Zum 1. Juli 2022 stieg der Mindestlohn von 9,82 Euro auf 10,45 Euro. Ab 1. Oktober 2022 kommt es in einer weiteren Erhöhung auf 12 Euro je Arbeitsstunde. Damit ergibt sich die Notwendigkeit für Arbeitgeber zu prüfen, ob die aktuellen Vergütungen oder der dafür vereinbarte Arbeitseinsatz weiterhin den neuen gesetzlichen Regelungen entsprechen.
Nach dem Gesetz zur Erhöhung des Schutzes durch den gesetzlichen Mindestlohn und zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung gilt ab dem 1. Oktober 2022 Folgendes:
Der Mindestlohn beträgt 12 Euro und der regelmäßige Arbeitslohn für eine geringfügige Beschäftigung darf im Monat nicht mehr als 520 Euro betragen. Bei einer Arbeitszeit von 43 Stunden im Monat ergibt sich somit bei einem Stundenlohn von 12 Euro ein monatlicher Arbeitslohn von (43 × 12 Euro =) 516 Euro. Ab dem 1. Oktober 2022 sollten also maximal 43 Stunden im Monat vereinbart werden. Unverändert fallen folgende Abgaben an, die der Arbeitgeber zusätzlich zu tragen hat:
- Pauschalbeiträge zur Rentenversicherung 15 Prozent
- Pauschalbeiträge zur Krankenversicherung (KV) 13 Prozent
- Pauschale Lohnsteuer 2 Prozent
- Umlage 1 (U1) bei Krankheit 1 Prozent
- Umlage 2 (U2) für Schwangerschaft/Mutterschaft 0,39 Prozent
- Insolvenzgeldumlage 0,09 Prozent
Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung sind nach wie vor individuell an den zuständigen Unfallversicherungsträger zu leisten. Der Minijobber ist grundsätzlich rentenversicherungspflichtig, sodass er die verbleibenden 3,6 Prozent bis zum vollen Beitragssatz selbst übernehmen muss. Er kann sich jedoch von der Versicherungspflicht befreien lassen (Opt-out). Bei einer Befreiung von der Versicherungspflicht zahlt nur der Arbeitgeber den Pauschalbeitrag zur Rentenversicherung. Minijobber, die nicht anderweitig der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung unterliegen, verlieren dadurch die Ansprüche auf einen Großteil der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung.
Bei privater Krankenversicherung kein pauschaler Krankenversicherungsbeitrag
Die Zahlung der pauschalen Krankenversicherung durch den Arbeitgeber bringt dem Minijobber keine Vorteile, weil er dadurch keinen Versicherungsschutz erhält. Beschäftigt eine GmbH einen Minijobber, der nicht in einer gesetzlichen Krankenversicherung, sondern privat versichert ist, braucht sie für die Krankenversicherung keinen pauschalen Beitrag von 13 Prozent zu zahlen. Die Mitversicherung in der Familienversicherung kommt allerdings einer Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung gleich. Die GmbH muss die pauschalen 13 Prozent für den Mitversicherten also immer zahlen, wenn ein Ehegatte über den anderen Ehegatten in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist.
Was ab dem 1. Oktober 2022 zu beachten ist
Als Midijob bezeichnet man Beschäftigungsverhältnisse, deren monatliches Arbeitsentgelt über dem Grenzwert eines Minijobbers liegt und eine Höchstgrenze nicht überschreitet. Durch das neue Mindestlohngesetz haben sich die Grenzwerte und die Berechnung des versicherungspflichtigen Entgelts grundlegend geändert und zwar wie folgt:
- Bis zum 30. September 2022 mehr als 450 Euro und nicht mehr als 1.300 Euro.
- Ab dem 1. Oktober 2022 mehr als 520 Euro und nicht mehr als 1.600 Euro.
- Im dritten Entlastungspaket der Bundesregierung ist eine Anhebung der Midijob-Grenze auf 2.000 Euro vorgesehen.
