Online-Gründungen und -Anmeldungen im GmbH-Recht: Ablauf einer GmbH-Gründung per Video-Konferenz

Bestimmte Gesellschaftsgründungen und Handelsregisteranmeldungen können seit dem 1. August 2022 im Wege eines notariellen Online-Verfahrens vorgenommen werden. Der deutsche Gesetzgeber hat insoweit die Europäische Digitalisierungsrichtlinie in das deutsche Gesellschaftsrecht eingearbeitet.

Der Gesellschaftsvertrag einer GmbH bedarf grundsätzlich der notariellen Form und ist von sämtlichen Gesellschaftern zu unterzeichnen (§ 2 Abs. 1 GmbH-Gesetz – GmbHG). In der Praxis sieht dies so aus, dass die Gründungsgesellschafter einen Notar aufsuchen, der dann nach Abstimmung des Urkundeninhalts eine sogenannte Gründungsurkunde beurkundet, welcher der Gesellschaftsvertrag der neuen GmbH als Anlage beigefügt wird. Die zuerst bestellten Geschäftsführer müssen dann die GmbH zur Eintragung in das Handelsregister anmelden, und zwar in notariell beglaubigter Form.

Dieses gewohnte Verfahren sieht das Gesetz weiterhin vor. In der Mehrzahl der Gründungs- und Anmeldungsvorgänge findet dieses Verfahren auch heute noch Anwendung.

In Ergänzung hierzu kann gemäß § 2 Abs. 3 GmbHG nunmehr die notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrags einer GmbH auch mittels Video-Kommunikation gemäß den §§ 16a und 16e des Beurkundungsgesetzes (BeurkG) erfolgen. Anmeldungen zur Eintragung in das Handelsregister sind in öffentlich beglaubigter Form einzureichen, wobei die Einreichung durch den Notar auf elektronischem Wege erfolgt. Nunmehr ist gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 Handelsgesetzbuch (HGB) die öffentliche Beglaubigung mittels Video-Kommunikation gemäß § 40a des BeurkG zulässig. Die gleiche Form ist für eine Vollmacht zur Anmeldung erforderlich. Der Notar hat die Dokumente elektronisch in einem maschinen-lesbaren und durchsuchbaren Datenformat einzureichen (§ 12 Abs. 2 Satz 1 HGB).

Die vorgenannten Möglichkeiten bestehen aber nur unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen, die nachfolgend erläutert werden.

Zuständigkeit des Notars

Wenn eine normale notarielle GmbH-Gründung erfolgen soll, können die Gründungsgesellschafter jeden Notar mit Amtssitz in Deutschland aufsuchen, wobei die Beurkundung an dessen Amtssitz erfolgen muss. Dies sieht allerdings bei der jetzt möglichen Online-Gründung anders aus. Die Notare dürfen nicht beliebig tätig werden. Ihre Zuständigkeit liegt grundsätzlich nur dann vor, wenn im Amtsbereich des Notars ein örtlicher Anknüpfungspunkt liegt. Diese örtlichen Anknüpfungskriterien sind in § 10a Abs. 3 Satz 1 Bundesnotarordnung (BNotO) geregelt. Mindestens eines dieser Anknüpfungskriterien muss erfüllt sein. Es kommt insoweit auf den Sitz der zu gründenden GmbH (Ziffer 1) bzw. auf den (Wohn-)Sitz eines Gesellschafters der künftigen Gesellschaft (Ziffer 2) an.

Beispiel:
Wenn Sie z.B. die Online-Gründung vor einem Ihnen bekannten Notar in Dortmund vornehmen wollen, muss die zu gründende Gesellschaft ihren Sitz in Dortmund haben. Alternativ reicht es aus, wenn einer der Gesellschafter oder der Geschäftsführer seinen Sitz oder Wohnsitz in Dortmund hat. Ansonsten ist der von Ihnen vorgesehene Notar nicht zuständig.

