Kollektive Fehlentscheidungen: Wenn Gruppen gemeinsam scheitern

In vielen Unternehmen gilt Teamarbeit als Schlüssel zum Erfolg. Die Annahme: Mehr Köpfe führen automatisch zu besseren Entscheidungen. Doch statt von der gebündelten Expertise der Teammitglieder zu profitieren, entstehen oft Dynamiken, die Entscheidungsprozesse erschweren und innovative Ansätze blockieren.

Dynamik von Gruppenentscheidungen

In der Theorie sollten Teams durch die Kombination verschiedener Perspektiven bessere Entscheidungen treffen. Doch in der Praxis dominieren oft Gruppendenken, soziale Hierarchien und vorsichtiges Abwägen. Individuelle Meinungen werden aus Angst vor Widerspruch oder Konflikten zurückgehalten, während dominante Stimmen den Entscheidungsprozess lenken.

Ungewöhnlich ist das nicht: Schon eine Studie des Psychologen Irving Janis aus dem Jahr 1972 beschäftigte sich mit dem Begriff des Gruppendenkens („Groupthink“) und zeigte, wie der Wunsch nach Harmonie innerhalb einer Gruppe zu irrationalen oder dysfunktionalen Entscheidungen führen kann. Durch diese Tendenz zur Risikovermeidung entscheiden sich Teams häufig für den kleinsten gemeinsamen Nenner, um eine breite Akzeptanz zu sichern, statt mutige oder innovative Lösungen zu verfolgen. Dies führt zu konservativen Entscheidungen und einem Mangel an Fortschritt.

Warum Teams nicht automatisch besser sind

Bereits in Ausgabe 5/2024 unseres Magazins haben wir uns angeschaut, was ein Team eigentlich ausmacht und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit es effizient funktioniert (vgl. gmbhchef 5/2024, S. 44 f.). Dazu zählten u.a. die folgenden Punkte:

  • Es setzt sich aus qualifizierten und motivierten Mitgliedern zusammen.
  • Die Teammitglieder verfolgen ein gemeinsames Ziel und empfinden sich als Einheit.
  • Es besteht Vertrauen und langfristige Zusammenarbeit.

Doch in Unternehmen werden Hochleistungsteams oft künstlich zusammengestellt, ohne diese Bedingungen zu erfüllen. Statt eingespielter Teams arbeiten dann zufällig zusammengesetzte Gruppen an kurzfristigen Projekten.

Unrealistische Ziele und destruktive Anreizsysteme

Unternehmen setzen oft bewusst sehr hohe Zielvorgaben, um Mitarbeiter zu Höchstleistungen anzuspornen. In der Praxis führt das jedoch nicht zu besseren Ergebnissen, sondern zu ineffizienten Arbeitsweisen. Mitarbeiter arbeiten isoliert, weil sie sich auf ihre individuellen Ziele konzentrieren müssen. Der Blick für das große Ganze geht verloren.

Zudem begünstigen gewisse Anreizsysteme (z.B. Boni oder Karrierechancen) ungewollt Fehlverhalten, denn sie hängen oft von den individuellen Erfolgen und nicht von der Teamleistung ab. Das führt dazu, dass Informationen zurückgehalten oder konkurrierende Kollegen ausgebremst werden.

Einfluss von Unternehmensstrukturen auf Entscheidungsprozesse

Neben persönlichen und gruppendynamischen Faktoren spielen auch strukturelle Gegebenheiten eine Rolle. Strenge Hierarchien können den Informationsfluss behindern, weil Mitarbeiter sich nicht trauen, kritische Fragen zu stellen oder unkonventionelle Vorschläge einzubringen. Entscheidungsprozesse werden durch bürokratische Hürden verlangsamt, sodass Chancen ungenutzt verstreichen.

Auch die Unternehmenskultur hat großen Einfluss: Eine fehlerintolerante Kultur fördert defensive Entscheidungen; Mitarbeiter agieren vorsichtiger, statt innovative Wege zu suchen und zu beschreiten.

Fazit: Der Weg zu besseren Gruppenentscheidungen

Nur wenn Unternehmen diese fehlerhaften Strukturen erkennen und aktiv dagegen steuern, können sie das volle Potenzial ihrer Teams ausschöpfen und innovative Ansätze fördern. Dazu braucht es gezielte Maßnahmen:

  • Gemeinsame Vision und klare Ziele: Klare, abgestimmte Zielsetzungen fördern Zusammenhalt und produktive Zusammenarbeit.
  • Offene Kommunikationskultur: Ein Umfeld, das Meinungsvielfalt und konstruktive Kritik fördert, verbessert die Entscheidungsprozesse.
  • Flexible und effiziente Strukturen: Weniger Bürokratie und schnellere Entscheidungswege helfen, Chancen besser zu nutzen.
  • Fokus auf Teamleistung: Anreizsysteme, die die Zusammenarbeit honorieren, verhindern Konkurrenzdenken und fördern langfristigen Erfolg.
  • Langfristige Zusammenarbeit: Eingespielte Teams arbeiten effektiver als stetig wechselnde Projektgruppen.

Redaktion des VSRW-Verlags

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