!
Startseite / Themen / Personal & Weiterbildung / Resilienz im Coaching stärken: Selbstwirksamer mit Krisen umgehen

Resilienz im Coaching stärken: Selbstwirksamer mit Krisen umgehen

In der von Unsicherheiten geprägten Arbeitswelt kommt es auf die Resilienz als entscheidende Ressource für den Umgang mit Belastungen und Unvorgesehenem an. Die gute Nachricht: Resilienz lässt sich trainieren. Durch Coaching wird die Selbstwirksamkeit gestärkt.

Drucksituationen im Berufsalltag, gepaart mit hohen Anforderungen an sich selbst überfordern viele Menschen. Turbulenzen im privaten Bereich kommen erschwerend hinzu. Um mit solchen herausfordernden Situationen umgehen zu können und stark und gesund zu bleiben, brauchen Menschen Resilienz, sprich eine innere Widerstandskraft. Wer resilient ist, kann sich nach erlebten Krisen schnell wieder erholen, blickt optimistisch in die Zukunft, ist veränderungsbereit und entwickelt die Fähigkeit, lösungsorientiert zu handeln und sich dadurch weiterzuentwickeln.

Coaching-Prozess mit Interventionen

Zur Entwicklung von Resilienz tragen unterschiedliche Faktoren bei. Das Gute ist: Viele davon sind Kompetenzen, die sich entwickeln und systematisch trainieren lassen. So können wir gezielt am Aufbau von Ressourcen arbeiten und gleichzeitig Belastungen abbauen. Genau um diese Dinge geht es in dem Coaching: Anhand ausgewählter Kompetenzfelder (siehe Kasten) wird der Umgang mit Stress und Krisen reflektiert. Das Coaching baut auf dem Resilienz-Zirkeltraining nach dem Bambus-Prinzip von Ella Gabriele Amann, Co-Gründerin des Berliner ResilienzForums, auf. Das Zirkeltraining kann flexibel genutzt werden: Der Coachee kann an den Kompetenzfeldern arbeiten, die für ihn bedeutsam sind. Der Bambus dient als Symbol für Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. Beide Fähigkeiten sind Voraussetzung dafür, selbstwirksamer mit Belastungen oder einer Krise umgehen zu können. Das folgende Fallbeispiel beschreibt den Ablauf eines Coaching-Prozesses.

Sabine Ahlers (Name von der Redaktion geändert), Einkaufsleiterin in einem internationalen Unternehmen, führt ein achtköpfiges Team. Diese Tätigkeit hat sie seit über 15 Jahren zwar durchaus erfolgreich ausgeübt, doch mittlerweile fühlt sie sich immer kraftloser bis hin zur Handlungsunfähigkeit. Die Führungskraft sieht sich mit mehreren schwierigen Themen konfrontiert: Das Team kam seit Corona nur noch virtuell zusammen und schien auseinander zu driften. Sabine Ahlers warf sich vor, das Team nicht zusammenhalten und für eine motivierende Stimmung sorgen zu können. Ein Vorfall, bei dem sich das Team geschlossen direkt an die Geschäftsleitung wendete, ohne sie zu involvieren oder auch nur zu informieren, beschäftigte sie besonders. Sie fühlte sich hintergangen, ausgegrenzt und als Führungskraft nicht mehr ernst genommen. Privat kümmerte sie sich um ihren depressiven Partner und ihren fast 90-jährigen Vater und hatte demzufolge kaum noch Zeit für sich selbst. Seit Kurzem litt sie unter Nacken- und Armschmerzen und war damit in Behandlung.