Anwendungsbereich der Online-Beurkundung

Die notariellen Online-Beurkundungen und -Beglaubigungen sind nur in den gesetzlich geregelten Fallkonstellationen zulässig, wobei der Anwendungskatalog ab dem 1. August 2023 erweitert wird. Erfasst sind folgende Vorgänge:

  • Alle Beurkundungen zur Gründung einer GmbH einschließlich der Gründung einer UG (haftungsbeschränkt), sofern die Gründung ohne eine Sacheinlage erfolgt. Erfasst wird auch die GmbH-Gründung im vereinfachten Verfahren unter Benutzung des gesetzlichen Musterprotokolls (§ 2 Abs. 1a, Abs. 3 Satz 5 GmbHG) einschließlich der neuen Musterprotokolle gemäß
    Anlage 2 zum GmbHG. Diese zuletzt genannten Musterprotokolle sind ausdrücklich für die Gründung mittels einer Video-Beurkundung geschaffen worden. Sie unterscheiden zwischen der Einmann-Gründung und einer Gründung durch bis zu drei Gesellschafter. Es können ein oder mehrere Geschäftsführer bestellt werden.
  • Die Beurkundung aller im Rahmen der GmbH-Gründung gefassten Gesellschafterbeschlüsse (wie z.B. zur Geschäftsführerbestellung, § 2 Abs. 3 Satz 3 GmbHG). Diese Beschlüsse müssen einstimmig gefasst worden sein und können mitbeurkundet werden, auch wenn sie selbst keiner notariellen Form bedürfen.
  • Die Beurkundung einer Gründungsvollmacht gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 GmbHG.
  • Alle Beglaubigungen für Handelsregisteranmeldungen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 HGB), und zwar sowohl durch Einzelkaufleute als auch für GmbHs, AGs und der KGaAs sowie für Zweigniederlassungen von GmbHs, AGs, KGaAs und EU- bzw. EWR-Kapitalgesellschaften.

Wie bereits erwähnt erfolgt ab dem 1. August 2023 eine deutliche Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Video-Beurkundung. Diese ist dann auch möglich bei:

  • satzungsändernden Beschlüssen gemäß § 53 GmbHG, sofern diese einstimmig erfolgen, einschließlich des einstimmigen Beschlusses über eine Kapitalerhöhung mit Bareinlagen und Übernahmeerklärung sowie der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln.
  • Darüber hinaus ist dann auch ein einstimmiger Kapitalerhöhungsbeschluss per Videokommunikation beurkundungsfähig, wenn die Kapitalerhöhung zwar mit Sacheinlagen erfolgt, aber keine Immobilien oder GmbH-Geschäftsanteile betroffen sind. Auch die einstimmigen Zulassungsbeschlüsse zur Übernahme eines Anteils bei der Kapitalerhöhung sind dann erfasst, ebenso einstimmige Beschlüsse über eine Kapitalherabsetzung mit Einziehung von GmbH-Anteilen gemäß § 34 GmbHG.

Es handelt sich insoweit um einen abschließenden Katalog. Fallen die beurkundungspflichtigen Vorgänge nicht unter die vorgenannten Regelungen, ist eine Video-Beurkundung unzulässig (so ausdrücklich § 16a Abs. 1 BeurkG).

Technische Voraussetzungen der Online-Beurkundung

Online-Beurkundungen und Beglaubigungen können gemäß § 16a Abs. 1 BeurkG nur ausnahmslos unter Benutzung des von der Bundesnotarkammer betriebenen Video-Kommunikationssystems (§ 78p BNotO) vorgenommen werden. Daraus folgt, dass alle anderen verfügbaren Video-Kommunikationssysteme für notarielle Beurkundungszwecke ausscheiden. Da die Bundesnotarkammer als Betreiber des Systems unter der Aufsicht des Bundesministeriums für Justiz und für Verbraucherschutz steht, kann nur auf diese Art und Weise ein denkbar höchster Standard bei der Verfügbarkeit, der Datensicherheit, dem Datenschutz und der Verhinderung von Manipulationen gewährleistet werden. Die Notare nutzen das System über XNP. Technisch möglich ist die gleichzeitige Teilnahme von 20 Personen einschließlich Notar. Nach Angaben der Bundesnotarkammer sollen aber regelmäßig nicht mehr als neun Personen teilnehmen, wenn nicht der Notar über einen besonders großen gut auflösenden Monitor (mindestens 36 Zoll) oder eine Videokonferenzanlage verfügt.

