Für die Frage, wann eine Tantieme einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer zugeflossen und damit auch von ihm zu versteuern ist, hat der BFH einen von der gesetzlichen Regelung (§ 11 EStG) abweichenden Zuflusszeitpunkt festgelegt: Die Tantieme gilt als zugeflossen am Tag nach der Feststellung des Jahresabschlusses. Wann sie ausgezahlt wird, ist unerheblich. Etwas anderes gilt nur dann, wenn vertraglich ein abweichender Auszahlungszeitpunkt vereinbart worden ist.
In einem Fall, den der BFH mit Urteil vom 12.7.2021 zu entscheiden hatte, hatte sich die Geschäftsführerin und beherrschende Gesellschafterin (Klägerin) einer GmbH auf eine solche abweichende Auszahlungsvereinbarung berufen. Sie lautete: „Der Anspruch auf Auszahlung der Tantieme wird aufgrund dieser Vereinbarung nicht mit Feststellung des Jahresabschlusses fällig zur Auszahlung, sondern nach gesonderter Aufforderung durch den Geschäftsführer unter Berücksichtigung der Zahlungsmöglichkeit.“
Die GmbH bildete in ihren Jahresabschlüssen wegen der Tantiemeansprüche der Klägerin Rückstellungen. In den Streitjahren ließ sich die Klägerin auf ihre Tantiemeansprüche Teilbeträge in Höhe von 6.720 Euro (2013) und 10.000 Euro (2014) auszahlen.
Das Finanzamt berücksichtigte im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre neben den ausgezahlten Tantiemen auch die nicht ausgezahlten Teilbeträge der Tantiemeansprüche als Arbeitslohn der Klägerin. Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen erhobene Klage ab. Auf die abweichende Fälligkeitsabrede in der Tantiemevereinbarung könne sich die Klägerin nicht berufen. Sie habe auch hiernach jederzeit die Auszahlung der Tantieme durch eine einfache Zahlungsaufforderung geltend machen und durchsetzen können.
So wie bereits das FG, beruft sich der BFH auf seine „ständige Rechtsprechung“, wonach Vergütungen einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer bereits dann zugeflossen sind, wenn sie fällig sind. Denn dann habe es der Gesellschafter-Geschäftsführer regelmäßig in der Hand, sich diese Vergütung auszahlen zu lassen.
Sodann beschäftigt sich der BFH mit der im Urteilsfall getroffenen Auszahlungsvereinbarung. Er kommt – ebenso wie das FG – zu dem Ergebnis, dass sich aus dieser Vereinbarung keine abweichende Fälligkeit entnehmen lasse. Die Klägerin konnte also allein den Fälligkeitszeitpunkt des Tantiemeanspruchs bestimmen und damit wirtschaftlich darüber verfügen. Das reiche für den Zufluss bei der Klägerin aus.
Wollen beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer den Zufluss mit der Feststellung des Jahresabschlusses vermeiden, haben sie folgende Möglichkeiten: (1) Sie zögern die Feststellung solange hinaus, bis die Auszahlung der Tantieme problemlos möglich ist. (2) Sie bestimmen in ihrem Dienstvertrag einen konkreten Auszahlungstermin (z.B. drei Monate nach Feststellung des Jahresabschlusses), bis zu dem die GmbH die nötige Liquidität ansammeln kann.