Geschäftsreisen sind für den deutschen Mittelstand unverzichtbar. Sie eröffnen Wachstumschancen, fördern Beziehungen und stärken die Wettbewerbsfähigkeit. Doch die Anforderungen an Unternehmen verändern sich rasant. Flexible Arbeitsmodelle lassen Job und Freizeit miteinander verschmelzen, während der Nachhaltigkeitsgedanke Unternehmen zwingt, ihre Reiseprozesse anzupassen. Ein schwieriger Balanceakt, weiß Markus Orth, Chef der Lufthansa City Center. Nur wer Flexibilität, Klimaschutz und Kostenmanagement optimal miteinander verbinde, könne die aktuellen Herausforderungen bei Geschäftsreisen erfolgreich gestalten.
In der modernen Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren vieles verändert. Flexibilität, Digitalisierung und die Suche nach einer besseren Work-Life-Balance treiben Entwicklungen voran, die einst als Nische galten: Bleisure Travel und Workation. Beides sind nicht nur Trends, sondern Ausdruck eines grundlegenden Wandels in der Arbeitswelt. Für mittelständische Unternehmen und Entscheider liegt hier eine Chance: Wer diese Modelle gezielt in Arbeits- und Reiseprozesse integriert, profitiert von zufriedeneren Mitarbeitern und wettbewerbsfähigeren Angeboten.
Was Bleisure Travel und Workation unterscheidet
Bleisure Travel beschreibt die Erweiterung von Geschäftsreisen um private Erholungsoder Freizeitanteile. So nutzen Mitarbeiter die Gelegenheit, ihren Aufenthalt vor oder nach einem beruflichen Termin zu verlängern, um die Destination privat zu erkunden oder einfach durchzuatmen. Laut einer aktuellen Umfrage des Deutschen Reiseverbands (DRV) machen bereits 44 Prozent der Geschäftsreisenden von dieser Option Gebrauch. Besonders beliebt ist dieser Trend bei der jungen Generation unter 40 Jahren, wo die Zahl auf 53 Prozent ansteigt.
Noch einen Schritt weiter geht der Trend zur Workation. Hier verlagern Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz temporär an einen Urlaubsort, sei es für ein paar Wochen oder länger. Fast die Hälfte der Arbeitnehmer (45 Prozent) hat laut Studien bereits die Möglichkeit, zumindest zeitweise aus dem Ausland zu arbeiten. Unternehmen schaffen hier zunehmend individuelle Regelungen, die das Arbeiten an inspirierenden Orten ermöglichen.
Warum diese Trends boomen
Die wachsende Popularität von Bleisure Travel und Workation ist kein Zufall. Vielmehr spiegelt sie tiefgreifende gesellschaftliche und technologische Veränderungen wider, die unsere Arbeits- und Lebenswelt nachhaltig prägen. Ein wesentlicher Treiber dieser Entwicklung ist die Digitalisierung. Fortschritte bei Cloud-Diensten, digitalen Tools und Kommunikationsplattformen wie Videokonferenzen oder Kollaborationssoftware ermöglichen es heute, von nahezu jedem Ort aus effizient zu arbeiten. Der Laptop ersetzt das stationäre Büro, und die physische Präsenz verliert an Bedeutung.
Ein weiterer Faktor ist die Flexibilisierung der Arbeit. Die Erfahrungen aus der Pandemie haben eindrucksvoll bewiesen, dass Produktivität nicht zwangsläufig an feste Arbeitsorte oder starre Arbeitszeiten gebunden ist. Remote Work hat sich in vielen Bereichen etabliert und die Möglichkeit, flexibel zu arbeiten, wird zunehmend als Standard erwartet. Gleichzeitig vollzieht sich ein Generationswechsel in der Arbeitswelt. Jüngere Generationen – insbesondere Millennials und die Generation Z – stellen andere Ansprüche an ihre Arbeitsbedingungen. Sie legen mehr Wert auf Flexibilität, eine ausgewogene Work-Life-Balance und die Option, Berufliches und Persönliches miteinander zu verbinden.
Nicht zuletzt spielt der Fachkräftemangel eine zentrale Rolle. Unternehmen, die flexible Arbeitsmodelle wie Workation oder Bleisure Travel anbieten, verschaffen sich klare Wettbewerbsvorteile bei der Rekrutierung und Bindung von Talenten. Sie signalisieren Offenheit für moderne Arbeitsformen und positionieren sich als attraktive Arbeitgeber für qualifizierte Fachkräfte, die mehr als nur ein Gehalt suchen.
Hotels, Fluggesellschaften und Kreuzfahrtanbieter haben die Zeichen der Zeit erkannt und passen ihre Angebote an. Hotels bieten Workation-Pakete mit Highspeed-WLAN, ergonomischen Arbeitsplätzen und flexiblen Check-in-Zeiten an. Airlines wie Lufthansa ermöglichen flexible Ticketgestaltung für verlängerte Aufenthalte, während Kreuzfahrtanbieter wie MSC Cruises Co-Working-Spaces auf See etablieren.
Nachhaltige Reiseprozesse sind ein Wettbewerbsfaktor
Nachhaltigkeit ist eines der zentralen Themen unserer Zeit – und die Geschäftsreise ist davon nicht ausgenommen. Immer mehr Unternehmen sehen sich mit der Herausforderung konfrontiert, ihre Klimabilanz zu verbessern und gleichzeitig effiziente Reiseprozesse zu sichern. Gerade mittelständische Unternehmen müssen hier strategisch handeln, um die steigenden Anforderungen an eine nachhaltige Unternehmensentwicklung zu erfüllen. Doch wie gelingt der Wandel in der Praxis?
