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Objectives and Key Results (OKR): So plant man in Post-Coronazeiten

Objectives and Key Results (OKR): So plant man in Post-Coronazeiten

Herkömmliche Zielfindungsmethoden und tradierte Planungsprozesse verhindern Fortschritt und Agilität. OKR ist ein Ausweg aus diesem Dilemma. Das Tool ist gerade für die Post-Coronazeit hochrelevant, um Auswege aus der Krise zu finden und sein Unternehmen fit für jede erdenkliche Zukunft zu machen.

Die Corona-Pandemie hat uns auf brutale Weise vor Augen geführt, wie fragil unser weltweites Ökosystem tatsächlich ist. Und womöglich ist sie nur der Vorgeschmack auf eine Zukunft, die ungewisser sein wird als jemals zuvor. Denn Menschen, humanoide Roboter und künstliche Intelligenzen bewegen sich in einem atemberaubenden Tempo aufeinander zu. So werden sich die Innovationen fortan überschlagen.

Überall auf der Welt definieren Visionäre schon jetzt das Mögliche neu. Bahnbrechende Neuheiten kommen am laufenden Band und wie aus dem Nichts. Mutige junge Anbieter mit ihren frischen, frechen, wilden, kühnen Ideen schieben sich immer weiter nach vorn. Sie erwirtschaften Megaumsätze mit Technologien, die es vor wenigen Jahren noch nicht einmal gab. Sie besetzen die Geschäftsfelder der Zukunft und werden ganze Industrien verändern.

Gewissheiten gibt es dabei für nichts und niemanden mehr. Permanente Vorläufigkeit ist die neue Normalität. Unerwartete Ereignisse lauern an jeder Ecke. Wir wissen nicht, ob oder wann sie kommen, doch wenn, dann kommen sie schnell. Sie werden Risiken und Chancen ganz neu verteilen. Von nun an wird man sich aufmachen müssen, ohne den genauen Weg schon zu kennen. „Dem Gehenden legt sich der Weg unter die Füße“, heißt es so schön.

Auswege
In diesem Umfeld haben Unternehmen nur eine Wahl: Sie müssen ihre Planungsprozesse adaptieren und Strukturen für schnelle Entscheidungen schaffen, um so rasch und flexibel wie möglich auf plötzliche Marktverschiebungen reagieren zu können. Allenfalls lassen sich ein paar Monate überblicken. Längere Planungen machen keinen Sinn, weil zu viele nicht planbare Dinge passieren können.

Die üblichen Jahresplanungen sind fortan obsolet
Klassische Zielzahlensysteme basieren auf dem Konstrukt einer Jahresplanung. Hierzu fallen Konzerne und größere Mittelständler jeden Herbst in eine Art Starre, Budgetierungsphase genannt. In aufwendiger Feinabstimmung, von zermürbendem Schieben und Schachern begleitet, werden unternehmensweite Zielvorgaben für das kommende Geschäftsjahr erstellt und dann auf Quartale, Monate, Bereiche, Teams und Einzelpersonen verteilt.

Auf solche Ratespiele, Wetten auf die Zukunft genannt und von hehrem Wunschdenken geleitet, wird dann eine Punktlandung gefordert. Das genaue Erreichen der Vorgaben wird am Ende bonifiziert. Insgesamt ist dies ein Vorgehen, das irre viel Zeit verschlingt, Geld in falsche Kanäle lenkt, Lug und Trug unterstützt und neue Ideen unterdrückt. Darüber hinaus ist der ganze Prozess ineffizient, weil er sehr ressourcen- und damit kostenintensiv ist, aber keinerlei Wertschöpfung generiert.

In unvorhersehbaren Zeiten sind Jahresplanungen unbrauchbar. Sind Ziele und Pläne zudem von oben verordnet und nur pro forma mit den Mitarbeitern abgestimmt, dann fehlt die innere Anteilnahme, das Herzblut, der Feuereifer, die Leidenschaft für eine Sache. Im Abarbeitungsmodus wird das, was zu tun ist „at target, on budget, in time“ erledigt, nicht weniger, aber auch nicht mehr.

