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GmbH-Geschäftsführer: Sozialversicherungspflichtig oder nicht – Neuerungen ab 2022

GmbH-Geschäftsführer: Sozialversicherungspflichtig oder nicht – Neuerungen ab 2022

Mit dem sogenannten Statusfeststellungsverfahren kann eine GmbH rechtlich verbindlich feststellen lassen, ob die Beschäftigung eines GmbH-Geschäftsführers sozialversicherungspflichtig ist oder nicht. Dafür ist entscheidend, ob und in welchem Maße er von Weisungen der Gesellschaft abhängig ist. Mit Wirkung vom 1.4.2020 ist das Statusfeststellungsverfahren teilweise neu geregelt worden.

Gesetzliche Grundlagen und Zielsetzung

Es existieren drei Verwaltungsverfahren, um den sozialversicherungsrechtlichen Status, also die Frage, ob Selbstständigkeit oder Versicherungspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung vorliegt, zu überprüfen:

  •  die Betriebsprüfung (§ 28p des Vierten Sozialgesetzbuchs – SGB IV) durch den kontoführenden Rentenversicherungsträger,
  • das Einzugsstellenverfahren durch die gesetzliche Krankenkasse eines Erwerbstätigen (§ 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV) und
  • das Statusfeststellungsverfahren (§ 7a SGB IV) durch die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund.

Das Statusfeststellungsverfahren ist in § 7a SGB IV gesetzlich verankert. Es ist für bestimmte Personengruppen zwingend durchzuführen (obligatorisches Anfrageverfahren). Dabei handelt es sich um die Beschäftigungen von Ehegatten, Lebenspartnern oder Kindern des Arbeitgebers oder um einen geschäftsführenden GmbH-Gesellschafter.
Die DRV – Clearingstelle Statusfeststellungsverfahren –übernimmt die formalisierte Prüfung im Auftrag aller Sozialversicherungsträger. Antragsberechtigt sind sowohl der Auftraggeber als auch der Erwerbstätige (der GmbH-Geschäftsführer).

Optionales Anfrageverfahren (§ 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV)

Mit dem optionalen Anfrageverfahren soll den Beteiligten Rechtssicherheit darüber verschafft werden, ob der Erwerbstätige selbstständig tätig oder abhängig beschäftigt ist. Antragsberechtigt sind die Vertragspartner (Arbeitgeber und Arbeitnehmer), jedoch keine anderen Versicherungsträger. Jeder Beteiligte kann das Anfrageverfahren allein beantragen, die Beteiligten brauchen sich in der Beurteilung der Erwerbstätigkeit nicht einig zu sein. Aus Beweisgründen ist für das Anfrageverfahren die Schriftform vorgeschrieben. Dazu haben die Beteiligten einen Antrag auszufüllen, der bei der DRV angefordert werden kann.
Das Anfrageverfahren entfällt, wenn bereits durch eine Krankenkasse oder durch einen Rentenversicherungsträger (im Rahmen einer Betriebsprüfung ein Verfahren zur Feststellung des Status der Erwerbsperson durchgeführt oder eingeleitet wurde.

Obligatorisches Anfrageverfahren (§ 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV)

Arbeitgeber haben der Einzugsstelle bei der Anmeldung zusätzlich anzugeben, ob es sich bei der zu beurteilenden Person um, einen geschäftsführenden Gesellschafter einer GmbH handelt (§ 28a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe d und e SGB IV).
Bei der Anmeldung ist dieser Personenkreis gesondert darzustellen und mit einem „Statuskennzeichen“ zu versehen:
1 = Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers
2 = Geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH

