OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 5. Juni 2024, Az. 9 U 62/23
Keine Ausnahme vom Gesellschafterdarlehensrecht für „faktische Nichtgesellschafter“
(OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 5. Juni 2024, Az. 9 U 62/23)
– Der Fall und das Urteil:
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH. Er nimmt die Beklagte in Folge von Insolvenzanfechtung auf Rückgewähr von Zahlungen in Anspruch. Die Beklagte hatte ursprünglich einen Anspruch gegen diese GmbH auf Darlehensrückzahlung von 300.000 Euro nebst Zinsen (zur Vereinfachung wird einheitlich von der Beklagten gesprochen, obgleich diese die ursprüngliche Gläubigerin der Darlehensforderung durch Verschmelzung aufnahm). Dieser Anspruch wurde mit Urteil des Landgerichts Hamburg vom 4. Juni 2015 tituliert (Az. 407 HKO 30/14). Daraufhin betrieb die Beklagte die Zwangsvollstreckung in das Vermögen der GmbH und pfändete mit Pfändungsbeschluss des Amtsgerichts München vom 7. August 2015 (Az. 1532 M 45955/15) Anteile an einer dritten Gesellschaft, deren Inhaber die GmbH war.
Am 13. November 2015 wurden mit notarieller Urkunde an die Beklagte von einem Gesellschafter 50 Prozent der Geschäftsanteile der GmbH abgetreten. Diese Abtretung stand unter der aufschiebenden Bedingung des Ablaufs von sechs Wochen nach Rechtskraft des Urteils und dem Unterbleiben der Befriedigung der mit dem Urteil titulierten Forderung. Ebenfalls am 13. November 2015 wurde mit notarieller Urkunde an die Beklagte von der GmbH eine Eigentümerbriefgrundschuld an einer Eigentumswohnung zu 200.000 Euro nebst 18 Prozent Zinsen jährlich abgetreten. Die Anweisung der GmbH, die Grundschuldbestellungsurkunde zum Vollzug beim Grundbuchamt vorzulegen, stand gleichfalls unter der aufschiebenden Bedingung des Ablaufs von sechs Wochen nach Rechtskraft des Urteils und dem Unterbleiben der Befriedigung der mit dem Urteil titulierten Forderung. Nach Eintritt der aufschiebenden Bedingung mit Ablauf des 12. April 2016 erfolgte die Aktualisierung der Gesellschafterliste der GmbH durch die mit der Sache befassten Notarin. Die Eintragung der Abtretung derselben im Grundbuch erfolgte am 17. Mai .2016.
In der Folge wurde die Eigentumswohnung durch Zahlung von rund 218.000 Euro an die Beklagte abgelöst. Die Zahlung dieses Geldbetrags begehrte der Kläger zur Zahlung der Insolvenzmasse. Beide Instanzen haben der Klage stattgegeben, denn die GmbH hat der Beklagten für eine Forderung auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens ein Sicherungsmittel gewährt und diese Rechtshandlung wurde wirksam angefochten. Für die Zwecke des § 135 Insolvenzordnung kommt es hinsichtlich einer Gesellschafterstellung infolge einer Abtretung von Gesellschaftsanteilen entscheidend auf die materiell-rechtliche Inhaberschaft des Anteils, nicht die Eintragung in die Gesellschafterliste an, sodass ein Geschäftsanteil unmittelbar mit dem Vertragsschluss vom Veräußerer auf den Erwerber mit allen mitgliedschaftlichen Rechten und Pflichten übergeht. Voraussetzung ist allein, dass die notarielle Form der Abtretung gemäß § 15 Abs. 3 GmbH-Gesetz gewahrt ist und der dingliche Vertrag auch im Übrigen nicht an Wirksamkeitsmängeln leidet.