Im Glauben der meisten Menschen ist Kommunikation eine selbstverständliche Kompetenz. Darum braucht man sich nicht kümmern, da sie ohnehin vorhanden ist. Und in vielen Situationen stimmt das auch. Wir alle sind Kommunikationsprofis und in mindestens 99 Prozent aller Situationen ist unsere Kommunikation auch erfolgreich. Aber bei diesem letzten Prozent, da geraten wir in Konflikte, da haben wir Streit, da verlieren wir den Kunden oder Geschäftspartner. In der Fliegerei, aus der ich komme, passieren bei diesem einen letzten Prozent die Katastrophen. Damit es nicht zwangsläufig dazu kommt, könnte ein kleines Update in Sachen Kommunikationskompetenz vielleicht nicht schaden.
Wir brauchen gute Kommunikation ohnehin ständig: im Umgang auf der Managementetage, mit den Mitarbeitern, bei Reklamationen und Missverständnissen sowie natürlich in persönlichen Verhandlungssituationen und privaten Gesprächen.
Wege aus der Crash-Kommunikation
Entgegen den Ängsten vieler Passagiere verunglücken Flugzeuge selten durch schlechtes Wetter, Materialermüdung oder Fehler der Flugkontrolle. Die meisten Unfälle in der Luftfahrt sind vielmehr auf „menschliches Versagen“ der Crew zurückzuführen. Dieses menschliche Versagen hat jedoch größtenteils eine Geschichte. Eine Geschichte des Zusammenwirkens bestimmter innerer und äußerer Faktoren. Stress, starre Regeln und Hierarchien, Obrigkeitshörigkeit und Kommunikationsprobleme ergeben – oft in Kombination mit äußeren Ereignissen – einen explosiven Cocktail, der schließlich zum Crash führen kann. Menschen übersehen wichtige Aspekte, fehlinterpretieren Zusammenhänge, treffen übereilte Entscheidungen oder sind schlichtweg ihren Emotionen ausgeliefert.
In hochsensitiven Bereichen wie dem Flugverkehr, der Raumfahrt und der Offshore-Förderung werden daher schon lange viel Zeit und Geld darin investiert, zu erforschen, wie Menschen „ticken“ und wie menschliche Kommunikation funktioniert. Aber müssen wirklich erst Leben in Gefahr sein, um den Untiefen menschlichen Handelns gezielt und umsichtig zu begegnen? In der Wirtschaft und in Unternehmen bleibt der Faktor „Mensch“ bei der Fehleranalyse bis dato noch weitgehend außen vor. Kommunikationspannen kosten hier zwar nicht das Leben, aber häufig Arbeitsplätze und nicht selten Millionen von Euro. Mitunter geraten Unternehmen in Schieflage – weil die Kommunikation nicht stimmt und im Unternehmenscockpit Kommunikationsfehler unterlaufen.
Wir können mehr managen, als wir glauben
Wir alle haben es schon getan: Wir haben Beziehungen auf- und auch abgebaut. Manche mit viel Drama, manche mit einer Faust in der Tasche, manche, wo man am Ende gar nicht weiß, wie es zu diesem Bruch kommen konnte. Gesunde, wertschätzende und respektvolle Beziehungen sind im Unternehmen die Königsdisziplin. Man braucht sie gegenüber Kollegen, gegenüber der Mannschaft und den Kunden – eigentlich mit allen Stakeholdern, mit denen die Organisation in Kontakt ist. Ist die Kommunikation vergiftet, übernehmen der Flurfunk und die Auftragslage das Stimmungsbarometer.
Wir alle kommunizieren durchgehend und Kommunikation ist die wichtigste Kompetenz unserer Zeit. Dabei hat sich in diesem Jahrtausend vieles verändert. Digitalisierung und soziale Medien haben unser Kommunikationsverhalten enorm beeinflusst – und zwar nicht immer zum Guten! Gute Kommunikation ist heute also wichtiger denn je. Die gute Nachricht: Es gibt Tools und Strategien, mit denen man eine zielführende verbale Interaktion üben und entwickeln kann.
Manche Sachen gehören eigentlich zum gesunden Menschenverstand, sollte man meinen. Doch viele Menschen haben ganz einfache, beziehungsfördernde Aktionen nicht mehr auf dem Schirm. Bei allen Grundlagen einer gelingenden Kommunikation steht im Fokus eigentlich immer der gegenseitige Respekt. Fünf Beziehungs-Basics, die häufig vergessen werden, haben sich im Beziehungstuning von jeher besonders bewährt und sollen hier noch einmal in Erinnerung gerufen werden. Allein damit lässt sich nämlich viel gewinnen.
1. Den anderen ausreden lassen
Diese erste Option ist unkompliziert anzuwenden, überaus wirkungsvoll, scheint aber nahezu unbekannt zu sein: Lass den anderen ausreden. Das sollte wohl selbstverständlich sein, bleibt aber im Eifer des Gefechts häufig auf der Strecke. Wir signalisieren echtes Interesse, wenn wir das Gegenüber nicht unterbrechen. Gerade bei Vielrednern heißt es, Ruhe zu bewahren. Sie haben häufig das
Gefühl, dass man ihnen nicht zuhört. Hier kann man mit Geduld und Verständnis echtes Vertrauen aufbauen.
2. Wirklich zuhören
Nichts zu sagen, ist noch lange nicht zuhören! Wie oft sind wir in Gedanken und mit unserer Aufmerksamkeit schon lange bei einer Erwiderung oder Gegenargumenten? Wirkliches Zuhören befördert generell mehr Aufmerksamkeit für die kommunikative Situation und die unterschiedlichen Standpunkte. Echtes Zuhören signalisiert Wertschätzung und hat noch einen anderen gravierenden Vorteil: Man erhält wesentlich mehr Informationen.
