommt dagegen erst in Betracht, wenn das Gesamtkonzept belastbar ist.
Es kann aber auch sinnvoll sein, zunächst die weitere Entwicklung abzuwarten. Vielleicht lässt sich derzeit noch nicht abschätzen, ob die Tochter oder der Sohn als Nachfolger geeignet sind. Wenn die Kinder noch jünger sind, könnte mit ihnen vereinbart werden, dass sie vor dem Eintritt in den elterlichen Betrieb eine Berufsausbildung oder ein Studium abschließen. Man sollte sich die Frage der Nachfolge dann jährlich auf „Wiedervorlage“ legen.
Es gibt aber auch Konstellationen, in denen es sinnvoll ist, die künftige Geschäftsführung einem Mitgesellschafter oder dessen Nachfolgern zu überlassen. Dies ist dann der Fall, wenn es sich dabei um kompetente Personen handelt, denen der bisherige Mitinhaber zutraut, dass sie das gemeinsame Geschäft erfolgreich in die Zukunft führen. In einer solchen Situation könnte es sinnvoll sein, die Beteiligung an den Mitgesellschafter zu verkaufen. Dies erlaubt es dem Unternehmer, den eigenen Ruhestand abzusichern und seine Familie finanziell zu unterstützen. Sofern der Unternehmer
dem Nachfolger zutraut, das Unternehmen erfolgreich fortzuführen, könnte es auch sinnvoll sein, sich aus der Geschäftsführung zurückzuziehen, aber die Beteiligung an dem Unternehmen zu behalten. Er könnte ggf. eine Beratungs- und Kontrollfunktion im Rahmen eines Aufsichts-oder Beirats übernehmen.
Plan B
Leider klappt die Nachfolge nicht in allen Fällen. Die Temperamente unterschiedlicher Generationen sind ebenso verschieden wie möglicherweise die Vorstellungen über die Zukunft des Unternehmens. Hier geht es um so zentrale Fragen wie etwa, welche Unternehmensstrategie zukunftsfähig ist. Daher ist es wichtig, den designierten Nachfolgern ausreichenden Spielraum im täglichen Geschäft zu geben, damit sie sich entwickeln können. Auf der anderen Seite sollte der Unternehmer bis zu seinem vollständigen Ausscheiden aus dem Unternehmen eine Veto-Position bei grundlegenden Entscheidungen behalten. Es geht darum, fair miteinander umzugehen, damit die persönliche Beziehung selbst dann möglichst wenig beeinträchtigt wird, wenn es sich als erforderlich erweist, sich von dem Nachfolger wieder zu trennen.
Verkauf
Sofern es keine geeigneten Nachfolger gibt, sollte ein Unternehmer über einen Verkauf seines Unternehmens nachdenken, solange er noch voll leistungsfähig ist. Er erzielt dann für das Unternehmen einen besseren Preis, als wenn er zu lange abwartet. Die Suche nach möglichen Erwerbern sollte aber sehr diskret erfolgen, da es die Verhandlungsposition des Verkäufers schwächt, wenn seine Verkaufsabsicht zu früh bekannt wird. Es kann in diesem Zusammenhang sinnvoll sein, einen sogenannten M&A-Berater zu kontaktieren, der den Markt kennt und mögliche Käufer ansprechen kann. Ein solcher Berater kann auch wertvolles Feedback zu dem Unternehmen geben. Wo sieht er die Stärken und Schwächen? Welche Anpassungen sollten im Vorfeld des Verkaufs erfolgen, um einen optimalen Kaufpreis zu erzielen? Es kann sich dabei sowohl um Änderungen von Betriebsabläufen als auch der rechtlichen Struktur handeln. Und nicht zuletzt: Welchen Kaufpreis hält der Berater für realistisch? Eine Unternehmensbewertung gehört regelmäßig zum Leistungsspektrum eines M&A-Beraters. Die Auswahl eines solchen Dienstleisters sollte sorgfältig erfolgen. Welche Referenzprojekte kann er vorweisen?
Sofern es Mitgesellschafter gibt, muss um ihre Zustimmung zu dem gemeinsamen Verkauf und um ihre Mitwirkung geworben werden. Wenn es auch bei den Mitgesellschaftern keine Person gibt, die perspektivisch als Nachfolger geeignet ist, werden sie vermutlich ähnliche Überlegungen anstellen, sodass sie einer gemeinsamen Veräußerung gegenüber offen sein sollten.
Dabei ist zu bedenken, dass der Verkauf eines Unternehmens einen erheblichen zeitlichen Vorlauf benötigt, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Man sollte bei einem mittelständischen Unternehmen von einem Zeitraum von ein bis zwei Jahren ausgehen.
Sowohl die möglicherweise notwendige rechtliche Umstrukturierung als auch der Verkaufsprozess binden erhebliche Management-Ressourcen. Unternehmer sollten deshalb vermeiden, dass beides zeitgleich umgesetzt werden muss. Möglicherweise ergibt sich unerwartet eine interessante Chance für einen Verkauf. Die rechtliche Struktur des Unternehmens sollte deshalb frühzeitig auf einen Verkauf vorbereitet werden. Wichtig ist es dabei, die steuerlichen Aspekte im Blick zu haben.
Fazit
Machen Sie sich frühzeitig darüber Gedanken, wie es mit Ihrem Unternehmen weitergehen soll. Besonders wichtig ist eine offene und ehrliche Kommunikation mit Ihrem Umfeld und dabei insbesondere mit dem Ehepartner. Bedenken Sie, dass der Aufbau eines Nachfolgers viel Zeit beansprucht. Sofern weder Sie noch ihre Mitgesellschafter über einen geeigneten Nachfolger verfügen, sollten Sie rechtzeitig über einen Verkauf nachdenken.
Dr. Thomas Winkemann
Rechtsanwalt, Steuerberater
und Notar der Wirtschaftssozietät
GÖRG
E-Mail: twinkemann@goerg.de