Risiken managen: Zahlungsausfälle nehmen zu

Die Unternehmen haben gleich mit mehreren Krisen zu kämpfen. Gleichzeitig verharren die Insolvenzahlen auf einem historisch niedrigen Niveau. Noch, muss man sagen. Denn die Anzeichen für eine deutliche Verschlechterung der Situation nehmen zu. Worauf Unternehmen jetzt achten sollten.

Und wieder verschwindet ein Unternehmen vom Markt. „Bäckerei Knipp schließt nach 125 Jahren“, meldete der Bonner „General-Anzeiger“ Mitte September. Die Söhne würden den Betrieb nicht in fünfter Generation fortführen wollen, hieß es in dem Beitrag. Doch offenbar ist das nur einer der Gründe für die Schließung. Laut dem Bericht habe die Pandemie dem Unternehmen zugesetzt, und nun seien die stark gestiegenen Energiepreise hinzugekommen. Meldungen wie diese könnten in nächster Zeit häufiger zu lesen sein. Denn im Herbst wird es für die Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger äußerst ungemütlich. „Eine Inflationsrate von zehn Prozent ist im Herbst möglich“, wird der Präsident der Deutschen Bundesbank zitiert. Mit der steigenden Inflation verlieren Ersparnisse an Wert, Löhne hinken hinterher und manche Betriebe wissen nicht mehr, wie sie ihren Einkauf finanzieren sollen und wie sie ihre hohen Preise am Markt durchsetzen können. Einer der wesentlichen Inflationstreiber: die rasant gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise.

Die Medien berichten bereits von ersten Unternehmen, die ihre Produktion herunterfahren, um die Energiekosten in den Griff zu bekommen. Weiterhin vielfach gestörte Lieferketten setzen viele Unternehmen zusätzlich unter Druck. Manche Branchen, etwa die Gastronomie und einige Sektoren im Handwerk, leiden zudem unter so akutem Fachkräftemangel, dass sie Öffnungszeiten verkürzen und Aufträge ablehnen müssen.

Das alles hat Folgen. Wie eine aktuelle Auswertung der Zahlungserfahrungen aus dem Debitorenregister Deutschland von Creditreform zeigt, ist die Anzahl überfälliger Rechnungen in den vergangenen Wochen stark angestiegen, und zwar auf momentan 2,12 Millionen. Das ist ein Plus von fast zwölf Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitpunkt, zu dem 1,9 Millionen überfällige Rechnungen registriert wurden. Bei Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 waren es sogar nur 1,67 Millionen. Auch die Zahl der Unternehmen, die überfällig zahlen, nahm zuletzt stark zu. Sie stieg von knapp 250.600 im Vorjahr auf nunmehr fast 284.400. Dies ist eine Zunahme von 13,5 Prozent. Zu Beginn der Corona-Krise lag die Zahl noch bei gut 222.400.

Diese Entwicklung steht in merkwürdigem Gegensatz zu den historisch niedrigen Insolvenzen. Doch wie ein Blick über die Landesgrenzen zeigt, könnte sich dieser Gegensatz bald auflösen. Denn in Österreich ist eingetreten, was in Deutschland wohl bevorsteht: Laut Creditreform Österreich haben dort die Insolvenzen von Unternehmen deutlich zugenommen. So kam es in der Alpenrepublik im ersten Halbjahr 2022 zu 2.429 Unternehmensinsolvenzen – gegenüber den ersten sechs Monaten des Jahres 2021 bedeutet dies ein Plus von 121 Prozent.

Was tun, wenn Zahlungen nicht kommen?

In einer solchen Situation stellt sich jedem verantwortungsvollen Unternehmer und jedem verantwortungsvollen Unternehmen die Frage, wie sich verhindern lässt, dass der eigene Betrieb durch Ausfälle von Lieferanten oder durch Zahlungsverzögerungen oder gar Zahlungsausfälle aufseiten der Abnehmer in finanzielle Schieflage gerät. Was also tun, wenn die eigenen Geschäftspartner zu den knapp 300.000 Unternehmen zählen, die überfällig zahlen?

Wenn man sich anschaut, wie zögerlich immer noch zahlreiche Betriebe ihre Leistungen in Rechnung stellen, wie lasch bisweilen die Zahlungsziele aussehen und wie häufig es kein konsequentes Forderungsmanagement gibt, könnte man meinen, späte oder ausfallende Zahlungseingänge seien eine zu vernachlässigende Größe.

Eine einfache Rechnung entlarvt diese Annahme als mindestens fahrlässig. Nehmen wir an, die Muster GmbH erzielt einen Jahresumsatz von einer Million Euro. Die Umsatzrendite beträgt zwei Prozent, der Gewinn liegt also bei 20.00 Euro. Um nun einen Forderungsausfall von nur 0,5 Prozent des Umsatzes, also 5.000 Euro ausgleichen zu können, müsste die Muster GmbH ihren Umsatz um 250.000 Euro, also 25 Prozent steigern.

Und selbst wenn Zahlungen verspätet doch noch eingehen, kann das auf Dauer zur Schieflage führen. Denn man ist dann permanent genötigt, in Vorleistung zu gehen, um seinerseits Verbindlichkeiten zu bedienen. Dies kann in erheblichem Maß Kapital binden, das an anderer Stelle fehlt – beispielsweise zur Begleichung der enormen Energiekosten.

