Unternehmensnachfolge in Kleinbetrieben: Wenn Persönlichkeit und Vertrauen den Betrieb tragen

Die meisten GmbHs sind Kleinbetriebe. Und in diesen hängt der Erfolg oft weniger von Produkten, Prozessen, Leistungsmerkmalen oder Märkten ab als vielmehr von Menschen – meistens sogar nur von einem Menschen, dem Inhaber. Viele dieser inhabergeführten Unternehmen, die über Jahre oder gar Jahrzehnte auf der Persönlichkeit, dem Netzwerk und dem Vertrauenskapital ihres Gründers aufbauen, stehen beim Thema Unternehmensnachfolge vor einer besonderen Herausforderung: Sie müssen mehr als nur den Besitz übergeben – sie müssen eine Identität übertragen. Nicht Maschinen, Anlagen und Bilanzen stehen im Fokus, sondern Reputation und Vertrauen. Die Kundenliste ist keine Datei, sondern gemeinsam erlebte Geschichte.

Vertrauensanker droht zu brechen

Gerade im Handwerk, in Beratungsberufen oder im regionalen Dienstleistungssektor ist das Vertrauen der Kunden oft untrennbar mit dem Inhaber verbunden. Die Kundschaft kauft nicht nur eine Leistung, sondern das persönliche Engagement, die individuelle Handschrift und den Charakter des Unternehmers. Wenn dieser sich zurückzieht, droht der Vertrauensanker zu brechen – mit spürbaren Folgen für Auftragslage, Mitarbeiterbindung und Marktposition.

Nachfolge mit Fingerspitzengefühl

Wer eine Nachfolge in einer solchen Konstellation plant, sollte frühzeitig anerkennen, dass Menschen und deren Geschichten im Mittelpunkt stehen. Der Nachfolger muss nicht nur fachlich qualifiziert sein, sondern auch emotional anschlussfähig. Sympathie, Authentizität und Kommunikationsfähigkeit sind ebenso entscheidend wie betriebswirtschaftliches Know-how. Ein guter Übergang gelingt selten durch rein juristische oder steuerliche Planung – er erfordert Beziehungsarbeit. Und dies je mehr, desto stärker das eigentliche Geschäftsmodell der Inhaber selbst ist. Nachfolgen sind in solchen Betrieben durchaus möglich, aber sie erfordern ein ganz anderes Fingerspitzengefühl.

Implizites Wissen statt fester Prozesse

Dazu gehört, dass der scheidende Unternehmer sein Wissen und seine Beziehungen systematisch weitergibt. Viele kleine Betriebe leben von implizitem Wissen: von Abläufen, Kontakten und Erfahrungswerten, die nie schriftlich fixiert wurden. Eine strukturierte Wissensübergabe, begleitet durch klare Verantwortlichkeiten und ausreichend Zeit, ist deshalb unverzichtbar.

Der Altinhaber als Türöffner

Idealerweise wird der Nachfolger schrittweise eingeführt. Ein gemeinsames Auftreten in der Öffentlichkeit, die begleitete Einführung bei Kunden oder ein sukzessiver Rückzug des Inhabers ermöglichen es, Vertrauen organisch wachsen zu lassen. In der Praxis bedeutet das: Der bisherige Inhaber bleibt oft noch eine ganze Weile beratend tätig oder steht als „Türöffner“ zur Verfügung, bis die neue Führung akzeptiert ist.

Sowohl vor der formalen Übergabe als auch längere Zeit danach ist der Altinhaber gefordert. Ein Rückzug, und sei er noch so sehnsuchtsvoll erwartet, kann erst erfolgen, wenn bei jedem Kunden, bei jedem Lieferanten und bei jedem Partner die Gewissheit gereift ist, beim neuen Eigentümer ebenso gut aufgehoben zu sein wie beim alten. Fehlt diese Gewissheit, kann es gravierende Folgen haben.

Alternative Bezahloptionen

Viele Unternehmer – und leider auch viele Nachfolgeberater – betrachten die Nachfolge primär als Verkaufsprozess. Doch die rein finanzielle und administrative Perspektive greift zu kurz. Ein zu hoher Kaufpreis kann den Nachfolger wirtschaftlich überfordern – und damit die Zukunft des Unternehmens gefährden. Dabei muss man wissen, dass gerade Unternehmen, die stark von einer Persönlichkeit abhängen, oft geringere Verkaufspreise erzielen, eben weil menschliche Beziehungen objektiv so schwer zu bewerten sind. Alternative Bezahloptionen, etwa spätere, nachlaufende Umsatz- oder Gewinnbeteiligungen, parallele Beratungsmandate oder bezahltes Mentoring sind hier denkbare Optionen, die zudem den Alteigentümer weiter an das Unternehmen binden.

Schatz gemeinsam heben

Und doch sind Beziehungen immens wertvolle „Assets“. Sie sind ein Schatz, den der Alt-Unternehmer mit dem Käufer gemeinsam heben muss. Umso wichtiger ist, nicht nur eine Unternehmung zu übertragen, sondern vor allem Werte, Kultur und Führungsstile. Das gelingt nur, wenn der Nachfolger zum Unternehmen passt – fachlich, aber auch menschlich – und wenn sich der Verkäufer die Zeit nimmt, die dieser Übergang erfordert.

Fünf Jahre vorher beginnen

Nachfolge ist kein Ereignis, sondern ein Prozess. Experten empfehlen, spätestens fünf Jahre vor dem geplanten Rückzug mit der Planung zu beginnen. So bleibt Zeit, geeignete Kandidaten zu finden, steuerliche und rechtliche Fragen zu klären, und vor allem: das Vertrauen aller Beteiligten – Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten – auf den neuen Kopf des Unternehmens zu lenken.

Lebenswerk sichern

Unternehmensnachfolge in inhabergeprägten Unternehmen ist eine der anspruchsvollsten Aufgaben im Mittelstand. Sie verlangt Weitsicht, Empathie und strategisches Denken. Wer sie als Chance begreift, kann nicht nur den Fortbestand seines Lebenswerks sichern, sondern die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens stärken, indem er aus einer starken Persönlichkeit eine starke Organisation formt.

Thorsten Luber

Thorsten Luber ist Diplom-Kaufmann sowie Gründer und Inhaber von Luber Consulting, einer spezialisierten Strategieberatung für den Mittelstand in der DACH-Region. Die Beratungsgebiete von Luber Consulting sind Existenzgründung, Wachstum, Strategie sowie Unternehmensnachfolge und Unternehmensverkauf. Das in Bonn ansässige Beratungsunternehmen hat mehrere Mitarbeiter und legt besonderen Wert auf eine nachhaltig wirksame Begleitung in Projekten.

Weitere Informationen unter: www.luber-consulting.com

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