Gelungenes Unternehmertum: Die Macht der Gewohnheit und die Macht, sie zu überwinden

Kampfkunst ist weit mehr als ein Sport, mehr als nur eine Technik, sein Gegenüber oder gar seine Feinde zu besiegen und sich vor feindlichen Angriffen zu schützen. Gleich ob Judo, Karate, Tai-Chi oder Aikido – es geht immer auch um die Ausbildung des Geistes und die Geisteshaltung, um Disziplin und Körperbeherrschung, um Konzentration und Kampfkraft. So ist eigentlich jede Form von Kampfkunst immer auch ein Weg der Persönlichkeitsentwicklung und Selbstfindung. Die Ausbildung des Lernenden ist in der Regel nicht allein auf Leistungssteigerung ausgerichtet, sondern vielmehr auf die Entdeckung des Wegs – des „Do“. Entsprechend bezeichnet das „Budo“ die „Philosophie des Wegs“ bei Karate & Co.

Das Budo ist also eine auf das Innere des Übenden abzielende Tätigkeit. Wie in vielen traditionellen japanischen Künsten liegt im Budo der Sinn eher im Tun als im reinen Ergebnis. Es geht vor allem um den Prozess, der durchlebt wird. Das Ergebnis ist dabei offen und oft auch nebensächlich.

Ziel der Kampfkunst ist es, als ganzer Mensch zu wachsen, das Denken, Fühlen und Handeln in Einklang zu bringen und immer wieder auszubalancieren. Das weckt und entwickelt die Lebensenergien und führt zu geistigem Wachstum. Ein erfolgreicher Kampfkunst-Athlet wächst von Gürtel zu Gürtel und arbeitet kontinuierlich an seinen Fähigkeiten. Dabei wachsen ebenfalls seine Gelassenheit, sein Fokus, seine Selbstsicherheit und seine Selbstbestimmtheit – im eigentlichen Sinne des Wortes, seinem Selbst eine Bestimmung zu geben. Denn schafft ein Mensch das, braucht es keinen Druck mehr. Allerdings braucht es Disziplin, um diese Geisteshaltung zu erreichen, und es braucht Konfliktfreude, um sie zu beschützen. Die Lehren aus der Kampfkunst lassen sich auch auf das Unternehmertum anwenden, wo all diese Werte ebenfalls eine wichtige Grundlage für wahren Erfolg bilden.

Was ist ein erfolgreicher Unternehmer?

Oberflächlich betrachtet ist ein erfolgreicher Unternehmer einer, der nach äußeren Kriterien ein erfolgreiches Unternehmen aufgebaut hat. Damit muss er aber noch lange nicht glücklich sein. Und sinnvoll ist es auch nicht zwingend. Auf einer tieferen Ebene ist es so: Viele Unternehmer fühlen sich fremdbestimmt. Sie haben zwar ihre eigene Firma, aber ständig legen einem Mitarbeiter, Lieferanten, Kunden oder Banken neue Steine in den Weg. Der Kalender ist voll, man ist zu permanenter Reaktivität gezwungen. Familie und Partnerschaft kommen meistens zu kurz. Der Unternehmer als bester Mann im Stall – oder natürlich als beste Frau – kümmert sich um alles und jeden, erledigt Aufgaben aus sämtlichen Unternehmensbereichen. Scheinbar läuft nichts ohne die Unternehmensleiter; sie fühlen sich als Sklave des eigenen Betriebs. Erfolg sieht anders aus, obwohl das Vermögen stimmt und Finanzen und Statussymbole immer weiter wachsen. Wo sind in einer solchen Situation Selbstbestimmung und unternehmerische Freiheit geblieben?

Um nicht nur überlebensfähig zu bleiben, sondern sogar ein Unternehmerleben voller Freude, Leichtigkeit und Flow zu führen, müssen wir ganz neu ansetzen, das Unternehmersein als einen Weg ansehen, der vor allem zu innerer Freiheit führen soll. Anstatt sich dem Druck der ständigen Leistungssteigerung zu unterwerfen, geht es um eine Reise mit Spaß, Menschlichkeit und einer fröhlichen Gelassenheit. Strategieentwicklung, das Schaffen von Systemen und Prozessen, das Controlling, die Führungsmethodik: Das sind alles äußere Dinge, die man lernen und trainieren kann. Aber für eine echte Selbstfürsorge und Selbstwirksamkeit muss man eben ganz andere Wege gehen.