Beispiel zur Berechnung der für die Rentenversicherung beitragspflichtigen Einnahmen:
Bei einem Arbeitsentgelt von 600 Euro im Monat beträgt ab dem 1. Oktober 2022 das beitragspflichtige Gesamtarbeitsentgelt 455,99 Euro und der beitragspflichtige Arbeitnehmeranteil 118,52 Euro. Der Rentenversicherungsbeitrag berechnet sich dann wie folgt:
- beitragspflichtiges Gesamtarbeitsentgelt 455,99 Euro x 18,6 Prozent = 84,81 Euro
- beitragspflichtiger Arbeitnehmeranteil 118,52 Euro x 9,3 Prozent = 11,02 Euro
- Arbeitgeberanteil (= Differenz): 73,79 Euro
Übergangsregelung ab dem 1. Oktober 2022 beim Arbeitsentgelt von mehr als 450 Euro bis zu 520 Euro
Konsequenz der Anhebung der Höchstgrenze für Minijobs ist, dass Personen, die am 30. September 2022 in einem versicherungspflichtigen Midijob tätig waren, möglicherweise ab dem 1. Oktober 2022 einen Minijob ausüben. Beschäftigte, die bis zum 30. September 2022 ein Arbeitsentgelt von mehr als 450 Euro bis zu 520 Euro erzielt haben, würden dann nicht mehr versicherungspflichtig sein.
Daher sieht Art. 6 des Gesetzes zur Erhöhung des Schutzes durch den gesetzlichen Mindestlohn und zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung eine Übergangsregelung vor. Der Versicherungsschutz soll für diese Beschäftigten – unter den bisherigen beitragsrechtlichen Bedingungen und Berechnungen – übergangsweise bis zum 31. Dezember 2023 aufrechterhalten bleiben.
Die betroffenen Beschäftigten haben die Möglichkeit, ihre Beschäftigung an die geänderte Geringfügigkeitsgrenze anzupassen und damit ihren Versicherungsschutz weiterhin zu erhalten. Mit der Regelung wird aber auch das Optionsrecht eingeräumt, sich auf Antrag von der Versicherungspflicht befreien zu lassen. Die Befreiung wirkt ab dem 1. Oktober 2022, wenn sie bis zum 31. Dezember 2022 beantragt wird. Im Übrigen gilt die Befreiung ab Beginn des Kalendermonats, der dem Kalendermonat folgt, in dem der Antrag gestellt worden ist.
Bei der Frist zum 31. Dezember 2023 ist berücksichtigt, dass zum 1. Januar 2024 die nächste Anpassung des gesetzlichen Mindestlohns und damit ggf. auch eine erneute (automatisierte) Erhöhung der Geringfügigkeitsgrenze ansteht. Da bei künftigen Erhöhungen der Geringfügigkeitsgrenze auf Übergangsregelungen verzichtet wird, würde eine längere Übergangsfrist zu einer Ungleichbehandlung führen und das Beitragseinzugs- und Meldeverfahren deutlich verkomplizieren.
Sonderregelungen für Praktikanten
In GmbHs bereiten Beschäftigungsverhältnisse mit Praktikanten häufig Probleme bezüglich der Frage, ob ein Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn besteht. So musste aktuell das Bundesarbeitsgericht (BAG) klären, ob für ein Vor-Pflichtpraktikum der Mindestlohn zu zahlen ist. Nach dem Urteil des BAG vom 19. Januar 2022 (Az. 5 AZR 217/21) haben Praktikanten keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn, wenn sie ein Pflichtpraktikum absolvieren, das nach einer hochschulrechtlichen Bestimmung Zulassungsvoraussetzung für die Aufnahme eines Studiums ist. Im Streitfall war nach der Studienordnung einer Universität vorgeschrieben, dass ein Medizinstudium erst aufgenommen werden konnte, wenn vorher ein sechsmonatiger Krankenpflegedienst absolviert wurde. Das BAG entscheid, dass kein Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für die Zeit des (Vor-)Praktikums besteht, denn Pflichtpraktika im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Mindestlohngesetz (MiLoG) sind von der Pflicht zur Zahlung einer Vergütung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns ausgenommen. Daran würde auch nichts ändern, dass die Studienordnung von einer privaten Universität erlassen worden sei. Der Ausschluss von Ansprüchen auf den gesetzlichen Mindestlohn nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG erfasst nicht nur obligatorische Praktika während des Studiums, sondern auch solche, die in Studienordnungen als Voraussetzung zur Aufnahme eines bestimmten Studiums verpflichtend vorgeschrieben sind.