Ablauf des Statusfeststellungsverfahrens

Mit dem Statusfeststellungsverfahren soll geklärt werden, ob der betroffene Erwerbstätige selbstständig tätig oder abhängig beschäftigt und damit sozialversicherungspflichtig ist. Nach Abschluss der Ermittlungen und vor Erlass ihrer Entscheidung hat die DRV die Beteiligten anzuhören; sie erteilt anschließend den Beteiligten einen rechtsbehelfsfähigen, begründeten Bescheid. In einem etwaigen Widerspruchsverfahren haben die Beteiligten ab 1.4.2022 das Recht, nach vorheriger schriftlicher Begründung des Widerspruchs eine mündliche Anhörung zu beantragen, die unter Teilnahme aller Beteiligten erfolgen soll. Die Versicherungspflicht bei einem Anfrageverfahren beginnt grundsätzlich
mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis. Abweichend hiervon sieht § 7a Abs. 5 Satz 1 und 2 SGB IV vor, dass die Versicherungspflicht erst mit der Bekanntgabe der Entscheidung der DRV über das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses eintritt, wenn

  • der Antrag auf Feststellung des Status innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit bei der DRV gestellt wird,
  • der Beschäftigte dem späteren Beginn der Sozialversicherungspflicht zustimmt und
  • er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Bekanntgabe der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung entspricht.

Nach § 7a Abs. 5 Satz 3 SGB IV wird die Fälligkeit der Beiträge auf den Zeitpunkt hinausgeschoben, zu dem die Statusentscheidung unanfechtbar wird. Da in diesen Fällen für die zurückliegende Zeit wegen fehlender Fälligkeit ein Lohnabzug nach § 28g SGB IV unterblieben ist, ist der Abzug der Arbeitnehmeranteile durch den Arbeitgeber nicht auf die letzten drei Monate begrenzt.
Entscheidet die Clearingstelle, dass eine abhängige Beschäftigung vorliegt, haben Widerspruch und Klage eines Beteiligten nach § 7a Abs. 6 Satz 1 SGB IV aufschiebende Wirkung.

Widersprüche und Klagen gegen Statusentscheidungen der Krankenkassen und der Rentenversicherungsträger im Rahmen von Betriebsprüfungen haben dagegen keine aufschiebende Wirkung. Im optionalen Statusfeststellungsverfahren entscheidet die Clearingstelle nicht nur über den Status einer Person, sondern auch über die Versicherungspflicht bzw. Versicherungsfreiheit in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Nach Abschluss des Statusfeststellungsverfahrens wird die Entscheidung den Beteiligten mittels eines rechtsbehelfsfähigen Bescheids mitgeteilt.
Steuerberater haben, anders als Rentenberater, keine Vertretungsbefugnis in Statusfeststellungsverfahren (Bundessozialgericht – BSG, Urteil vom 5.3.2014, Az. B 12 R 4/12 R).

Die Bedeutung der Statusbestimmung für GmbH-Geschäftsführer

Die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung eines (GmbH-)Gesellschafter- Geschäftsführers richtet sich grundsätzlich nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Entscheidend ist, ob und in welchem Maße er von Weisungen der Gesellschafterversammlung abhängig ist. Eine Prüfung hat dabei anhand einer Gesamtschau der gesellschafts- und arbeitsvertraglichen Vereinbarungen zu erfolgen. Da beherrschende Gesellschafter in der Regel mangels Weisungsgebundenheit nicht sozialversicherungspflichtig sind, bedarf es einer klaren vorherigen Vereinbarung, wenn die Gesellschaft für ihn (freiwillige) Sozialversicherungsbeiträge
trägt. Als beherrschend sind dabei Gesellschafter anzusehen, die über eine Beteiligung von mindestens 50% oder – bei geringer Beteiligung – über eine umfassende Sperrminorität verfügen. Eine gegenständlich begrenzte, einfache Sperrminorität, die sich nur auf einzelne, im Gesellschaftsvertrag konkret bezeichnete Geschäfte erstreckt und nicht die gesamte unternehmerische Tätigkeit der GmbH erfasst, reicht dabei nicht aus (vgl. BSG vom 14.3.2018, Az. B 12 KR 13/17 R).

