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Scheinselbstständigkeit (2): Lohnsteuerliche Konsequenzen einer Falschbeurteilung

Auch im Steuerrecht haben die FG eigene Maßstäbe für die Beurteilung einer Scheinselbstständigkeit entwickelt. Eine vorherige arbeits- oder sozialversicherungsrechtliche Einordnung eines Beschäftigten als freier Mitarbeiter hat keine Bindungswirkung für die steuerrechtliche Prüfung.

Maßgeblich für die Beurteilung, ob das Entgelt des freien Mitarbeiters dem Lohnsteuerabzug zu unterwerfen ist, ist die Einstufung der Tätigkeit als selbstständig oder nicht selbstständig. Von einer nicht selbstständigen Tätigkeit ist auszugehen, wenn der Mitarbeiter in der Betätigung seines geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers (der Gesellschaft) steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist, während ein Selbstständiger Lieferungen und sonstige Leistungen innerhalb der von ihm selbstständig ausgeübten gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit gegen Entgelt erbringt. Im Rahmen der steuerrechtlichen Beurteilung kommt es insbesondere auf die Unternehmerinitiative und das Unternehmerrisiko des freien Mitarbeiters an, die im Arbeits- bzw. Sozialrecht nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Im Hinblick auf die Unternehmerinitiative ist erforderlich, dass der freie Mitarbeiter seine Arbeitsleistung auf dem freien Markt anbietet und somit auch andere Kunden neben dem Auftraggeber die Möglichkeit haben, diesen zu beauftragen. Problematisch ist daher die Tätigkeit für nur einen Auftraggeber, insbesondere, wenn für diesen zuvor dieselben Arbeitsleistungen als Arbeitnehmer erbracht wurden.

Das Unternehmerrisiko kann auch als Entgeltrisiko bezeichnet werden. Erhält der freie Mitarbeiter bei Ausfallzeiten wegen Arbeitsunfähigkeit, Urlaub oder Ähnlichem kein Entgelt, oder wird dieses bei Schlechtleistung gemindert, spricht dies für eine selbstständige Tätigkeit. Indiz für eine abhängige Beschäftigung im steuerrechtlichen Sinne sind daher Verpflichtungen des Auftraggebers, bei Krankheit oder unabhängig von der erbrachten Leistung das volle Honorar zu zahlen.

Ergänzend sind die arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Kriterien heranzuziehen. Dazu gehören z.B. die persönliche Abhängigkeit des „freien“ Mitarbeiters vom Auftraggeber und die Weisungsgebundenheit. Folge der Scheinselbstständigkeit im lohnsteuerrechtlichen Sinne ist, dass der Auftraggeber gegen die ihm – wegen der tatsächlich zu verneinenden Selbstständigkeit des Beschäftigten – obliegende Pflicht zu Einbehaltung, Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer vom Arbeitsentgelt des Beschäftigten verstoßen hat. Dies führt zu einer gesamtschuldnerischen Haftung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer für die bisher nicht abgeführte Lohnsteuer, wobei der Arbeitnehmer nur in Anspruch genommen werden kann, wenn er weiß, dass der Arbeitgeber die einbehaltene Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig angemeldet hat (§ 42d Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 EStG). Will der Auftraggeber eine Haftung für nicht abgeführte Lohnsteuer vermeiden, kann er sich mit einer Anrufungsauskunft (§ 42e EStG) an sein Betriebsstätten-FA wenden.

Stand: 17.06.2021 11:51