Bei der bloßen Anfertigung von studienbezogenen Abschlussarbeiten (wie z.B. einer Bachelor- oder Masterarbeit) oder Doktorarbeiten handelt es sich um kein Praktikumsverhältnis, da sich der Studierende im Unternehmen keiner betrieblichen Tätigkeit unterzieht. Soweit er auch nicht als Arbeitnehmer einzustufen ist, besteht für die GmbH als Arbeitgeber keine Pflicht zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns.
Die in vielen GmbHs beschäftigten „klassischen“ Werkstudenten, die auch sozialversicherungsrechtlich nach dem sogenannten Werkstudentenprivileg behandelt und von der GmbH entsprechend abgerechnet werden, gelten als Arbeitnehmer und fallen damit unter das Mindestlohngesetz.
Mindestlohnwirksame Arbeitgeberleistungen
Das Mindestlohngesetz regelt den Entgeltbegriff nur allgemein, weshalb zunächst alle von der GmbH erbrachten Geldleistungen geeignet sind, den Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers zu erfüllen. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Einführung des gesetzlichen Mindestlohns hatte der Bundesrat empfohlen, gesetzlich zu klären, welche Vergütungsbestandteile auf den Mindestlohn angerechnet werden können. Diese Anregung wurde nicht aufgegriffen, mit der Folge, dass häufig Arbeitsgerichte eine Klärung herbeiführen müssen, welche Vergütungsbestandteile auf den Mindestlohn anrechnungsfähig sind.
Es gilt der Grundsatz, dass auf den Mindestlohn alle Arbeitsentgelte (Geldleistungen) anzurechnen sind, die die sogenannte Normaltätigkeit des Arbeitnehmers entlohnen. Darüber hinausgehende Arbeitsentgelte sind regelmäßig nicht auf den Mindestlohn anzurechnen. So sind z.B. vermögenswirksame Leistungen und Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung nicht auf den Mindestlohn anrechenbar. Ebenso sind Trinkgelder (z.B. im Gaststättengewerbe etc.) nicht mindestlohnwirksam. Zulagen und Zuschläge, die von der GmbH als Gegenleistung für konkrete Arbeit geleistet werden, sind auf den Mindestlohn anrechnungsfähig. Solange einzelne Vergütungsbestandteile einen unmittelbaren Bezug zur
Arbeitsleistung und damit Entgeltcharakter haben, sind diese berücksichtigungsfähig. Beispiele für mindestlohnwirksame Vergütungsbestandteile sind:
- Schicht- und Wechselzulagen,
- Zuschläge zu besonderen Zeiten (z.B. Überstunden, Sonn-, Feiertagsarbeit),
- Leistungszulagen und Treueprämien,
- sonstige Zulagen und Zuschläge, die als Gegenleistung für die konkret geleistete Arbeit gezahlt werden.
Unwiderrufliche Einmalzahlungen (z.B. Weihnachtsgeld) oder sonstige einmalige Gratifikationen sind (nur) im Fälligkeitsmonat, in dem diese unwiderruflich gezahlt werden auf den Mindestlohn anzurechnen. Dies bedeutet, dass z.B. ein unwiderrufliches Weihnachtsgeld, das im Dezember ausgezahlt wird, nur auf den Mindestlohn für Dezember anzurechnen ist und einen ggf. zu niedrigen Arbeitslohnlohn in den Vormonaten nicht ausgleichen kann. Sofern ein Weihnachtsgeld aber monatlich zu einem zwölftel ausgezahlt wird, ist es auf den Mindestlohn im jeweiligen Kalendermonat anrechenbar.
Dr. Hagen Prühs
Schriftleiter der GmbH-Steuerpraxis
und Herausgeber & Chefredakteur
des Wirtschaftsmagazins gmbhchef