Das Agile Projektmanagement entfaltet seine Vorzüge nur, wenn sich im Umfeld der Projekte die nötigen kulturellen Lern-und Veränderungsprozesse vollziehen. Diese Erfahrung sammelten in den zurückliegenden Jahren viele Unternehmen.
Unter dem Stichwort „Agiles Projektmanagement“ wird aktuell in den Unternehmen lebhaft darüber diskutiert, wie diese die Projektarbeit nicht nur effektiver gestalten, sondern eventuell sogar auf ein ganz neues Fundament stellen können. Dabei deutet das Adjektiv „agil“ bereits an, was das Ziel des sogenannten Agilen Projektmanagements ist: Neben der Planung soll auch die Steuerung der Projekte so dynamisch und flexibel wie möglich erfolgen, damit die Innovationskraft und -geschwindigkeit der Unternehmen sowie die Effizienz und Effektivität ihrer Projekte steigen.
Die wichtigsten Transformationshebel
Zu den möglichen Hebeln, um diese Ziele zu erreichen, gehören beispielsweise:
- Eine inkrementelle (Projekt-)Planung: Statt zu Projektbeginn einen detaillierten Projektplan zu entwerfen, wird ein vorläufiger Plan erstellt, der im Projektverlauf fortgeschrieben und abhängig vom Erkenntnisstand modifiziert wird.
- Eine osmatische Kommunikation: Die Interaktion zwischen den Projektbeteiligten (Kunden und Lieferanten) erfolgt möglichst direkt, ohne Hindernisse (wie beispielsweise Bereichsgrenzen).
- Sich selbst organisierende Teams: Die Projektteams entscheiden selbst, wie sie sich organisieren und ob sie eine Führung benötigen. Auch die Verteilung der Aufgabenbereiche wird von ihnen selbst bestimmt.
- Eine enge Zusammenarbeit von Fachexperten und Entwicklern (Kunden und Lieferanten): Zwischen ihnen erfolgt ein regelmäßiger, kurzzyklischer Austausch über den Stand des Projekts, damit das Verstehen wächst und „Fehler“ früh erkannt werden.
- Ein iteratives Vorgehen: Bereits entwickelte Teile der Problemlösung werden so früh wie möglich an die (firmeninternen)
Das Umfeld und die Kultur müssen passen
Inzwischen haben viele Unternehmen bereits Erfahrung mit dem Agilen Projektmanagement gesammelt. Dabei wurde deutlich klar, dass es sich bei dem Agilen Projektmanagement um ein durchaus sinnvolles Vorgehensmodell handelt, beispielsweise
- wenn ein Projekt (oder Unternehmen) in einem sehr diffusen Umfeld angesiedelt ist und die Anforderungen nur schwer erfasst werden können oder sich rasch wandeln oder
- wenn Experten unterschiedlicher Provenienz sehr eng miteinander kooperieren müssen, um so die bestmögliche Problemlösung zu entwickeln.
Keinesfalls ist das Agile Projektmanagement aber ein Allheilmittel, denn sein Erfolg hängt u.a. davon ab, inwieweit das Unternehmen über das nötige Know-how und Personal verfügt und ob sich die agile Methodik mit der etablierten Unternehmens- und Führungskultur verträgt. Komplexe Change- und Innovationsprojekte sind in der Regel in einen gewachsenen organisationalen Rahmen eingebettet, der durch gewisse Denk- und Verhaltensmuster, also eine bestimmte Kultur geprägt ist. Mit diesem stehen die Projekte in einem interdependenten Verhältnis. Deshalb können sich agile Ansätze in Unternehmen nur entwickeln, wenn zugleich im Umfeld ein entsprechender Lern- und Veränderungsprozess erfolgt.
Aus diesem Grund fragen sich viele Unternehmen, die bereits Erfahrung mit den agilen Ansätzen haben:
- Genügt es unsere Projektarbeit in die Richtung einer höheren Agilität zu trimmen oder
- muss unsere gesamte Organisation so strukturiert werden, dass sie dynamischer im Markt agiert?
Die Abteilungen durch Kreise ersetzen?
