Jedes Business kann mit digitaler Unterstützung besser betrieben werden. Doch auch die menschliche Komponente bleibt von hoher Bedeutung. Ideal ist eine kluge Vernetzung der realen mit den digitalen Übermorgengestaltern.
Menschen, humanoide Roboter und künstliche Intelligenzen (KI) bewegen sich mit atemberaubendem Tempo aufeinander zu. Vom Metaversum, also der kompletten Verschmelzung der realen mit der virtuellen Welt, spricht man bereits. Nie wieder wird der Wandel so gemächlich voranschreiten wie heute. Quantencomputer werden das Tempo weiter erhöhen. Sie sind Millionen Mal schneller als moderne Superrechner. Das Bonmot vom Quantensprung wird Realität.
Wir werden Technologien sehen, die alles bisher Erlebte in den Schatten stellen. Die Kombination digitaler Möglichkeiten wird zu Innovationen führen, von denen wir heute noch gar keine Vorstellung haben. Und sie werden nicht erst im nächsten Jahrhundert kommen – sondern bereits in ein oder zwei Dekaden. Nur Unternehmen, die neue Technologien willkommen heißen und lernen, sie gewinnbringend einzusetzen, werden in Zukunft am Markt bestehen.
Was Menschen besser können
Die Industrialisierung revolutionierte die Körperarbeit, die Digitalisierung krempelt nun die Hirnarbeit um. KI-Tools dienen der Unterstützung und Erhöhung unserer eigenen Intelligenz. So wird KI uns grundsätzlich nicht ersetzen. Ersetzt werden nur diejenigen, denen es nicht gelingt, KI & Co. als Assistenten für ihre eigene Intelligenz zu nutzen.
KI kann zigtausend Dinge tun, die im betrieblichen Alltag nützlich sind, die die qualitative Arbeit der Beschäftigten steigern und zu besseren Entscheidungen führen. Sie ist eine Meisterin der Routine und rund um die Uhr für uns da. Menschen hingegen sind genau dann gefragt, wenn frische Herangehensweisen benötigt werden, die man auch mit einer Fülle von Daten nicht berechnen kann. Ideen mit Charakter sozusagen.
Menschen sind Generalisten und Multitalente. Wir punkten mit Humor, Fantasie, Empathie, Intuition, Impulsivität, Spiritualität, Kontexterfassung, Fingerspitzengefühl, Improvisationstalent, Verhandlungsgeschick, gesundem Menschenverstand – und mit Liebe. Top ausgeprägt ist bei uns auch die Lust am Sozialen, das, was der Anthropologe Lionel Tiger „Sociopleasure“ nennt. Wer es auf solchen Gebieten zur Könnerschaft bringt und sich zudem beruflich stets weiterentwickelt, ist im Digitalzeitalter vorne.
Worin KI & Co. besser sind
KI & Co. sind Spezialisten auf einem bestimmten Gebiet. Sie lösen vordefinierte Anwendungsaufgaben. Nachdem sie eine Weile geübt haben, sind sie darin immer besser als der Mensch. Geht es um Schnelligkeit, große Stückzahlen, Informationsberge, Automatisierung, um das Bewältigen repetitiver, fehleranfälliger, anstrengender, schmutziger, ungesunder, gefährlicher Arbeit, liegt KI vorn. Sie lernt schnell, weil sie riesige Datenmengen verarbeiten und diese miteinander vernetzen kann. Sie braucht höchstens wenige Stunden in den Bereichen, wo Menschen Wochen, Monate oder sogar Jahre brauchen.
Selbstlernende Software kann nicht nur von sich aus intelligenter werden, sie ist längst auch kreativ. Manche KI beginnt bereits autonom nach Betätigungsfeldern zu suchen, weil man ihr Belohnungsprogramme eingepflanzt hat. Sie bringt sich selbst etwas bei. Smarte KI kann Geschichten schreiben, Symphonien komponieren, eigene Kunstwerke erschaffen, Emotionen interpretieren, Mitgefühl simulieren. Sie kann sich programmieren und sich replizieren, also selbstständig neue Intelligenzen gebären.
Doch Ethik, Werte und Moral: Das kennt die Technologie nicht. Das muss von den Menschen kommen. Am Anfang jeder Software-Programmierung steht immer ein Mensch. So spiegelt KI unsere Werte. Sie übernimmt das Gute und das Schlechte von uns. In den Händen der Falschen ist sie ein Teufelszeug. Obacht ist also existenziell.
Wissen und Weisheit verknüpfen
Eine gut gemachte KI versucht nicht, das menschliche Gehirn zu imitieren. Sie unterstützt uns vielmehr darin, bessere Ergebnisse hervorzubringen. So macht KI aus Zahlen, Daten und Informationen Wissen. Menschliche Intelligenz gelangt über Wissen, Erfahrungen und Reflexion zum Erfolg.
Beispielsweise verknüpft der Online- Anbieter Outfittery, wie ähnliche Anbieter auch, die Stärken menschlicher und künstlicher Intelligenz folgendermaßen: Auf Basis von Informationen, die der Besteller im Vorfeld zur Verfügung stellt, gibt zunächst die KI eine Empfehlung ab, welche Artikel aus dem breiten Sortiment dem Kunden am besten gefallen könnten. Da die KI aber kein Modebewusstsein hat, beschäftigt Outfittery Stylisten, die die finalen Outfits für die Kleiderboxen zusammenstellen. Überall rücken Mensch und KI enger zusammen. Als Tandem sind sie sowohl dem Menschen allein als auch der KI allein überlegen. Kernfragen sind also diese:
- Was kann KI besser als Menschen?
- Was können Menschen besser als KI?
- Wann überlassen wir die Arbeit der KI und wann schreiten wir ein?
- Welche neuartigen Leistungen können Menschen mit KI-Unterstützung erbringen?
- Wie kann es gelingen, das Beste von beidem so miteinander zu verknüpfen, dass es unser Leben, unsere Arbeit und die Welt besser macht?
Um diese Fragen herum werden eine Menge neue Berufsbilder entstehen.
Menschmomente von hoher Bedeutung
KI & Co. müssen erst in die Schule gehen, damit sie was können. Künstliche Co-Worker müssen programmiert, betreut, trainiert und vor Angriffen geschützt werden. Das macht die Arbeit anspruchsvoller. Nur die wenig Qualifizierten arbeiten der KI als Handlanger zu. Sehr gut bezahlt werden hingegen die, die KI zur Hochform auflaufen lassen. Zudem sind zunehmend die gefragt, die mehr können als das, was Software kann: inspirierte und in die Zukunft verliebte Übermorgengestalter.
Klar, in vielen Situationen wird der direkte Kundenkontakt nicht mehr gebraucht. Doch wenn wir ihn brauchen, dann muss er außergewöhnlich werden. „Sie sprechen jetzt mit einem Menschen“ sollte ein Qualitätsmerkmal sein. Es ist eine Zumutung, jemanden mit einem kniffligen Problem oder einer grollenden Reklamation an einen Chatbot weiterzuleiten, der stereotype Fragen stellt und automatisierte Antworten gibt.
Damit wird sichtbar: Die menschliche Komponente bleibt auch in Zukunft von hoher Bedeutung. Gerade, weil wir immer mehr von Digitaltools umgeben sind und deren Perfektion zunehmend steigt, verstärkt sich unsere Sehnsucht nach Momenten, in denen es menschelt. Das Wichtigste für uns Menschen sind andere Menschen. So riskiert der, der seine Mitarbeiter komplett durch Digitaltools ersetzt, dass er Kunden verliert.
Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote- Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach.
www.anneschueller.de