Der Tag ist schon stressig, da kommt auch noch die Mail mit einer Kundenbeschwerde oder mit dem Brief vom gegnerischen Anwalt. Der Blutdruck geht hoch, im Kopf entsteht blitzschnell eine scharfe Antwort. Schon kann ein nerviges Hin und Her per E-Mail beginnen. Aber es geht auch anders, wie die Autoren Thomas Fischer und Ingo Leipner empfehlen: Speichern Sie die Mail, lehnen Sie sich zurück und lassen Sie über die Angelegenheit zunächst ein paar Bytes wachsen. Antworten Sie am nächsten Morgen präzise und unaufgeregt. Damit durchbrechen Sie einen Teufelskreislauf und reflektieren sich selbst. Das Autorenduo empfiehlt fünf Schritte.
1. Schritt: Schießen Sie nie sofort aus Ärger zurück
Sie haben gespürt, wie sich Ihr Magen verknotet, wie Ärger aufsteigt. So beginnt Selbstreflexion: mit der Wahrnehmung der Emotionen. Oft ist es hilfreich, automatische Reaktionsmuster bewusst zu unterbrechen. Die Autoren schreiben: „Selbstreflexion ist die menschliche Fähigkeit, über die eigene Situation nachzudenken.“ Um die notwendige „Distanz zu sich selbst“ zu gewinnen, hilft es, sich Zeit zu nehmen und die Emotionen abkühlen zu lassen.
2. Schritt: Führen Sie Tagebuch
Schreiben hilft über sich nachzudenken, denn die Hand ist langsamer als das Hirn. Und wenn Sie schon langsamer schreiben, dann versuchen Sie zudem genauer zu formulieren. Automatisch entsteht ein Raum zu größerer Selbstreflektion und mehr Handlungsfreiheit. Die Psychologie bezeichnet diese Strategie als „Desidentifikation“. Sie wählen bewusst eine Rolle, aus der Sie Ihr verärgertes Ich beobachten.
3. Schritt: Sie sind nicht Ihre Gefühle
Je stärker Sie sich von Ihren eskalierenden Emotionen lösen können, desto genauer können Sie Ihre Gefühle unter die Lupe zu nehmen und desto leichter können Sie sich von der Identifikation mit Ihren Emotionen lösen. Sie haben weiterhin Gefühle, aber Sie müssen sie nicht ausagieren. Sie können frei handeln.
4. Schritt: Nehmen Sie unterschiedliche Perspektiven ein
Ein Auto bietet verschiedene Perspektiven: von vorne, von der Seite, schräg. Betrachten Sie Ihr aktuelles Problem ebenso von verschiedenen Seiten, sonst sehen Sie eben nur einen Ausschnitt der ganzen Realität. Fischer und Leipner empfehlen diese 360-Grad-Betrachtung: Schauen Sie berufliche oder persönliche Probleme so vollständig wie möglich an. Auch hier: Sie bauen eine gewisse Distanz auf und bekommen so eine größere Selbstreflektion. Nach dem Motto: „Ach, so kann man das auch sehen!“ So erweitern Sie Ihren Horizont und finden angemessenere Lösungen.
5. Schritt: Versuchen Sie die Motive anderer Menschen zu verstehen
Mit der 360-Grad-Betrachtung verwandt ist die Technik, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Mit Empathie und Einfühlungsvermögen verstehen Sie die Motive anderer Menschen besser. Sie bekommen ein tieferes Verständnis für deren Situation und damit für die Gesamtsituation. Allerdings bedeutet Verständnis nicht unbedingt Zustimmung. Doch wenn Sie andere Menschen besser einschätzen, lassen sich Konflikte leichter bewältigen.
Die beiden Autoren empfehlen, die Selbstreflektion täglich zu trainieren. Dazu reichen fünf Minuten bei einer Tasse Kaffee in einer ruhigen Ecke. Auf diese Weise können Sie feststellen, was Sie gerade beschäftigt. Sie spüren Ihren Emotionen nach und lernen schrittweise, sich weniger von ihnen leiten zu lassen. Fischer und Leipner haben einen zweiten Tipp parat: Suchen Sie immer wieder das Gespräch mit Menschen, die nicht unbedingt Ihre Ansichten teilen. Zum einen schärfen Sie Ihre Selbstreflektion. Zum anderen stoßen Sie so immer wieder auf neue Perspektiven. Ein gemeinsamer Spaziergang im Wald bietet dafür eine anregende Umgebung.


Thomas Fischer ist Unternehmer sowie Psychologe und bietet Kurse zum Thema Führungspsychologie an.
Ingo Leipner ist Wirtschaftsjournalist und Buchautor.