Laut Studien können bis zu 80 Prozent der gesamten CO2-Emissionen eines Unternehmens aus der geschäftlichen Mobilität stammen. Das macht die Geschäftsreise, vor allem in der Dienstleistungsbranche, zu einem der wichtigsten Hebel für mehr Klimaschutz. Gleichzeitig wachsen die Erwartungen von Kunden, Investoren und Mitarbeitern an Unternehmen, konkrete Nachhaltigkeitsziele zu definieren und umzusetzen. Nachhaltiges Travel Management ist nicht nur eine Frage der ökologischen Verantwortung, sondern auch ein Wettbewerbsfaktor. Unternehmen, die hier Vorreiter sind, profitieren von einem besseren Image und erhöhen ihre Attraktivität als Arbeitgeber.
Schritt 1: Den Status quo ermitteln
Der Weg zu nachhaltigeren Geschäftsreisen beginnt mit einer klaren Bestandsaufnahme. Unternehmen sollten zunächst den aktuellen Klimafußabdruck ihrer Geschäftsreisen kennen. Travel Management Companies wie Lufthansa City Center bieten hierzu detaillierte CO2-Reports, die die Emissionen aus Flug-, Hotel-, Mietwagen- und Bahnreisen erfassen. Die Berichte folgen anerkannten Standards. Damit erhalten Unternehmen belastbare Zahlen für die Scope-3-Emissionen der Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Schritt 2: Klimaziele setzen und konkrete Maßnahmen definieren
Auf Basis der CO2-Reports und den inkludierten Analysen für Einsparungen können Unternehmen klare Reduktionsziele formulieren und geeignete Maßnahmen festlegen.
CO2 vermeiden: Wo immer möglich, sollte die Entstehung von Emissionen verhindert werden. Lufthansa City Center bietet beispielsweise SAF-Pakete (Sustainable Aviation Fuel) in Kooperation mit der Lufthansa Group an. Firmenkunden können diesen nachhaltigen Treibstoff im Voraus kaufen und damit ihre CO2-Bilanz verbessern. SAF reduziert die CO2-Emissionen um bis zu 80 Prozent im Vergleich zu fossilen Treibstoffen und ist damit ein zentraler Baustein auf dem Weg zu klimaneutralen Flügen.
CO2 reduzieren: Unternehmen sollten ihre Mitarbeiter zu klimafreundlicheren Reiseentscheidungen motivieren. Ein Beispiel ist das Tool eco.mio, das in Online-Buchungsmaschinen integriert wird. Es bewertet Reiseoptionen nach ihrer Klimawirkung und belohnt nachhaltiges Verhalten mit Klimapunkten. Diese können Unternehmen zur Incentivierung nutzen.
CO2 kompensieren: Wo Emissionen nicht vermieden oder reduziert werden können, ist eine zertifizierte Kompensation beispielsweise über atmosfair sinnvoll. Die Klimaschutzprojekte entsprechen höchsten Standards wie dem Gold Standard und tragen nicht nur zur CO2-Reduktion bei, sondern auch zur nachhaltigen Entwicklung vor Ort.
Schritt 3: Nachhaltige Reiserichtlinien implementieren
Eine nachhaltige Geschäftsreiseplanung erfordert klare Reiserichtlinien. Diese sollten definieren, welche Verkehrsmittel priorisiert werden, wie Flugreisen reduziert oder durch digitale Meetings ersetzt werden können und unter welchen Bedingungen CO2 Kompensation verpflichtend ist. Geschäftsreiseanbieter unterstützen Unternehmen dabei, die neuen Reiserichtlinien zu definieren, in Buchungssysteme zu integrieren und für alle Zielgruppen im Unternehmen praktikabel umzusetzen.
Schritt 4: Fortschritte messen und kommunizieren
Transparenz ist entscheidend, um den Erfolg von Klimaschutzmaßnahmen messbar zu machen. Mit regelmäßigen CO2-Reports können Unternehmen ihre Emissionen langfristig vergleichen und Einsparpotenziale identifizieren. Gleichzeitig bietet die Kommunikation dieser Erfolge – etwa in CSR- und Nachhaltigkeitsberichten – die Chance, das eigene Engagement sichtbar zu machen und das Markenimage zu stärken.
Der Wandel der Geschäftsreisen ist unausweichlich
Flexibilität, Digitalisierung und Nachhaltigkeit prägen die neue Arbeitswelt und eröffnen dem Mittelstand zugleich große Chancen. Bleisure Travel und Workation ermöglichen es Unternehmen, Mitarbeitern attraktive Arbeitsmodelle anzubieten, während sie gleichzeitig wettbewerbsfähig bleiben. Der Balanceakt zwischen Klimaschutz, Kosteneffizienz und Mitarbeiterzufriedenheit erfordert klare Strategien, moderne Technologien und nachhaltige Prozesse. Wer diesen Wandel aktiv gestaltet, stärkt nicht nur seine Arbeitgebermarke, sondern positioniert sich auch zukunftsfähig in einem dynamischen Marktumfeld. Flexibles und verantwortungsbewusstes Reisen ist kein Trend mehr – es ist eine unternehmerische Notwendigkeit.

Markus Orth ist seit sechs Jahren Geschäftsführer der Lufthansa City Center, die mit ihren über 500 inhabergeführten Reisebüros weltweit in den Bereichen Corporate (Geschäftsreisen) als auch Leisure (Touristik) tätig sind. 2024 wurde Lufthansa City Center zum sechsten Mal in Folge von der Wirtschaftswoche als „bester Mittelstandsdienstleister“ im Bereich Business Travel ausgezeichnet. Orth ist Vorstandsmitglied im DRV und gilt im Bereich Geschäftsreisen als einer der profiliertesten Influencer.