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Interview mit Frank Thelen: 10xDNA

Interview mit Frank Thelen: 10xDNA

Lieber Herr Thelen, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem zweiten Buch. Was bedeutet „10xDNA“?
10xDNA beschreibt die Denkweise, die erforderlich ist, um die vor uns liegenden technologischen Fortschritte und Innovationen zu erfassen und zu nutzen. Mit der exponentiellen Entwicklung von künstlicher Intelligenz, Robotik, 5G und anderen disruptiven Technologien wird sich unsere Welt in den nächsten zehn Jahren drastisch verändern. Ganze Industrien werden umgewälzt und wer sich nicht jetzt mit den bevorstehenden Entwicklungen auseinandersetzt, wird zukünftig abgehängt werden. Deshalb ist es mir so wichtig, in Deutschland und Europa mit dem Buch einen Impuls zu geben – damit unsere Unternehmen wieder zukunftsorientiert und mutig denken und handeln.
Sie sprechen in Ihrem Buch über Technologien der Zukunft. Wie werden diese unser Leben beeinflussen und bis wann werden diese den Alltag aller Menschen in Deutschland verändert haben?
Schon heute leben wir in einer sehr weit greifenden Abhängigkeit von Technologie. Diese Abhängigkeit wird sich in den kommenden Jahren noch mal deutlich verstärken. Wir kommen in ein exponentielles Zeitalter, in dem sich Technologie so schnell entwickelt, dass wir es gar nicht mehr begreifen können. Flugtaxis, Fleisch aus dem Labor, autonomes Fahren und Gen-Sequenzierung sind schon lange keine Science-Fiction mehr. Es fällt uns von Natur aus schwer, exponentiellen Fortschritt zu begreifen, aber ich bin mir sicher, dass unsere Welt in zehn Jahren komplett anders aussehen wird, als wir sie heute kennen.
Die Corona-Krise hat wirtschaftlich einen großen Einschnitt bedeutet. Steckt darin auch eine Chance? Und was bedeutet dies für Start-ups?
Die große Chance der aktuellen Herausforderungen liegt in der Bereitschaft zur Veränderung. Deutschland war jahrelang im Wohlstandsschlaf – es ging uns einfach zu gut. Die Corona-Krise ist ein Weckruf, der uns hoffentlich aus unserer Trägheit herausreißt und uns dazu zwingt, konsequent, mutig und zukunftsorientiert zu handeln. Für Start-ups bedeutet die Krise ebenso wie für alle anderen Unternehmen Chance und Risiko zugleich.
Sie sagen, dass die nächsten zehn Jahre die bislang intensivsten der Menschheit sein werden. Was erwartet uns?
Uns erwarten tiefgreifende Veränderungen in allen Bereichen unseres Lebens. Künstliche Intelligenz, Roboter, 3D-Druck und Co. bringen viele Chancen, aber auch Herausforderungen mit sich. Wir müssen uns mit einigen zentralen Fragestellungen beschäftigen: Was tun wir, wenn durch die Automatisierung zunehmend Jobs wegfallen? Brauchen wir ein bedingungsloses Grundeinkommen? Wie können wir die Entwicklung von KI regulieren, um potenziellen Gefahren durch diese sehr mächtige Technologie vorzubeugen? Ich freue mich sehr auf die Zukunft, aber ich denke auch, dass wir diese Debatten schon jetzt führen sollten.
Warum wird es so wichtig sein, den Umgang mit künstlicher Intelligenz zu regulieren? Wo liegen die Gefahren?
Künstliche Intelligenz ist die mächtigste Erfindung, die die Menschheit jemals gesehen hat. Sie wird atemberaubende Fortschritte z.B. in der Medizinforschung, der Automatisierung und der Materialforschung ermöglichen – und somit hoffentlich ein einfacheres, längeres und nachhaltigeres Leben. Aber sie kann in den falschen Händen auch als Waffe eingesetzt werden. Deshalb sollten wir die Forschung und Entwicklung regulieren und dafür sorgen, dass es dazu gar nicht erst kommen kann.
In Ihrem Buch prognostizieren Sie, dass durch KI viele Jobs wegfallen werden – aber dass es nicht unbedingt die sind, die wir vielleicht erwarten.
KI ist sehr gut darin, Daten und Zahlen auszuwerten und wiederkehrende Muster zu erkennen. Sie kann dies schon jetzt besser als der Mensch und wird zunehmend besser darin. Somit sind z.B. auch die Jobs von Radiologen, Richtern und Risikomanagern betroffen, da es hier im Kern genau darum geht. Natürlich werden wir weiterhin im Krankenhaus und bei Versicherungen den Kontakt zu Menschen brauchen – aber einen Großteil der repetitiven, analytischen Aufgaben kann zukünftig KI übernehmen.
Die Vierte industrielle Revolution – was bedeutet dies? Und welche Auswirkungen für Unternehmen und die Gesellschaft erwarten Sie?
Bisher wurde jede industrielle Revolution von einer Grundlagentechnologie ausgelöst. Zuerst war es die Dampfmaschine, dann Elektrizität, dann die Digitalisierung. Doch jetzt stehen gleich mehrere Grundlagentechnologien zeitgleich in den Startlöchern, die schon einzeln das Potenzial haben, ganze Branchen umzuwälzen. In Kombination miteinander entsteht eine Disruptionsmacht, die man sich kaum vorstellen kann. Ich gehe davon aus, dass in zehn Jahren keine Branche mehr nach den gleichen Regeln spielt wie heute noch. Deshalb sollten Unternehmen sich jetzt dringend mit den Veränderungen und Entwicklungen beschäftigen, die ihrer Branche bevorstehen.
Sie befürworten ein bedingungsloses Grundeinkommen, um die Menschen aufzufangen, die durch KI ihre Arbeit verlieren. Aber reicht das eigentlich? Was sollen die Menschen und Unternehmer dann mit der restlichen Zeit anfangen?
Das ist eine der größten Fragestellungen in der Geschichte der Menschheit. Was gibt unserem Leben Sinn, wenn wir nicht mehr arbeiten gehen müssen? Ich denke, gemeinnützige Organisationen, Sport und Kunst können hier Antworten liefern. Aber es wird eine globale Herausforderung werden, hier klare Antworten zu finden.
In einer Demokratie brauchen manche Entscheidungen Zeit, weil mehr ausgehandelt wird. Viele Menschen nehmen die Politik allerdings als sehr träge wahr. Wie sehen Sie in Deutschland die Rolle der Politik – gerade auch in der aktuellen Corona-Krise?
Wir brauchen jetzt mutige Entscheidungen und die richtigen Impulse aus der Politik. Mein Eindruck ist, dass die Politik sich in der Corona-Krise erstmals wieder agil und entscheidungsfreudig gezeigt hat. Dieses Momentum gilt es jetzt auch für wichtige Angelegenheiten wie die Digitalisierung und den Klimawandel zu nutzen.
Wo liegen deutsche und europäische Unternehmer im Vergleich zur internationalen Konkurrenz? Was machen andere Länder und Unternehmer wie z.B. Elon Musk besser als wir?
Die Aktienmärkte zeigen es sehr deutlich: Deutschland verliert gerade den Anschluss. GAFAM und BAT sind zusammen über 6 Bio. € wert. Der DAX30 kommt gerade mal auf 1 Bio. €.

