Das Bundesozialgericht hat sich in einem seiner neuen Urteile nunmehr auch zur sozialversicherungsrechtlichen Stellung eines Mehrheitsgesellschafters, der nicht als Geschäftsführer bestellt wurde, befasst (Bundessozialgericht, Urteil vom 12.5.2020, Az. B 12 KR 30/19 R). Danach können mitarbeitende Gesellschafter ohne Geschäftsführerfunktion im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung eine Versicherungspflicht zur gesetzlichen Sozialversicherung begründen.
Mitarbeitende Gesellschafter ohne Geschäftsführerfunktion
Bisher hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch für mitarbeitende Gesellschafter, die nicht zum Geschäftsführer bestellt sind, das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung im Sinne der gesetzlichen Sozialversicherung ausgeschlossen, wenn der mitarbeitende Gesellschafter ebenfalls maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft hat.
Diese Situation ist gegeben, wenn der mitarbeitende Gesellschafter Mehrheitsgesellschafter ist und die Beschlüsse der Gesellschaft nach der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden (§ 47 Abs. 1 GmbHG), soweit sich das Stimmrecht des einzelnen Gesellschafters dabei nach der Höhe seiner Geschäftsanteile richtet (§ 47 Abs. 2 GmbHG).
Seine Abhängigkeit als Arbeitnehmer kann er aufgrund seiner Rechtsmacht jederzeit beenden, indem er einen ändernden Mehrheitsbeschluss herbeiführt.
BSG, Urteil vom 12.5.2020, Az. B 12 KR 30/19 R
Das BSG hat in seinem Urteil vom 12.5.2020 die bisherige Rechtsprechung dahingehend konkretisiert, dass auch ein mitarbeitender Mehrheitsgesellschafter ohne Geschäftsführerfunktion im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung im Sinne der Sozialversicherung tätig sein kann. Diese liegt vor, wenn für die Bestellung und Abberufung sowie die Ausgestaltung der Tätigkeit der Geschäftsführer über den Gesellschaftsvertrag als Satzung gesellschaftsrechtliche Einschränkungen bestehen.
Und zwar, wenn es dem Mehrheitsgesellschafter nicht erlaubt ist, durch Herbeiführung eines Gesellschafterbeschlusses eine eventuell eigene Abhängigkeit jederzeit beenden zu können.
Im entschiedenen Fall war die mitarbeitende Mehrheitsgesellschafterin mit 70% am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt. Da dem Geschäftsführer in Zusammenhang mit der Führung der laufenden Geschäfte auch das arbeitgeberseitige Direktionsrecht im Sinne von § 106 der Gewerbeordnung zusteht, unterlag die mitarbeitende Mehrheitsgesellschafterin insoweit auch dem Weisungsrecht des Geschäftsführers. Sie war nicht in der Lage, diese Weisungen zu verhindern, da entsprechend des Gesellschaftsvertrags für alle Beschlüsse, die die Geschäftsführung betreffen, eine Mehrheit von 75 von 100 der Stimmen aller Gesellschafter fordert. Die Mehrheitsgesellschafterin stand demnach in einer abhängigen Beschäftigung zur Gesellschaft.
Fazit
Die abhängige Beschäftigung eines Gesellschafters einer GmbH, der nicht zum Geschäftsführer bestellt ist, ist demnach ausgeschlossen, wenn das regelmäßig der Geschäftsführung zugewiesene Weisungsrecht über die Beschäftigten im Gesellschaftsvertrag ihm gegenüber im Wesentlichen ausgeschlossen ist oder er kraft seiner Gesellschaftsanteile in der Lage ist, eine entsprechende Änderung des Gesellschaftsvertrags herbeizuführen.
Die Autorin Melanie Guttmann ist seit über 25 Jahren im Bereich der gesetzlichen Sozialversicherung tätig. Durch ihre Beschäftigung bei Krankenkassen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, konnte sie ihr Wissen im Bereich des nationalen und internationalen Beitrags und Versicherungsrecht ausbauen und umfassende Kenntnisse bei der Beratung von spezifischen sozialrechtlichen Sachverhalten ebenso, wie über die Begleitung von Betriebsprüfungen der Deutschen Rentenversicherung, bei Mandanten gewinnen. Im Oktober 2019 erfolgte ihr Beitritt zur DORNBACH Gruppe.