Der Bundesfinanzhof hat in einem Urteil vom 15. März 2023 (Az. I R 41/19) die Zahlung eines Gehalts an einen Gesellschafter, der im Anschluss an seine Pensionierung weiterhin für die Gesellschaft tätig ist, neben seiner Betriebsrente teilweise anerkannt. Die Finanzverwaltung hat sich mit BMF-Schreiben vom 30. August 2024 dieser Rechtsprechung angeschlossen.
Es gibt in wachsendem Umfang Gründe dafür, dass ein Geschäftsführer trotz Erreichen des Pensionsalters weiterhin als Geschäftsführer für die GmbH tätig ist oder nach seinem Ausscheiden wieder reaktiviert werden muss. So kann es sein, dass das besondere Fachwissen und die Berufserfahrung eines Geschäftsführers dazu führen, dass dieser nach der Pensionierung für die Gesellschaft unverzichtbar ist und deshalb seine Geschäftsführertätigkeit fortsetzt. Ist dieser Geschäftsführer zugleich Gesellschafter der GmbH und erhält er von dieser eine Pension, stellt sich die Frage, ob neben der Pension ein Gehalt gezahlt werden kann, das auch als Betriebsausgabe gebucht werden kann. Dies war viele Jahre umstritten.
Kein volles Gehalt neben der Betriebsrente
In seinem Urteil vom 2. Dezember 1992 (Az. I R 54/91) hat der Bundesfinanzhof (BFH) noch die Auffassung vertreten, dass sich die Zahlung von Gehalt und Pension an Gesellschafter-Geschäftsführer (GGF) aus demselben Dienstverhältnis ausschließen. Ein gleichwohl gezahltes Gehalt wurde als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) behandelt. Mit Urteil vom 5. März 2008 (Az. I R 12/07) ist er sodann zu der Erkenntnis gekommen, dass beide Zahlungen möglich sind, dass allerdings die Zahlung des laufenden Gehalts auf die Versorgungsleistung anzurechnen ist. Mit dem BFH-Urteil vom 15. März 2023 kam es dann zu einem weiteren Zugeständnis an betroffene GGF: Der BFH zeigte Verständnis dafür, dass der pensionierte GmbH-Chef nicht „umsonst“ die Geschäfte der GmbH weiterhin wahrnehmen möchte. Deshalb billigte man ihm ein Gehalt in Höhe der Differenz zwischen den Versorgungsleistungen und den letzten Aktivbezügen zu. Die Gesamtbezüge dürfen aber das letzte Aktivgehalt nicht übersteigen.
Beispiel:
Die Betriebsrente des Geschäftsführers beträgt monatlich 5.000 Euro. Sein letztes Gehalt vor der Pensionierung betrug 10.000 Euro. Setzt der Geschäftsführer im Anschluss an die Pensionierung seine Tätigkeit im bisherigen Umfang fort und erhält dafür weiterhin 10.000 Euro, stellt die Hälfte der Gehaltszahlung eine vGA dar und wird somit nicht als Betriebsausgabe anerkannt.
Zu dieser teilweisen Anerkennung einer Vergütung neben den vereinbarten Versorgungsbezügen konnte sich nunmehr auch das Bundesfinanzministerium (BMF) zusammen mit den obersten Finanzbehörden der Länder in seinem Schreiben vom 30. August 2024 durchringen. Eine volle Anerkennung eines angemessenen Gehalts neben den bereits in der Vergangenheit erdienten Versorgungsbezügen lehnt die Finanzverwaltung nach wie vor ab. Sie beruft sich dabei auf die Fiktion eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, der eine volle Gehaltszahlung neben den gewährten Versorgungsleistungen an eine Person, die nicht Gesellschafter ist, ablehnen würde.
Aus welcher „verstaubten“ Erfahrung BFH und Finanzverwaltung diese Erkenntnis ableiten, bleibt dem GmbH-Praktiker verschlossen. Vor dem Hintergrund des derzeitigen Arbeitskräftemangels würden es die Gesellschafter einer GmbH unter Umständen mehr als begrüßen, wenn sich ihr bisheriger Fremdgeschäftsführer bereit erklären würde, neben seiner Betriebsrente noch eine gewisse Zeit für die GmbH weiterhin tätig zu sein, bis ein geeigneter Nachfolger gefunden wurde. Selbstverständlich würde ein Fremdgeschäftsführer dies nur gegen Fortzahlung seines letzten Gehalts vor der Pensionierung tun. Und genauso selbstverständlich würde ihm die Gesellschaft die zuletzt bezogene Vergütung weiterhin zahlen. Die Fortzahlung der vollen Vergütung neben der Betriebsrente an einen GGF würde also in jeder Hinsicht dem sogenannten Fremdvergleich entsprechen, der von der Rechtsprechung und der Finanzverwaltung herangezogen wird, wenn es um die Beurteilung geht, ob eine Leistungsvergütung eine vGA darstellt, weil sie nicht dem Fremdvergleich entspricht.
