OLG Celle, Beschluss vom 28. Oktober 2024, Az. 20 U 8/24
Zur Darlegungs- und Beweislast des Mandanten im Rahmen der Steuerberaterhaftung
(OLG Celle, Beschluss vom 28. Oktober 2024, Az. 20 U 8/24)
– Der Fall:
X war Inhaber eines Kiosks in H, den er Anfang November 2019 eröffnete. Mit der laufenden Finanzbuchhaltung und der Vorbereitung der Umsatzsteuervoranmeldungen beauftragte X den Steuerberater S. Dieser meldete dem Finanzamt die Umsätze für November und Dezember und erstellte auf dieser Grundlage auch die Einnahmen-Überschussrechnung, die er an das Finanzamt übersandte. X betrieb aber darüber hinaus einen weiteren Kiosk in L, offensichtlich bis zum März 2020. Die dortige steuerrechtliche Beratung erfolgte durch einen anderen Steuerberater.
Durch ein Schreiben des Finanzamts im Mai 2021 erfuhr S von erheblich höheren erklärten Umsätzen des X. Dieser teilte ihm auch jetzt erst mit, dass er noch einen anderen Kiosk betrieben hatte mit anderweitiger steuerlicher Beratung. Irgendwelche Daten lagen ihm hierüber nicht vor.
Mit Bescheid vom 9. September 2021 nahm das Finanzamt die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vor. Dieser Bescheid wurde S zugestellt; gegen den Bescheid wurden keine Rechtsmittel eingelegt.
Am 3. November 2021 erging sodann der X selbst zugestellte Bescheid für 2019 über die Einkommensteuer. Die Berechnung des zu versteuernden Einkommens erfolgte auf der Grundlage der zuvor festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
S hat das Mandatsverhältnis mit X durch Kündigungsschreiben vom 14. September 2021, persönlich übergeben von einer Mitarbeiterin des S, gekündigt und in dem Schreiben auf die Einspruchsfrist und den erforderlichen Einspruch hingewiesen.
X hat S auf Schadenersatz wegen Verletzung der Pflichten aus dem Steuerberatervertrag verklagt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
– Die Entscheidung:
Das Oberlandesgericht (OLG) hat dem Kläger keine Prozesskostenhilfe bewilligt und in einem Hinweisbeschluss bekannt gegeben, dass es beabsichtige, die Berufung des X gegen das Urteil des Landgerichts zurückzuweisen.
Das OLG verneint sämtliche dem Beklagten vorgeworfenen Pflichtverletzungen.
Entgegen den Ausführungen des X könne der Steuerberater nicht für die Meldung von Umsätzen für Oktober 2019 beauftragt gewesen sein, da in diesem Monat der streitgegenständliche Kiosk noch gar nicht betrieben wurde.
Das OLG hat auch eine pflichtwidrige Nichtausermittlung des umsatzsteuerrelevanten Sachverhalts verneint. In diesem Zusammenhang hat es den Pflichtenkreis eines Steuerberaters sehr dezidiert dargestellt. Dieser richtet sich stets nach Inhalt und Umfang des erteilten Mandats. Nur soweit der Umfang reiche, müsse der Steuerberater auch ungefragt über die bei der Bearbeitung auftretenden steuerrechtlichen Fragen belehren. In diesem Rahmen sei er zur umfassenden Tatsachenermittlung verpflichtet. Er müsse auf mögliche Steuerrisiken hinweisen und grundsätzlich davon ausgehen, dass der Mandant belehrungsbedürftig sei. Die pflichtgemäße Beratung solle den Auftraggeber in die Lage versetzen, eigenverantwortlich seine Rechte und Interessen zu wahren. Wenn der Mandant fehlerhafte Schlüsse ziehe oder fehlerhafte Anweisungen erteile, müsse der Steuerberater dem zwar folgen, ihn aber auf die drohenden Konsequenzen hinweisen.
