GmbH-Geschäftsführer: Haftungsprivilegierung nach der Business Judgement Rule

Nach § 43 Abs. 1 GmbH-Gesetz hat der GmbH-Geschäftsführer in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns anzuwenden. Verstößt er gegen diese Pflicht, haftet er der Gesellschaft persönlich für den entstandenen Schaden.

Eine besondere Rolle bei der Pflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensleitung spielt die sogenannte Business Judgement Rule für unternehmerische Entscheidungen. Bei diesen gibt es nämlich üblicherweise nicht „die eine“ richtige Lösung, sondern mehrere Optionen. Zwischen diesen muss der Geschäftsführer wählen. Dafür muss er meistens eine unternehmerische Prognose anstellen, von der er noch nicht wissen kann, ob sich diese später bewahrheiten wird oder nicht. In seine Entscheidung muss er eine Vielzahl an (teils ungewissen) Faktoren einbeziehen (z.B. Markt- und Preisentwicklung, Produktrisiko, Personalentwicklung). Es kommt erschwerend hinzu, dass häufig eine zeitnahe Entscheidung notwendig ist.

Die Rechtsprechung und rechtswissenschaftliche Literatur haben erkannt, dass es bei solchen Entscheidungen nicht richtig sein kann, den Geschäftsführer daran zu messen, ob sich seine Prognose nachträglich als richtig herausstellt. Das Unternehmerrisiko darf nicht von der Gesellschaft auf ihre Geschäftsführer abgewälzt werden. Müssten Geschäftsführer befürchten, für jede (erst im Nachhinein) als falsch erkannte unternehmerische Entscheidung zu haften, würde sicherlich die Bereitschaft zur Übernahme eines Geschäftsführeramts spürbar sinken. Geschäftsführer würden zudem wesentlich vorsichtiger entscheiden. Der dem Unternehmertum innewohnende Innovations- und Mitgestaltungsgedanke ginge so verloren. Aus diesem Grund findet bei unternehmerischen Entscheidungen als eine Art Haftungsprivilegierung die sogenannte Business Judgement Rule Anwendung. Sie ist allerdings trotz ihrer enormen praktischen Bedeutung im GmbH-Recht bis heute nicht gesetzlich geregelt. Im Aktienrecht ist das anders. Dort heißt es im § 93 Abs. 1 Satz 2 Aktiengesetz:

„Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.“

Dass die Business Judgement Rule auch im GmbH-Recht gilt, ist jedoch unbestritten.

Im Rahmen der Business Judgement Rule wird dem Geschäftsführer ein weites unternehmerisches Ermessen eingeräumt. Dieser Handlungsspielraum der Geschäftsführer ist gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Insbesondere darf ein Gericht lediglich prüfen, ob dem Geschäftsführer bei seiner Entscheidung überhaupt ein Ermessen zustand und ob dieses zum Zeitpunkt der Entscheidung ordnungsgemäß ausgeübt wurde.

Dieser Ermessensspielraum greift allerdings nur ein, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind; sind sie nicht erfüllt, unterliegt das Handeln des Geschäftsführers der vollen gerichtlichen Nachprüfung:

  • Es muss sich um eine unternehmerische Entscheidung handeln. Das schließt alle Entscheidungen aus, die im Gesetz oder der Satzung oder durch Weisungsbeschlüsse gegenüber der Geschäftsführung schon bindend vorgegeben sind. Positiv gesprochen sind (wirtschaftliche) Entscheidungen betroffen, bei denen es mehrere Handlungsalternativen gibt. Typischerweise geht es um Investitionen, den Erwerb von Betriebsmitteln oder ganzen Unternehmen oder die Entscheidung über die (gerichtliche) Verfolgung oder Abwehr von Ansprüchen.
  • Der Geschäftsführer muss annehmen dürfen, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Er muss zum Zeitpunkt seiner Entscheidung davon ausgehen können, dass seine Entscheidung der Gesellschaft im weitesten Sinne förderlich sein wird (z.B. durch eine zu erwartende Gewinnmaximierung oder die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit).
  • Der Geschäftsführer muss frei von Sonderinteressen und sachfremden Einflüssen agieren. Er darf insbesondere mit seiner Entscheidung keine Eigeninteressen verfolgen; Interessenkonflikte führen im Regelfall zur Pflichtwidrigkeit der getroffenen Entscheidung. Besonders kritisch sollte ein Geschäftsführer daher Geschäfte prüfen, an denen er selbst, eine ihm nahestehende Person (z.B. Ehegatte) oder mit ihm verbundene Unternehmen beteiligt sind. Kann er einen Interessenkonflikt nicht ausschließen, sollte er das Geschäft unterlassen. Jedenfalls sollte er einen solchen Interessenkonflikt seinen Mitgeschäftsführern und/oder der Gesellschafterversammlung zur Kenntnis bringen und zur eigenen Enthaftung auf einen Gesellschafterbeschluss über die (Nicht-)Durchführung der Maßnahme hinwirken.
  • Der Geschäftsführer muss auf Basis einer angemessenen Informationsgrundlage handeln. Er muss dazu für die konkrete Entscheidung relevante Informationsquellen nutzen und auf dieser Basis die Vor- und Nachteile der einzelnen Handlungsoptionen sorgfältig abschätzen. Der Umfang hängt vom Einzelfall ab, sodass die Informationsbeschaffung und -auswertung umso umfassender sein muss, je risikoreicher oder bedeutender die Maßnahme für die Gesellschaft ist.
  • Der Geschäftsführer muss gutgläubig sein. Wenn er selbst nicht glaubt, dass seine Entscheidung richtig ist, ist er nicht schutzwürdig. Im Regelfall wird es dann jedoch auch schon an einer der anderen Voraussetzungen für die Anwendung der Business Judgement Rule fehlen.

Die Einhaltung der Voraussetzungen für die Anwendung der Business Judgement Rule sollte der Geschäftsführer unbedingt dokumentieren (z.B. in einem internen Vermerk). Er sollte insbesondere festhalten, auf Basis welcher Informationen er seine Entscheidung getroffen hat.

Vorheriger Artikel

Organschaft: Stille Beteiligung an der Organgesellschaft ist steuerschädlich

Nächster Artikel

Familiäre Unternehmensnachfolge: Der frühe Vogel oder wie man Fallstricke vermeidet

You might be interested in …