BFH und Finanzverwaltung sind weiterhin nicht bereit, sich ernsthaft mit den Argumenten auseinanderzusetzen, die für ein uneingeschränktes Nebeneinander von Gehalt und Versorgungsbezügen sprechen:
- Jeder deutsche Bürger kann neben einer in der Vergangenheit erarbeiteten Betriebsrente zusätzlich Einnahmen aus einer aktiven Tätigkeit erzielen – auch für seinen ehemaligen Arbeitgeber –, ohne dass diesem daraus steuerliche Nachteile erwachsen, ausgenommen GmbH-GGF. Erhalten sie das volle Gehalt neben der Betriebsrente, ist die Gehaltszahlung teilweise eine vGA.
- Das Zusammenfallen von Versorgungsbezügen und Gehalt aus einer Weiterbeschäftigung eines GGF kann nicht wegen Unangemessenheit zu einer vGA führen. Denn während die Betriebsrente in einer zurückliegenden Zeit erdient wurde, wird das Gehalt für eine gegenwärtige Tätigkeit gezahlt. Gegenüber diesen Fakten vermag der Verdacht, ein GGF könne seine GmbH „als beliebige Quelle sowohl einer Altersversorgung als auch einer laufenden Tätigkeit benützen“ (BFH, Urteil vom 15. März 2023, a.a.O. Rn. 14), als reine Interessenvertretung der Finanzverwaltung nicht zu überzeugen.
Keine Anerkennung eines Teilzeitgeschäftsführers
Eine vGA ist nach dem BMF-Schreiben „auch dann zu bejahen, wenn das Aktivgehalt und die Arbeitszeit nach Eintritt des Versorgungsfalls deutlich reduziert werden, da eine „Teilzeittätigkeit“ mit dem Aufgabenbild eines Gesellschafter-Geschäftsführers nicht vereinbar ist“. Diese Formulierung erinnert uns an die Mitte der 1990er Jahre, als von uns die Auffassung vertreten wurde, auch ein GmbH-(Gesellschafter-)Geschäftsführer habe als Arbeitnehmer seiner Gesellschaft Anspruch auf steuerfreie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gemäß § 3b Einkommensteuergesetz, wenn alle dafür erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind. Auch damals hieß es schon – ebenso wie auch heute noch –, derartige Überstundenvergütungen würden sich „mit dem Tätigkeitsprofil des ordentlichen Geschäftsführers nicht vertragen“, u.a. deshalb, weil ein GmbH-Geschäftsführer „rund um die Uhr“ die Interessen der Gesellschaft wahrzunehmen habe.
Demgegenüber ist es durchaus vorstellbar, dass ein GmbH-Geschäftsführer – z.B. aus gesundheitlichen Gründen – nur ein Teilzeitarbeitsverhältnis mit seiner GmbH eingeht. Insbesondere bei einer mehrköpfigen Geschäftsführung könnten z.B. drei Geschäftsführer ihre Geschäftsbereiche unter Inkaufnahme von Gehaltsabschlägen jeweils mit einer 30-Stunden-Woche führen – selbstverständlich bei voller Verantwortung für alle Tätigkeitsbereiche der Gesellschaft. Sollen dann sämtliche Vergütungen an Geschäftsführer mit gleichzeitiger Beteiligung vGA darstellen, weil die Finanzverwaltung nur Vollzeit-Geschäftsführer anerkennt?
Immerhin hat der BFH in seinem Urteil vom 15. März 2023 eine Teilzeittätigkeit für einen (Gesellschafter-)Geschäftsführer – jedenfalls in Anschluss an seine Pensionierung
– für zulässig gehalten. Die Finanzverwaltung ist bislang nicht bereit, sich dieser Auffassung anzuschließen. Die Zukunft wird zeigen, wie lange diese Blockadehaltung noch durchgehalten werden kann.
Ausweichstrategien
Solange die volle Abzugsfähigkeit des angegebenen Gehalts neben der Betriebsrente von der Rechtsprechung und Finanzverwaltung verneint wird, bleibt den Betroffenen nur der Weg über Ausweichstrategien, um den vollen Betriebsausgabenabzug für die Gesellschaft zu erreichen.
Ein GGF, der nach der Pensionierung weiterhin für seine GmbH tätig sein möchte oder muss, überträgt seine Beteiligung auf einen Familienangehörigen, z.B. die Ehefrau. Sodann kann er als Fremdgeschäftsführer ein angemessenes Gehalt von der GmbH beziehen, das diese in vollem Umfang steuerlich absetzen kann. In einer harmonischen Ehe sollte diese Lösung kein Problem sein.
Wenn sich die GmbH das Know-how ihres Ex-Geschäftsführers weiterhin mit steuerlicher Wirkung sichern will, kann sie mit ihm einen Beratervertrag abschließen. Dieser muss vom Inhalt, Umfang und von der Honorierung der Beraterleistung einem Fremdvergleich standhalten.

Der Autor Dr. Hagen Prühs ist Schriftleiter der monatlichen Zeitschrift GmbH-Steuerpraxis. Zudem ist er seit 2005 Herausgeber des Wirtschaftsmagazins gmbhchef.