So verhindern klassische Planungsprozesse auch Innovationen. Wer nämlich bei Evaluierungen punkten und bonifizierte Anerkennung dafür erhalten kann, dass er vorgezeichneten Verfahrensweisen akribisch folgt, wird sich niemals an Neues wagen. Ein statisches Planungskorsett, abteilungsbasierte Einzelziele und der damit einhergehende Kennzahlenkult sind eine geradezu toxische Umgebung für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens.

OKR: In Hochgeschwindigkeitszeiten die bessere Wahl
Das ganze Drumherum eines traditionellen Planungs- und Zielvereinbarungsprozesses, das in klassischen Unternehmen Wochen
und Monate dauert, kann mithilfe von OKRs in wenigen Stunden erledigt werden. Zudem kann die damit einhergehende Zeit- und Kostenersparnis dazu genutzt werden, echten Wert für das Unternehmen zu schaffen.

OKR steht für Objectives & Key Results. Ursprünglich wurde diese Methode von Andy Grove, dem Mitbegründer von Intel, entwickelt, der damit den Halbleiterhersteller an die Weltspitze katapultierte. Bei OKR handelt es sich um keinen strengen formalen Prozess, sondern um ein situativ einsetzbares Steuerungsinstrument.

OKRs erzeugen Kollaboration über alle Abteilungsgrenzen hinweg. Sie machen es möglich, dass man sich einfach, flexibel und in kürzester Zeit auf jede erdenkliche Zukunft einstellen kann. Selbst innerhalb eines Zyklus sind Überarbeitungen jederzeit möglich. Klassische Planungsprozesse hingegen sorgen für Starre, für Egoismen, für Zielkonflikte, für Limitierungen, für Mauscheleien und für Abgrenzungsstrategien.

OKRs sind sowohl für Gründer als auch für etablierte Anbieter relevant. Sie eignen sich für alle Unternehmensgrößen und in jeder Branche. Auch im Marketing, im Vertrieb und in der Personalentwicklung leisten sie gute Dienste. Google nutzt OKRs praktisch von Anfang an. Viele weitere Player aus der Technologieszene folgten dem Beispiel rasch, um die Geschwindigkeit der Digitalökonomie in den Griff zu bekommen.

So werden Objectives und Key Results definiert
Im Gegensatz zu den von der Wirklichkeit zunehmend schnell überrollten üblichen einjährigen Zielsetzungs- und Planungsperioden werden OKRs auf einen Nahbereich von bis zu drei  Monaten festgelegt. Agil und geschmeidig passt man sich den jeweiligen Umständen an. So wird eine hochdynamische Vorwärtsbewegung erzeugt.

Objectives und Key Results
Die Objectives („Wo will ich hin?“) geben eine inspirierende Stoßrichtung vor. Dies ist wichtig, denn wer ankommen will, muss wissen, wohin die Reise gehen soll. Gerade selbstorganisierte Teams brauchen eine klare Ausrichtung, konkrete Orientierungspunkte und gemeinsame Ziele, denen sie folgen können. Dabei ist die Konzentration auf wenige ambitionierte Ziele pro OKR-Zyklus elementar.

Die Key Results („Was muss ich tun, um das angepeilte Ziel zu erreichen, und wie kann ich das messen?“) sorgen für Fokus. Zudem fassen sie die anvisierten Schlüsselresultate konkret in Zahlen. Dabei sollte jedes Objective drei bis maximal fünf messbare Ergebnisse haben. Diese kommen nicht „von oben“, sondern werden gemeinsam im jeweiligen Team erarbeitet und festgelegt.

Die Ziele sind also der Traum und demnach qualitativ, die Ergebnisse sind greifbar und somit quantitativ. Der überschaubare Zeitraum macht das Ganze agil.