Deshalb gilt: „Gerade jetzt kommt es für alle aktiven und verantwortungsvoll agierenden Unternehmen darauf an, das Risiko von Forderungsausfällen zu reduzieren“, betont Jörg Rossen, Geschäftsführer der Creditreform Bonn Trier Rossen Eberhard GmbH & Co. KG in Bonn. Selbst langjährige und verlässliche Geschäftspartner könnten durch die anhaltende, multiple Wirtschaftskrise in Schieflage geraten sein.

Geschäftspartner überprüfen

Was also können Unternehmen konkret tun? „Die Lage sehr genau beobachten“, rät Rossen. Das heißt: das Zahlungsverhalten aller wichtigen Abnehmer und Lieferanten genau prüfen. „Je genauer Firmen ihre Geschäftspartner einschätzen und Risiken erkennen können“, weiß Rossen, „desto mehr Möglichkeiten haben sie, ihre Risiken zu steuern und zu reduzieren.“

Viele Unternehmen würden den umfassenden Creditreform-Service nutzen, um Neukunden zu überprüfen. Bei bestehenden Geschäftsbeziehungen hingegen herrsche bisweilen Zurückhaltung. „Dabei sollte das gerade in Krisenzeiten selbstverständlich sein“, unterstreicht Rossen. Er rät dringend, sich auch über Bestandskunden detailliert zu informieren und alle relevanten Informationen zusammenzutragen – die von Auskunfteien wie der Creditreform ebenso wie die der eigenen Vertriebsabteilung, die mit den Kunden im Gespräch ist. Auch die Ausfallwahrscheinlichkeit lässt sich bestimmen – von der verzögerten Zahlung oder Lieferung über die Nichtzahlung oder -lieferung bis zur Insolvenz. Das alles sollte in ein Kunden- und Kreditmanagement als Teil des Risikomanagements einfließen – frühzeitig und systematisch. Creditreform empfiehlt, den gesamten Kunden- und Lieferantenbestand zu überprüfen, mindestens jedoch die Partner mit hohem Auftragsvolumen und damit Risiko.

Gleichzeitig sollten Unternehmen sämtliche offenen Posten einer schnellen, aber genauen Prüfung unterziehen. „Wichtig ist ein straffes Forderungsmanagement und Mahnwesen“, sagt Moritz von Padberg, Geschäftsführer der Creditreform Köln v. Padberg GmbH & Co. KG in Köln. Firmen sollten sofort nach Leistungserbringung die jeweilige Rechnung stellen und dabei unbedingt auf die korrekte und vollständige Aufzählung ihrer erbrachten Leistungen und der vereinbarten Preise achten – und natürlich auf die Zahlungseingänge.

Trotzdem kommt es immer wieder zu Zahlungsverzögerungen und -ausfällen. Deshalb: Keine Scheu vor schriftlichen Mahnungen. Sie dokumentieren den Zahlungsanspruch und verleihen einer Forderung Nachdruck. Zwei Mahnstufen genügen: „Erinnerung“ und „Letzte Mahnung“. Außerdem sollte eine Liefer- oder Leistungssperre als mögliche Folge an den Schuldner kommuniziert werden. Wird nicht gezahlt, kann man Kontakt aufnehmen und versuchen, strittige Punkte telefonisch zu klären. „Führt das zu keinem Ergebnis, sollte man anschließend unverzüglich einen Inkassodienstleister wie Creditreform und bei strittigen Forderungen eine Anwaltskanzlei mit dem Forderungseinzug beauftragen“, rät Padberg.

Den Zeitfaktor nutzen

Die Zeiten sind turbulent. Auch viele im Grunde gesunde Unternehmen sind von gestörten Lieferketten, steigenden Energiepreisen und zunehmender Inflation betroffen – oder geraten jetzt in die Krise, weil Kunden und einst verlässliche Geschäftspartner ausfallen. Stichwort „Zweitrundeneffekt“. Was können sie in diesem Fall – außer einem konsequenten Risikomanagement – tun? Schließlich sind und bleiben sie ja ihrerseits von Finanzierungspartnern und ihrem guten Namen abhängig. Bei ihrer Bonitätsbewertung von Unternehmen sind Wirtschaftsauskunfteien wie Creditreform strengen Regeln unterworfen. „Creditreform kann deshalb auch und gerade in diesen von Unsicherheit geprägten Zeiten eine Positiv-Bewertung nicht per se zusichern“, unterstreicht Rossen. „Aber wir informieren unsere Kunden auf Wunsch laufend über die Veränderungen ihrer Bonität, sodass sie den Zeitfaktor für sich nutzen und bei eventuellen Veränderungen schnell Gegenmaßnahmen einleiten können.“ Viele Firmen hätten in den vergangenen zwei Jahren diese Selbstauskunft angefordert. „Auf dieser Basis können wir auch miteinander reden“, sagt Padberg. „Wir messen das reale Risiko – aber verantwortungsbewusst und mit Augenmaß.“ Deshalb sollten umsichtige Unternehmen frühzeitig und regelmäßig das Gespräch suchen und transparent kommunizieren.

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