Tantieme: Wann fließt sie einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer zu?

Mit dieser Frage hatte sich das Finanzgericht Baden-Württemberg in einem Urteil zu beschäftigen. Im Urteilsfall war A als Kläger beherrschender Gesellschafter und Geschäftsführer der A-GmbH. Der Geschäftsführervertrag bestimmt, dass er für seine Tätigkeit ein monatliches Bruttogehalt erhält. Darüber hinaus erhält er eine Tantieme in Höhe von 20 Prozent des Jahresgewinns der Gesellschaft, welche einen Monat nach Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung auszuzahlen ist.

In den Streitjahren wurden die Tantiemen dem Kläger nicht ausgezahlt. Eine Passivierung durch die GmbH erfolgte ebenfalls nicht. Bei einer Außenprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, dass bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer eine Tantieme zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung als zugeflossen gelte. Es sei dabei nicht entscheidend, ob eine Auszahlung tatsächlich erfolgt sei, da es der Gesellschafter-Geschäftsführer selbst in der Hand habe, sich die Tantieme auszahlen zu lassen.

Die Klage hatte Erfolg. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, tritt der Zufluss mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht ein. In der Regel fließen Geldbeträge dadurch zu, dass sie dem Empfänger bar ausbezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden. Bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern kann ein Zufluss von Einnahmen allerdings auch ohne Zahlung oder Gutschrift bereits früher vorliegen. Danach fließt dem alleinigen oder jedenfalls beherrschenden Gesellschafter eine eindeutige und unbestrittene Forderung gegen „seine“ Kapitalgesellschaft bereits mit deren Fälligkeit zu. Denn ein beherrschender Gesellschafter habe es regelmäßig in der Hand, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist.

Allerdings werden von dieser Zuflussfiktion nur Gehaltsbeträge und sonstige Vergütungen erfasst, die die Kapitalgesellschaft den sie beherrschenden Gesellschaftern schuldet und die sich bei der Ermittlung des Einkommens der Kapitalgesellschaft ausgewirkt haben. Gemessen an diesen Grundsätzen liegt bei Würdigung der Gesamtumstände des Sachverhalts kein Zufluss von Arbeitslohn in Form von Tantiemen vor.

Der Auffassung der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 12.5.2014, die darauf abstellt, dass die Verbindlichkeit nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung hätte berücksichtigt werden müssen, folgt der Senat nicht. Wie das BFH-Urteil vom 28.4.2020 zeigt, kommt es für die Beurteilung, ob ein Zufluss fingiert werden kann, auf die tatsächliche Handhabung an.

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