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Interview mit Frank Thelen: Mein Leben, meine Firma, meine Strategie

Interview mit Frank Thelen: Mein Leben, meine Firma, meine Strategie

„Wenn man sich dafür entscheidet, ein Start-up zu gründen, muss man sich im Klaren sein, was dies für einen bedeutet: 24×7 liegt der Fokus auf dem Start-up.“ Frank Thelen ist der prominenteste Start-up Investor Deutschlands und gilt als einer der kreativsten Vordenker der Digitalisierung in Europa. Der neueste Band der Buchreihe „Mein Leben, meine Firma, meine Strategie“, in der herausragende Unternehmer von den Autoren der Wirtschaftswoche porträtiert und interviewt werden, widmet sich nun seiner Persönlichkeit. Dies ist ein guter Anlass für den gmbhchef, um mit Herrn Thelen zu sprechen.

Lieber Herr Thelen, herzlichen Glückwunsch. Nun gehört Ihre Persönlichkeit auch zu der bekannten Buchreihe „Mein Leben, meine Firma, meine Strategie“. Lernen wir dort eine völlig neue Seite von
Ihnen kennen?

Wer meine Autobiografie „Startup-DNA“ gelesen hat, kennt meinen Werdegang natürlich schon, aber hier werden die Stationen nochmal von einer ganz anderen Seite beleuchtet. Durch Interviews mit meinen Freigeist Partnern und Gründern gibt es zahlreiche neue Informationen zu meinem Leben. Das Buch geht also einen Schritt weiter, mit sehr persönlichen und aktuellen Einblicken in mein Team und Netzwerk.

Sie waren ein schlechter Schüler, haben Ihr Studium abgebrochen und im Alter von 25 Jahren standen Sie mit Millionenschulden kurz vor der Privatinsolvenz. Wie haben Sie es geschafft, sich von ganz unten nach ganz oben zu kämpfen? Wie ist Ihnen der Durchbruch gelungen?

Mit Passion und Durchhaltevermögen. Ich war kein guter Schüler, aber ich konnte mich schon immer für Technologie begeistern und ich habe schon früh beim Skateboardfahren gelernt, immer wieder aufzustehen. Als ich damals vor der Privatinsolvenz stand, bin ich erstmal in ein tiefes Loch gefallen. Doch dann war da diese neue Idee für eine Software, die mich nicht mehr losgelassen hat. Ich habe Tag und Nacht an meiner Vision gearbeitet und aus dem Nichts, ohne externe Finanzierung, den Weltmarktführer für Fotoservice- Software aufgebaut – ip.labs. Das war einer der wichtigsten Durchbrüche in meiner Karriere.

Sie haben nie den Mut verloren. Hat Sie damals das Geld motiviert oder gab es andere Gründe?

Nein und ich glaube auch nicht, dass Geld die richtige Motivation ist. Ein Unternehmen zu gründen ist keine leichte Aufgabe und birgt hohe Risiken. Als Gründer zahlt man sich in den ersten Jahren nur so viel Gehalt aus, wie man zum Überleben braucht. Es wäre viel einfacher, in einem normalen Job an Geld zu kommen. Insbesondere für mich, da ich damals schon einmal mit einem Unternehmen gescheitert war und mir niemand mehr Geld geben würde. Was mich angetrieben hat, war die Begeisterung für mein Produkt und ein Stück weit auch der Ehrgeiz, meinen Eltern und mir selbst zu beweisen, dass ich es doch schaffen kann.

Was waren rückschauend die besten Ratschläge, die Sie in Ihrem Berufsleben erhalten haben?

Die wichtigste Lektion in meinem Leben ist: Aufstehen und weitermachen. Es wird immer Rückschläge geben. Entscheidend ist, wie man damit umgeht und ob man bereit ist, daran zu wachsen.

Können Sie aufgrund Ihrer Erfahrungen Niederlagen und Rückschläge heute besser verkraften als früher?
Aus meiner jetzigen Situation heraus ist es natürlich deutlich leichter Rückschläge zu verkraften. Ich bin bereits meinen Weg gegangen, bin finanziell unabhängig und muss mir keine Sorgen mehr um meine Altersvorsorge machen. Außerdem war ich schon mal ganz unten und weiß, dass es auch wieder bergauf geht. Das hilft natürlich sehr. Insgesamt wünsche ich mir für Deutschland eine bessere Fehlerkultur – wir alle sollten lernen, dass Scheitern im Leben dazugehört und dass es nicht zwangsläufig das Ende der eigenen Karriere bedeutet. Dann würden sich unsere jungen Talente vielleicht wieder mehr trauen, denn nur so können wir wieder mehr Innovationen hervorbringen.

Als mittlerweile bekanntester Start-up Investor Deutschlands sind Sie für viele Unternehmer ein Vorbild. Welche Eigenschaften muss ein guter Investor haben?