Nach der neueren Rechtsprechung des BSG ist im Rahmen einer Gesamtschau der Verhältnisse zu entscheiden, ob das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung nicht nur faktisch nicht ausgeübt wurde, sondern auch in rechtlich zulässiger Weise abbedungen worden ist. Damit wäre der Geschäftsführer in der Lage, eine Erteilung von Weisungen ihm gegenüber zu verhindern. Außerhalb des notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrags getroffene Vereinbarungen sind dabei nach der neueren Rechtsprechung des BSG ungeeignet, weil sie jederzeit von Gesetzes wegen künd- bzw. änderbar seien. Damit reichen Stimmbindungsvereinbarungen oder im Anstellungsvertrag eingeräumte Vetorechte nicht mehr aus, um eine Weisungsfreiheit zu begründen. Erforderlich ist vielmehr eine formwirksam gesellschaftsvertraglich vereinbarte – und dabei nicht auf bestimmte Beschlüsse beschränkte – Sperrminorität des Gesellschafter-Geschäftsführers.

Wird die Zuständigkeit der gesetzlichen Sozialversicherung falsch beurteilt, können sich für die GmbH erhebliche finanzielle Konsequenzen ergeben. So besteht im Fall einer tatsächlich vorliegenden abhängigen Beschäftigung die Gefahr einer Nachforderung der nicht gezahlten Gesamtsozialversicherungsbeiträge gegenüber dem Arbeitgeber (auch der Arbeitnehmeranteile) für die letzten vier bis 30 Jahre (sofern Vorsatz vorliegt) nebst Säumniszuschlägen. Auch kann die Falschbeurteilung strafrechtliche Folgen wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266a Strafgesetzbuch) haben, wobei die Nichtdurchführung eines klärenden Statusfeststellungsverfahrens teilweise als vorwerfbar angesehen wird.

Neuerungen ab 1.4.2022

Mit Wirkung vom 1.4.2022 wurde das optionale Statusfeststellungsverfahren bei der DRV umfassend reformiert: Die DRV entscheidet nicht mehr über die Versicherungspflicht in den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung; dies ist künftig Aufgabe der Krankenkassen als Einzugsstellen. Probeweise (befristet bis 30.6.2027) werden folgende Regelungen eingeführt:

  •  Feststellung des Erwerbsstatus statt der Versicherungspflicht: Gegenstand des Verfahrens ist nunmehr, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt. Es soll also über den Erwerbsstatus (als Element der Versicherungspflicht) isoliert entschieden werden. Sofern eine abhängige Beschäftigung festgestellt wird, wird künftig keine zusätzliche Feststellung der Versicherungspflicht durch die Sozialversicherungsträger mehr erfolgen.
  •  Einführung einer Prognoseentscheidung: Damit kann Rechtssicherheit künftig bereits vor Aufnahme der Erwerbstätigkeit erlangt werden. Bisher konnte das Statusfeststellungsverfahren erst nach Aufnahme der Tätigkeit durchgeführt werden (vgl. BSG, Urteil vom 4.6.2009, Az. B 12 KR 31/07 R). Die Möglichkeit einer Prognoseentscheidung bietet die Gelegenheit, die beabsichtigte Zusammenarbeit zwischen der GmbH und dem Auftragnehmer so zu gestalten, dass eine Versicherungspflicht nach den Vorgaben der DRV vermieden wird.
  •  Klärung bei Dreieckskonstellationen: Bei Einsatz von Fremdpersonal in der GmbH ist häufig ein Außenstehender als Vermittler oder Verleiher beteiligt. Bei einer solchen Dreieckskonstellation sind sämtliche vertraglichen und tatsächlichen Beziehungen zu berücksichtigen. Sofern ein Beschäftigungsverhältnis bejaht wird, kann die Frage beantwortet werden, mit wem (Auftraggeber, Vermittler, Verleiher) das Beschäftigungsverhältnis besteht.
Zur Person

Dr. Hagen Prühs
Herausgeber und Chefredakteur
des Wirtschaftsmagazins
gmbhchef

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Stand: 18.08.2022 12:45