Resilienz erfordert einen guten Umgang mit Gefühlen

Zu Beginn des Coaching-Prozesses ging es zunächst darum, ein Zielbild zu entwickeln. Sabine Ahlers formulierte es so: Mithilfe des Coachings sollen aktuelle Belastungen gemindert werden. Für zukünftige Stressbelastungen und Krisen will sie mental besser vorbereitet sein, um langfristig angemessener damit umgehen zu können. Als Einstiegsintervention entschied sich der Coach für die Ressourcendusche: Diese dient der Stärkung aller acht Kompetenzfelder der Resilienz, um schnell wieder zu Kräften zu kommen. Nachdem der Coach die Arbeit mit den Kompetenzfeldern im Rahmen des Resilienz-Zirkeltrainings vorgestellt hatte, wählte der Coachee die folgenden fünf Kompetenzfelder aus: Selbstverantwortung und Gestaltungskraft; Akzeptanz und Realitätsbezug; Zukunftsgestaltung, Wert und Visionen; Beziehungsgestaltung und Netzwerkpflege sowie Selbstregulation und Selbstfürsorge. Letzteres Feld hatte sich im Laufe des Coaching-Prozesses ergeben. An diesem wollte sie schwerpunktmäßig arbeiten, da es ihr besonders schwerfiel, ihre Gefühle gegenüber anderen zu zeigen. Das brachte sie regelmäßig an ihre Belastungsgrenze.

Innere Antreiber und Erlauber

Für die Arbeit am Kompetenzfeld Selbstregulation wählte der Coach gemeinsam mit dem Coachee das Antreibermodell (siehe Kasten) aus, das ursprünglich aus der Transaktionsanalyse stammt. Hierbei geht es darum, den inneren Antreibern auf die Spur zu kommen und die jeweiligen Vor- und Nachteile zu verstehen. Daraus entwickelt der Coachee sogenannte Erlauber, die zu einer Verhaltensänderung führen können. Anhand eines Fragebogens fand Sabine Ahlers ihren stärksten Antreiber „Sei stark“ heraus, und ihr wurde „ihr Problem“ bewusst: In vielen Situationen will sie ihre Herausforderungen alleine bewältigen, wodurch sie regelmäßig in Stress gerät. Folgende Fragen ließen sie erkennen, dass das Einfordern von Unterstützung keine Schwäche ist: „In welchen Situationen treten diese Antreiber auf?“ „Wie wirkt sich das auf Sie, Ihr Team oder Ihre Kunden aus?“ „Mal angenommen, Sie hätten einen guten Umgang mit diesen Antreibern, was wären Sie dann für eine Führungskraft, Partnerin oder Tochter?“ Mit dieser Erkenntnis konnte sie den Erlauber formulieren „Wenn ich mich überfordert fühle, darf ich das zeigen und andere um die nötige Hilfe bitten.“ Gefühle, die den inneren Druck erhöhen, hier Wut und Angst, wurden durch eine hypnosystemische Methode „entschärft“. Der Coach regte Sabine Ahlers zunächst an, die Gefühle zu personalisieren und ermutigte sie, diese in der Vorstellung so um sich herum zu platzieren, dass sie keinen Druck mehr ausüben konnten. Dadurch gelang es ihr, im inneren Dialog mit den Gefühlen deren produktive Anteile nutzbar zu machen und Kraft aus ihnen zu ziehen.

Wichtig ist das Ausprobieren neuer Verhaltensweisen im Berufsalltag:
Sabine Ahlers erhielt den Auftrag, ein Tagebuch zu schreiben, in welchen Situationen sie den inneren Dialog genutzt hat. Die Selbstreflexion hat ihr gezeigt, dass ihre Gefühle nicht allein nur irrationale Gefühlsregungen sind, welchen sie ausgeliefert ist, sondern dass sie diese bewusst steuern kann.

Nach etwa zwölf Coachingstunden fühlte sie sich deutlich gestärkt. Es gelingt ihr heute besser, ihre Gefühle zu zeigen und sich Unterstützung aus dem Team zu holen. Auch kann sie besser einschätzen, welche Verantwortlichkeiten mit ihrer Rolle verbunden sind und wann sie Aufgaben delegieren oder auch ablehnen darf.

Wichtig ist, dass die Interventionen im Coaching ganzheitlich auf den Menschen bezogen sind – denn Energieräuber sind nicht nur berufliche, sondern auch private Herausforderungen. Diese als Gesamtheit in den Blick zu nehmen und gemeinsam mit dem Coachee Lösungen zu erarbeiten, machen einen erfolgreichen Coaching-Prozess aus. Neben Vorbereitungs- und Transferaufgaben tragen Übungen zur Selbstreflexion und positiven Selbsterfahrung, z.B. Achtsamkeitsübungen, zur Stärkung der Resilienz bei. Vor allem auf die zugewandte Haltung des Coaches kommt es an: Durch systemische Fragen wird der Blick auf die individuellen Ressourcen des Coachees gelenkt. Sich von der Problemdenke zu befreien und stattdessen Lösungen zu entwickeln, wirkt ebenso resilienzfördernd wie die Zuversicht, sein Leben selbst steuern zu können.