Den größten Mehrwert für unser Portfolio bringen wir bei Freigeist mit unserer Erfahrung ein. Wir sind selber Gründer, kennen die Herausforderungen und packen in allen Bereichen von Strategie und Business Development, über Produktentwicklung, Finanzen und Fundraising bis hin zur Brand und Kommunikation mit an. Um unseren Portfolio-Unternehmen dieses Rundum-Paket bieten zu können, machen wir sehr bewusst nur wenige Investments im Jahr. Das ist unsere Strategie. Viele Fonds funktionieren hier natürlich fundamental anders und machen trotzdem einen guten Job. Entscheidend ist aber vor allem im Tech-Bereich ein langfristiger Anlagehorizont und geduldiges Geld. Besonders disruptive Technologie-Unternehmen brauchen Zeit, um ihr Produkt bis zur Marktreife zu entwickeln und profitabel zu werden. Da reichen klassische Fonds-Zyklen von fünf Jahren oftmals nicht aus.

Wie finden Sie Start-ups, in die Sie investieren und nach welchen Kriterien wählen Sie ein Investment aus? Welchen Rat können Sie gerade jungen Investoren geben?

Wir sind eng vernetzt mit den führenden Tech-Unis Deutschlands sowie im regelmäßigen Austausch mit Forschungszentren und den entsprechenden Organisationen. Vieles wird uns über unser breites Netzwerk zugespielt. Inzwischen gibt es aber auch gute Start-ups, die Investoren mithilfe von Softwarelösungen beim Dealflow unterstützen.

Viele Start-ups sind bei der Planung zu optimistisch und nur wenige von ihnen schaffen den Durchbruch. Wann ist für Sie der Zeitpunkt gekommen, in dem Sie nicht mehr an den Investment-Case glauben und ein finanziertes Start-up-Unternehmen ggf. insolvent gehen lassen?

Wir prüfen vor einem Investment natürlich genau, ob die Technologie funktionieren kann und es eine große Nachfrage geben wird. Insbesondere in den ersten 12 bis 18 Monaten arbeiten wir sehr eng mit den Gründern zusammen und unterstützen sie dabei, die richtigen Talente für ihr Team zu gewinnen und einen soliden Businessplan aufzubauen. Solange die Gründer fair und ehrlich mit uns reden und sich von uns in schwierigen Zeiten unterstützen lassen, stehen wir zu 100 Prozent hinter ihnen. Wenn doch mal ein Projekt beendet wird, ist das immer die Entscheidung des Gründerteams.

Von zehn Start-ups, in die Sie investieren: Wie viele davon scheitern?

Wir haben hier bei Freigeist bislang einen für die Venture-Capital-Branche überdurchschnittlichen Track-Record. Im Normalfall scheitern sieben von zehn Startups. Wir liegen bisher bei zwei von zehn, wobei ich hier die VOX-Serie „Die Höhle der Löwen“ rausnehme. Besonders in den ersten Staffeln gab es leider viele erfolglose Deals.

Fehler passieren immer wieder, ob wir nun wollen oder nicht. Was ist der größte Fehler, den man als Investor machen kann?

Der teuerste Fehler als Investor ist es, eine wirklich große Chance zu verpassen.

Neues Jahr, neue Ziele: Welche Projekte werden Sie 2022 anpacken?

2022 ist bisher kein gutes Jahr für Europa. Neben dem Klimawandel und der Energiewende haben wir mit dem Krieg in der Ukraine jetzt noch eine weitere große Herausforderung, die sich auf unsere Wirtschaft und unseren Alltag auswirken wird, von den humanitären Folgen und dem furchtbaren Leid für die Menschen in der Ukraine möchte ich gar nicht erst anfangen. Gerade in solchen Zeiten braucht es mutige Köpfe, die Lösungen umsetzen. Ich setze mich daher weiterhin für europäische Innovationen und nachhaltige Technologien ein. Mit den 10xDNA-Fonds werden wir Privatanlegern weiterhin die Möglichkeit bieten, am disruptiven Wandel an den Märkten teilzunehmen.

Vielen Dank für das Interview.

Das Interview führte Janine Dengel

Das Buch zum Thema

Beat Balzli (Hrsg.), Volker ter Haseborg
Frank Thelen: Mein Leben, meine Firma, meine Strategie
Gabal Verlag 2022, 160 Seiten, 29,90 Euro
ISBN: 3967390942

Zur Person

Frank Thelen ist ein europäischer Seriengründer, Technologie-Investor und TVPersönlichkeit („Die Höhle der Löwen“). Als Gründer und CEO von „Freigeist Capital“ konzentriert er sich auf Frühphasen-Investitionen wie Lilium Aviation, Kraftblock, Wunderlist, myTaxi oder Ankerkraut. Seine Bücher „Startup-DNA“ und „10xDNA“ wurden beide zu Bestsellern.

Stand: 17.05.2022 10:15