Vorliegend hat das OLG festgestellt, es gehöre nicht zu einer ordnungs- und pflichtgemäßen Aufgabenwahrnehmung des Steuerberaters, zu ermitteln, ob auf dieselbe Umsatzsteuernummer weitere Umsatzsteuervoranmeldungen erfolgt seien bzw. ob weitere Geschäftsbetriebe bestünden. Es sei vielmehr Sache des Mandanten, den Steuerberater seinerseits über solche wesentlichen Umstände aufzuklären.
Insoweit hat das OLG auch eine Pflichtverletzung wegen nicht erfolgten Informationsaustauschs mit dem Finanzamtverneint.
Schließlich sieht es keine Pflichtverletzung in dem nicht erfolgten Einspruch gegen den Feststellungsbescheid des Finanzamts. Der Berater müsse in Bezug auf mögliche Rechtsbehelfe die erforderlichen Informationen so an den Mandanten weiterleiten, dass dieser noch die Möglichkeit habe, sich rechtzeitig vor Fristablauf für oder gegen die Einlegung eines Rechtsbehelfs zu entscheiden. Insbesondere bei der Beendigung eines Mandats müsse er auf eine laufende Frist und die drohende Konsequenz einer Untätigkeit hinweisen. Dies alles hatte der Steuerberater vorliegend korrekt gehandhabt.
Zur fristlosen Kündigung eines Steuerberatervertrags sind sowohl der Berater als auch der Auftraggeber berechtigt, ohne dass ein wichtiger Grund hierfür vorliegen muss (§ 627 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch). Die Kündigung sei auch nicht zur Unzeit erfolgt, da der Kläger noch genügend Zeit gehabt habe, einen anderen Steuerberater oder Rechtsanwalt zu beauftragen.
Hinweis: Ganz deutlich hat das OLG auf die geltende Darlegungs- und Beweislast hingewiesen. Der einen Schadenersatzanspruch geltend machende Mandant muss die Pflichtverletzung substantiiert darlegen und beweisen. Den in Anspruch genommenen Steuerberater treffe eine sekundäre Behauptungslast. Er müsse sich gegenüber der Behauptung des Mandanten, ein bestimmter Hinweis oder eine erforderliche Belehrung sei unterblieben, nicht durch einfaches Bestreiten verteidigen, vielmehr müsse er seine korrekte Verfahrensweise und die Reaktion des Mandanten darauf im Einzelnen darlegen.
– Die Konsequenzen:
Der vorliegende Hinweisbeschluss des OLG Celle ist für das Mandatsverhältnis zwischen Mandant und Steuerberater von immenser Bedeutung. Das Gericht stellt schulmäßig den Umfang der den Steuerberater treffenden Pflichten im Rahmen der Mandatsbearbeitung dar.
Der Steuerberater muss den korrekten Sachverhalt feststellen, er muss, soweit er Risiken erkennt, den Mandanten darauf hinweisen und Lösungen vorschlagen. Er muss Fristen einhalten. Sofern der Steuerberater den Mandanten belehrt hat, muss der Mandant die Entscheidungen treffen, auch wenn diese für ihn negativ sind. Der Steuerberater hat diese Entscheidungen zu akzeptieren, muss aber dokumentieren, dass er den Mandanten über die Risiken aufgeklärt hat und der Mandant gleichwohl einen anderen Weg verfolgen will.
Hinweis: Als Berater sollten Sie darauf achten, dass Sie solche Hinweise schriftlich vornehmen und sich die Ergebnisse möglichst auch schriftlich bestätigen lassen. Eine ordnungsgemäße Dokumentation des Mandatsverhältnisses ist auf jeden Fall anzuraten.
Hinsichtlich der Beweispflicht gilt, dass der Mandant alle von ihm behaupteten Pflichtverstöße darlegen und im Zweifelsfall auch beweisen muss. Den Berater trifft aber die Verpflichtung, den Behauptungen des Mandanten dezidiert entgegenzutreten. Bloßes Bestreiten reicht nicht aus.
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