OKRs erzeugen Leistungswillen und Selbstwirksamkeit
OKRs werden innerhalb der einzelnen Teams im Rahmen von Kurzmeetings besprochen und dann definiert. Alles bleibt in der Eigenverantwortung der Teams. Die anvisierten Ziele dürfen keinesfalls vorgegeben werden. Ergebnisse werden auch nicht von oben kontrolliert. OKRs sind zudem nicht gehaltsrelevant und werden nicht incentiviert.

Angesprochen wird also nicht die extrinsische, sondern die intrinsische Motivation. Mit OKRs können die Teams Bedeutsamkeit in ihre Arbeit bringen, Sinn erleben und Selbstwirksamkeit spüren. Für eigene Vorgaben legt man sich mit Freude ins Zeug. Wer hingegen für die Ego-Ziele anderer schuften soll, fühlt sich wie ein Lakai des Systems.

Ein zentrales Element ist Transparenz. Alle OKRs und ihr Fortschritt werden bereichs- und hierarchieübergreifend auf einem digitalen oder physischen Statusboard veröffentlicht und so für alle sichtbar gemacht. Auch die regelmäßige Aktualisierung ist allen zugänglich. Das garantiert Synergien und stellt unter anderem sicher, dass die Ziele sich nicht konterkarieren.

OKRs werden für das gesamte Unternehmen entwickelt
OKRs werden nicht nur für einzelne Mitarbeiter, Teams und Bereiche, sondern gemeinsam auch für die ganze Firma entwickelt. Alle Beschäftigten können dazu beitragen, zum Beispiel über folgende Frage: „Auf welche drei großen Ziele sollte sich das Unternehmen im nächsten Quartal konzentrieren?“

Aus den Antworten werden passende OKRs gebildet und priorisiert, die dann für alle gelten. Ein Gremium, das aus ausgewählten Vertretern der Mitarbeiter besteht, definiert die dazugehörigen messbaren Key Results, die herausfordernd, aber nicht unerreichbar sind. Daraus können dann OKRs für die einzelnen Teams abgeleitet werden.

Gemeinsame Workshops sorgen dafür, dass jeder die Ziele der anderen kennt und mitunterstützt. Wöchentlich gibt es kurze Status-Updates. Nach jedem Zyklus, also zwischen ein und drei Monaten, erfolgt ein Status-Review, um zunächst Erfolge und Lernfelder zu sichten und auf dieser Basis dann die folgenden OKRs zu definieren.

OKRs machen Unternehmen flexibel und zukunftsfit
Bei 70 bis 90% Zielerreichung gelten OKRs als erfüllt. Somit ist immer Luft nach oben. Dies sorgt für Ansporn zum Übererfüllen und schafft Raum für aufkommende Möglichkeiten. Am Ende der gewählten Periode beginnt der Vorgang von vorn. Die dazugehörigen Budgets werden rollierend, also bei der jeweiligen Zielerreichung nach vorne hin freigegeben. Man bekommt nicht – einfach so – einen Batzen Geld für ein ganzes Jahr, sondern muss sich stets beweisen, um erneut ein Budget zu erhalten.

Die erreichten Ziele gehen nicht in die Mitarbeiterbewertung ein und sind nicht an Bonus-Malus-Systeme gekoppelt. Sie werden vielmehr als Lernerfolge gesehen. Neben einer kurzzyklischen iterativen Anpassung an neue Gegebenheiten und einer deutlich höheren Produktivität entsteht so auch ein starkes Wir-Gefühl. Vor allem aber entfesselt sich jenseits aller internen Konkurrenz das notwendige Wollen, die Zukunft gemeinsam zu meistern.

 

Zur Person
Anne M. Schüller ist Managementdenker, KeynoteSpeaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. In ihrem Buch und Hörbuch „Die Orbit-Organisation“ (Gabal) stellt sie, mit ihrem Co-Autor Alex T. Steffen, ein Organisationsmodell vor, das den Anforderungen einer zukünftigen Wirtschafts- und Arbeitswelt tatsächlich gewachsen ist.

Stand: 28.09.2020 12:11