3. Versuchen, den anderen zu verstehen
Jemand, der genauso ist wie man selbst, ist verhältnismäßig leicht zu verstehen. Die Kunst beginnt, wenn man mit Menschen zu tun hat, die ganz anders unterwegs sind. Sie haben vielleicht einen vollkommen anderen Geschmack, ein anderes Empfinden von Preis-Leistung, andere Einstellungen oder politische Sichtweisen. An der Stelle wird es schon schwieriger. Jetzt ist Empathie gefragt. Man muss wenigstens versuchen, sich in die Schuhe des anderen zu stellen. Verstehen hat nichts mit recht geben, tolerieren oder gar akzeptieren zu tun. Aber wenn man zu einer einvernehmlichen Lösung kommen will, setzt das ein gewisses Wollen bei allen Beteiligten voraus. Ein Verständnis des anderen – wenigstens in Grundzügen – ist unabdingbar, damit sich die Fronten nicht verhärten.
4. Gemeinsamkeiten finden
Nach Gemeinsamkeiten zu suchen, ist das vielleicht wirkungsvollste Mittel. Wie oft sehen wir nur das Trennende, die Widersprüche, die Andersartigkeit? Gerade in Teams, die miteinander arbeiten, tun sich viele Differenzen auf. Wir haben aktuell vier Generationen auf dem Arbeitsmarkt und kaum vorzustellen, wenn die sagenumwobene Generation Z genauso ticken würde wie die Babyboomer. Das kann doch auch niemand wollen. Jede Annäherung oder Einigung beginnt mit Gemeinsamkeiten. Diese gilt es zu suchen und auch direkt anzusprechen, das schafft Verbindungen. Oft kann es sinnvoll sein, sich während eines Gesprächs oder während eines Konflikts wieder darauf zu besinnen, was verbindet. Das Trennende drängt sich meist ohnehin von selbst auf.
5. Die Meinung des anderen wenigstens in Teilen akzeptieren
Auch die fünfte Stellschraube zielt in diese Richtung. In jeder noch so konträren Haltung lassen sich für gewöhnlich Punkte finden, denen man zustimmen kann. Mitunter sind die Motive des Gegenübers gar nicht so weit entfernt, wie es scheint. Diese Technik der teilweisen Akzeptanz hat eine enorme Wirkung. Wie beim Bohren eines kleinen Lochs in einen Deich passiert scheinbar erst einmal nichts. Dennoch weicht der Damm langsam auf und verliert seine strukturelle Festigkeit – bis er bricht.
Die Basics in der Praxis
Vielleicht denkt manch einer, dass diese Stellschrauben doch auf der Hand liegen. Die Praxis zeigt etwas anderes. Oft sind wir schon überfordert, wenn wir die wichtigsten Informationen aus ein paar einfachen Sätzen wiedergeben sollen. Und das ist eben keine Kleinigkeit, sondern eine grundlegende Herausforderung für Sender und Empfänger. Wann hören wir wirklich mal sehr bewusst richtig gut zu oder versuchen, verbindende Punkte in einer vertrackten Kommunikationssituation auszumachen und so einen halbwegs funktionierenden Konsens hinzubekommen? Dazu kommt, dass gerade unter Stress und in emotional aufgeladenen Situationen unsere Wahrnehmung sicher nicht besser wird.
Blinde Flecken erkennen
Wir alle sind Gefangene unserer eigenen Erfahrungen und Deutungen. Wir konstruieren unsere Wirklichkeit, und können auch gar nicht anders, denn die Barriere unserer eigenen Wahrnehmung können wir nicht überspringen. Es ist daher nur vernünftig, die eigene Weltsicht nicht für allgemeingültig und unfehlbar zu halten. Wir sollten uns stattdessen gezielt um korrigierende Einflüsse bemühen. Im Unternehmensalltag kann ein vertrauenswürdiger und kompetenter Kollege oder Vorgesetzter ein wichtiger Bezugspunkt sein. Denn es kommt immer wieder vor, dass manche Alphatiere den Bezug zu Umwelt und Realität verlieren. Führungskräfte, die unbeirrt am einmal eingeschlagenen Kurs festhalten, auch wenn dieser sich als problematisch erweist und Mitarbeiter längst zu zweifeln beginnen, gibt es nicht nur in Weltkonzernen. Sie alle kennen vermutlich irgendein kleines oder mittelständisches Unternehmen (Ihres natürlich ausgenommen), in dem beispielsweise ein in die Jahre gekommener Patriarch oder ein dominanter Manager einsame Entscheidungen trifft und seine Firma damit an den Rand des Abgrunds führt.
Besonders toxisch ist eine Kultur der Sprachlosigkeit. Dabei wissen wir heute, dass die weltweit erfolgreichsten Unternehmen eine eher offene Kultur mit niedrigen hierarchischen Hürden leben. Ebenso wichtig wie Organigramm und Titel ist die gelebte Kommunikation. Und prägend für eine Abteilung und Firma ist dabei der Stil der Führungsriege.
Fangen Sie mit den Basics an und fordern Sie diese konsequent auch bei anderen ein. Damit ist schon viel gewonnen in Sachen Beziehungsmanagement.
Peter Brandl
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Peter Brandl ist einer der gefragtesten Key Note Speaker zum Thema Kommunikation im deutschsprachigen Raum. Seine Erfahrungen als Pilot und erfolgreicher Unternehmer gibt er in Form von Beratungsdienstleistungen, Vorträgen und Büchern weiter. Sein aktuelles Werk „Kommunikation 3.0“ behandelt die aktuellen Entwicklungen im Kommunikationsbereich.