Die acht Kompetenzfelder der Resilienz

Die Resilienz bzw. die psychische Widerstandskraft eines Menschen ergibt sich aus dem Zusammenspiel
mehrerer Kompetenzfelder. Die Transaktionsanalytikerin Beate Remus geht von acht aus.

Die acht Kompetenzfelder
  1. Selbstregulation und Selbstfürsorge
    Die Fähigkeit, die eigenen Gefühle, Gedanken und Stimmungen anzuerkennen und regulieren zu
    können. Selbstfürsorge bedeutet, auf sich zu achten und es auch sich selbst recht zu machen.
  2.  Selbstverantwortung und Gestaltungskraft
     Die Fähigkeit, ins Tun zu kommen und die Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen.
  3. Akzeptanz und Realitätsbezug
    Die Bereitschaft, den Tatsachen ins Auge zu sehen und die Dinge so anzunehmen, wie sie sind.
  4. Optimismus, positives Welt- und Selbstbild
    Die Überzeugung, dass man selbst in der Lage ist, schwierige Situationen zu meistern.
  5. Improvisationsvermögen und Lernbereitschaft
    Die Fähigkeit, mit Unerwartetem umzugehen und bereit zu sein, Neues zu lernen.
  6. Lösungsorientierung und Kreativität
    Die Fähigkeit, lösungsorientiert statt problemorientiert zu denken und kreative Umsetzungsideen zu entwickeln.
  7. Beziehungsgestaltung und Netzwerkpflege
    Die Fähigkeit, Bindungen zu anderen Menschen aufzubauen und Beziehungen zu pflegen. Das bedeutet auch, andere um Hilfe zu bitten und sie anzunehmen.
  8. Zukunftsgestaltung, Wert und Visionen
    Die Fähigkeit, im Einklang mit den eigenen Werten das eigene Handeln auf eine gewünschte
    Zukunft auszurichten.

Quelle: Beate Remus, Organisationsberaterin und Coach, www.remus-consulting.de

Vor- und Nachteile des antreibergesteuerten Verhaltens
Beispiel 1:
  • Antreiber: Sei stark!
  • Glaubenssatz, (der dahinter steht): Niemand darf merken, dass ich schwach, empfindlich, ratlos bin. Gefühle sind ein Zeichen von Schwäche und machen verletzbar.
  • Stärke, z.B.: Belastbarkeit, Eigenständigkeit
  • Schwäche, z.B.: Angst, andere könnten meine Schwäche entdecken und mich ablehnen; Schwächen und Fehler sind schlecht.
  • Erlauber: Ich darf mir Hilfe holen. Dadurch verliere ich nicht mein Gesicht.
Beispiel 2:
  • Antreiber: Mach es allen recht!
  • Glaubenssatz: Ich bin nur dann wertvoll, wenn alle mit mir zufrieden sind. Wenn ich „Nein” sage, werde ich sofort abgelehnt.
  • Stärke: beliebt bei Kollegen, oft hohe soziale Kompetenz.
  • Schwäche: Unfähigkeit NEIN zu sagen, keine Abgrenzung, eigene Bedürfnisse zählen nicht.
  • Erlauber: Ich darf meine Bedürfnisse aussprechen. Ich bin OK, auch wenn jemand unzufrieden mit mir ist. Ich darf es auch mir selbst recht machen.

Quelle: Beate Remus, in Anlehnung an das Antreiber-Modell von Taibi Kahler, Psychologe und Transaktionsanalytiker

Zur Person

Dipl.-Ing. Beate Remus

Organisationsberaterin und
systemischer Coach.

info@remus-consulting.de
www.remus-consulting.de

Stand: 15.09.2022 09:35