Wenn es so weiter geht, hat Europa zukünftig keine Relevanz mehr im globalen Vergleich und wird bei zentralen Fragestellungen wie Klimaschutz und Umweltverschmutzung nicht mehr mit China und den USA auf Augenhöhe verhandeln können, was fatal wäre.

Deshalb habe ich das Buch geschrieben. Denn in meinen Augen ist es die 10xDNA, die uns Deutschen fehlt. Der 10x-Gedanke kommt ursprünglich aus den USA. Die Mondlandung war damals das erste, wirkliche 10xProjekt. Damit sie gelingen konnte, musste ein Team aus Forschern und Entwicklern Raketen und Maschinen entwickeln, die zehnmal besser waren als alles bisher Dagewesene. Dieses Mindset findet man auch heute noch in den Köpfen der Silicon Valley Gründer – von denen übrigens einige eine direkte Verbindung zum Moonshot-Projekt haben. Sie denken die Dinge neu, handeln nach dem First Principles Thinking Prinzip, von dem auch Elon Musk ein großer Verfechter ist. Diese Denke fehlt uns hier in Deutschland und Europa noch. Ich hoffe, dass ich mit dem Buch einen Impuls geben kann. Europa braucht eine 10xDNA.

Das Interview führte Julia K. Longhin

Das Buch zum Thema
Frank Thelen
10xDNA – Das Mindset der Zukunft
256 Seiten, 19,99 €
ISBN: 978-3-9821764-0-6
Zur Person
Frank Thelen ist ein europäischer Seriengründer, Technologie-Investor und TV-Persönlichkeit. Als Gründer und CEO von Freigeist Capital konzentriert er sich auf Frühphasen-Investitionen wie Lilium Aviation, Kraftblock, Wunderlist, Endurosat und Xentral. Seine Bücher „Startup-DNA“ und „10xDNA“ wurden beide zu Bestsellern.
Stand: 18.11.2020 10:13