Für die Teilnahme am Online-Verfahren benötigen Sie folgende Ausrüstung (vgl. im Einzelnen Rundschreiben Nr. 1/2022 vom 29. April 2022 der Bundesnotarkammer, S. 5 ff.):

  • Computer, Laptop oder Tablet,
  • WebCam mit einer Auflösung von mindestens 480 Pixel,
  • Lautsprecher/Mikrofon gemäß Standardausrüstung,
  • Internetverbindung mit mindestens sechs Mbit/s,
  • Smartphone mit Mobilempfang, NFC-Schnittstelle und Notar-App.

Hierzu sollten Sie im Einzelnen Folgendes wissen:

  • Ein Smartphone wird benötigt, damit die elektronische Identität (eID) und das elektronisch gespeicherte Lichtbild ausgelesen werden können.
  • NFC-Schnittstellen befinden sich heute standardmäßig in den neuen Smartphones. Insoweit kann auf eine Liste geeigneter Smartphones verwiesen werden (www.ausweisapp.bund.de/mobilegeraete).
  • Sie müssen die von der Bundesnotarkammer entwickelte Notar-App installieren. Diese gibt es kostenlos im Google Play Store und im App Store.

Erforderliche Identifizierung der Beteiligten

Die Identifizierung der am Beurkundungsverfahren beteiligten Personen muss zweifelsfrei möglich sein. Es ist ohnehin die Amtspflicht eines jeden Notars, sich von der Identität der an Beurkundungs- und Beglaubigungsvorgängen beteiligten Personen zu überzeugen. Während sich der Notar im herkömmlichen Präsenzverfahren Lichtbildausweise der Beteiligten vorlegen lässt und diese sensorisch und optisch überprüfen kann, ist dies aufgrund der Ansicht von Bildern auf einem Monitor nur in sehr begrenztem Maße möglich, sodass hier eine zweistufige Sicherheit geschaffen worden ist.

Auf der ersten Prüfungsstufe müssen sich alle am Beurkundungsvorgang beteiligten Personen über einen elektronischen Identitätsnachweis ausweisen. Nach der gesetzlichen Regelung können hierzu folgende Dokumente genutzt werden: Ein deutscher Personalausweis, ein elektronischer Aufenthaltstitel oder eine Unionsbürgerkarte mit aktivierter Online-Funktion – alle drei Dokumente jeweils zusätzlich mit der Ausweis-PIN. Diese wird im Rahmen der Ausstellung des jeweiligen Ausweisdokuments übermittelt und kann gegebenenfalls erneut angefordert werden, wenn der Inhaber des Dokuments die PIN nicht (mehr) kennt.

Genauso Anwendung finden können anerkannte Ausweisdokumente anderer EU-Staaten mit einer eID mit dem Sicherheitsniveau „hoch“. Dies ist nicht bei allen europäischen Ausweisdokumenten garantiert.

Wer will, kann vorab die Tauglichkeit des Ausweisdokuments über die Notar-App und über die von der Bundesnotarkammer betriebene Internetplattform prüfen. Auf der zweiten Prüfungsstufe innerhalb des Identifizierungs-Verfahrens muss der Notar das Erscheinungsbild eines jeden am Vorgang Beteiligten mit dessen elektronisch übermitteltem Lichtbild abgleichen, wenn ihm der jeweilige Beteiligte nicht bereits persönlich bekannt ist (§16c Satz 1 Halbsatz 1, Satz 3 BeurkG). Hierzu können u.a. folgende Ausweis- oder Passdokumente genutzt werden:

  • Jeder deutsche Personalausweis mit Ausstellungsdatum ab dem 2. August 2021, ein deutscher Reisepass oder ein elektronischer Aufenthaltstitel (unabhängig vom Ausstellungsdatum),
  • jeder Reisepass aus einem anderen der 30 EWR-Staaten (EU-Mitgliedstaaten zuzüglich Island, Liechtenstein und Norwegen).
Zum Autor

Dr. Roland M. Bäcker
Notar, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht,
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
sowie Fachanwalt für Erbrecht in Hagen.


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