Die meisten Unternehmen haben heute noch eine Linienorganisation. Das heißt, jeder Mitarbeiter ist genau einer Abteilung zugeordnet, die jeweils einen Leiter hat. Das führt im Unternehmensalltag oft dazu, dass ein Abteilungs- und Bereichsdenken dominiert und viele Schnittstellen existieren. Deshalb fragen sich zurzeit viele Unternehmen: Wäre es nicht zielführender zumindest in unseren Kernbereichen, die Arbeit anders zu strukturieren – beispielsweise in themen-bezogenen Kreisen? Dies bedeutet, dass die einzelnen Mitarbeiter nicht jeweils einer Abteilung zugeordnet sind. Sie arbeiten stattdessen abhängig von ihrer Funktion in der Organisation in mehreren Kreisen mit,
- die jeweils ganz konkrete Aufgaben in der Organisation (oder Teilaufgaben in Projekten) haben und
- in denen sich die Mitarbeiter zusammengefunden haben, die gemeinsam über die hierfür nötige Kompetenz verfügen.
Diese Kreise verfügen über alle nötigen Entscheidungsbefugnisse zum Erfüllen ihrer Aufgaben, wobei die relevanten Entscheidungen stets im Team getroffen werden. Hierzu zählt auch die Entscheidung, ob ein Kreis (zeitlich befristet) eine Führung braucht – und wer diese Funktion übernimmt.
Zwischen den Kreisen besteht in der alltäglichen Zusammenarbeit ein reger Informationsaustausch. Dieser ist u.a. dadurch garantiert, dass es zwischen den Kreisen personelle Überschneidungen gibt, da jeder Mitarbeiter Mitglied mehrerer Kreise ist. Außerdem entsenden die einzelnen Kreise bei Bedarf Vertreter in andere Kreise. Die Kreise koordinieren ihre Zusammenarbeit also selbst und reflektieren diese auch regelmäßig.
Die hierarchischen Strukturen aufbrechen?
Durch eine solche Organisation zumindest der Bereiche, in denen aufgrund der Komplexität der Aufgaben eine sehr dynamische Zusammenarbeit und ein reger Informationsaustausch nötig sind, erhoffen sich die Unternehmen dreierlei:
- Ein Aufbrechen der klassischen hierarchischen Strukturen in ihrer Organisation, sodass das Abteilungs- und Bereichsdenken überwunden wird.
- Eine höhere Identifikation der Mitarbeiter mit ihren Aufgaben und den zu erreichenden Zielen, weil sie in den Kreisen zwar ihren Fähigkeiten angepasste Aufgaben, aber alle den gleichen Rang und die gleichen Rechte haben.
- Eine effektivere Zusammenarbeit sowie höherwertige Ergebnisse beim Erfüllen komplexer Aufgaben, weil die involvierten Personen und Kreise unmittelbar miteinander kommunizieren und selbst die für die bestmögliche Lösung erforderlichen Entscheidungen treffen.
Führung neu definieren?
In einem solchen, sich weitgehend selbst steuernden System verändert sich auch der Charakter von Führung. Ihre Hauptfunktion besteht darin, die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Kreise in der Organisation und die einzelnen Mitarbeiter in den Kreisen ihre Funktion erfüllen können und ihnen die Vision und Strategie zu vermitteln, sodass diese ihre Arbeit hieran orientieren können. Zudem muss Führung die agilen Werte vorleben und die angestrebte Veränderung im Unternehmen vorantreiben.
Inzwischen werden die agilen Prinzipien in einer Reihe von Unternehmen zumindest versuchsweise gelebt. Hierbei zeigt sich immer wieder: Diese Form der Organisation setzt gewisse Kompetenzen bei den Mitarbeitern und Führungskräften voraus. Sie sollten beispielsweise über eine hohe Veränderungsbereitschaft verfügen und mit Unsicherheit umgehen können. Außerdem sollte die Unternehmenskultur von einem wechselseitigen Vertrauen geprägt sein und den Kreisen und Mitarbeitern die nötigen Entscheidungs- und Handlungsspielräume zugestehen, um die eigene Arbeit selbst zu organisieren. Beides gilt es zu entwickeln, damit die agilen Prinzipien die gewünschte Wirkung entfalten.
Katja von Bergen arbeitet als Change- und Managementberater für die Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner (K&P), Bruchsal. Sie ist Lead-Trainerin der von K&P angebotenen Online- Weiterbildung zum „Agile Coach & Transformation Consultant“.