Dauerhafte Veränderung hin zu einem gelungenen Leben und vor allem zu einem glücklichen Unternehmertum bedarf kontinuierlicher Weiterentwicklung und konsequenten Trainings. Genau dafür ist die Kampfkunst eine wunderbare Metapher. Zufrieden, gelassen und innerlich gewappnet gegen alles Ungemach von außen ist der Unternehmer erst dann, wenn er seine Seele zum Ausdruck bringen darf. Diese vielleicht etwas spirituelle Formulierung ist bewusst gewählt, um sie vom Begriff der Persönlichkeit abzugrenzen. Denn die bringen wir ohnehin immer schon zum Ausdruck. Wenn etwa zur Persönlichkeit ein niedriger Selbstwert gehört, so wird sich das in unserem Leben widerspiegeln, und das würde man wohl nicht als gelungen bezeichnen. Seele bezeichnet hier eher das, was vor jeder Angst, vor jeder Verletzung und vor jeder Trauer in uns war, unseren wahren Kern vor jedem Ego. Es ist zugegebenermaßen schwierig, diesen Kern zu finden, aber nicht unmöglich.

Sich auf den inneren Weg begeben

Der innere Weg beginnt damit, sich von den eigenen Zielen zu verabschieden bzw. nicht mehr mit ihnen verhaftet zu sein. Die Ziele haben ja auch bisher nichts gebracht außer Stress, Entfremdung und Erschöpfung. Nicht erreichte Ziele produzieren stets einen Zustand des Mangels. Ohne Ziele entsteht die Freiheit, sich vom eigenen Autopiloten, von Glaubenssätzen, Routinen, Gedankengefängnissen und automatischen Reaktionsmustern loszueisen und wirklich unabhängig zu werden von dem, was im Außen passiert. Diese fantastische Aussicht bedarf allerdings eines vermutlich lebenslangen Trainings. Erfolge, wie sie gemeinhin definiert sind, sind dann kein dominierender Selbstzweck mehr. Sie stellen sich als eine natürliche Folge der eigenen Entwicklung ein. Mut, Abenteuer, Begeisterung, Entschlossenheit, Dankbarkeit, Nähe, Faszination, Gelassenheit, Lebendigkeit, Selbstsicherheit oder Kraft treten an die Stelle des alten Erfolgsdrucks und können in diesem neuen Zustand erlebt werden.

Der wirksamste Punkt, einen neuen Weg einzuschlagen, beginnt bei den eigenen Gewohnheiten. Vermutlich beruhen mehr als 90 Prozent unserer täglichen Handlungen auf Gewohnheiten. Wer sein Leben verändern möchte, muss an diese Eigenarten ran, sie zunächst erst einmal wahrnehmen und dann nach und nach Alternativen implementieren. Es gibt Hunderte von Gewohnheiten, die sich verändern lassen und sukzessive einen völlig neuen Zustand bewirken können. Wir alle wissen, wie schwer es ist, seine Ernährung umzustellen, mehr Sport zu machen, liebgewonnene Routinen und Tätigkeiten loszulassen. Doch genau darum geht es: fast radikal an neuen Gewohnheiten zu arbeiten und ganz vieles loszulassen. Schicksal und Charakter lassen sich nicht direkt ändern, die Gewohnheiten hingegen schon.

Ob wir, wenn etwas geschieht, zuerst das Positive oder zuerst das Negative sehen, ist eine Gewohnheit. Ob wir auf Wünsche anderer positiv oder negativ reagieren, ist eine Gewohnheit. Ob wir bei einem Beziehungsstreit weiter eskalieren oder sofort wieder Harmonie schaffen wollen, ist eine Gewohnheit. Selbst die Tatsache, ob wir effizient führen oder Gewinn machen, ist eine Gewohnheit. Und jede einzelne Gewohnheit hat Konsequenzen. Aber wenn man viele Gewohnheiten verändert, dann multiplizieren sich die Konsequenzen zu einem neuen Weg, zu neuen Handlungsmustern, zu einem völlig anderen Leben.

Meister werden mit der Master-Gewohnheit

Die Durchhaltequoten bei Verhaltensänderungen oder Neujahrsvorsätzen liegen bei maximal fünf bis zehn Prozent. Es geht also an dieser Stelle nicht darum, jeden Tag zwei Stunden Fitness zu machen. Das wird erfahrungsgemäß sowieso nichts. Um in der Metapher der Kampfkunst zu bleiben: Entscheidend für das Erringen des jeweils nächsten Gürtels ist es, sämtliche Gewohnheiten zu hinterfragen und das Nutzlose zu transformieren.

Die wichtigste Gewohnheit ist genau die, an seinen Gewohnheiten zu arbeiten. Das ist die „Master-Gewohnheit“, von der alles andere abhängt. Das funktioniert wie im Spitzensport. Spitzensportler oder Kampfkünstler wird man nicht, indem man mit einem Spitzensportler-Training beginnt, sondern mit dem Anfängertraining.

Beginnen kann man beispielsweise mit einer simplen 10-Sekunden-Gewohnheit. Der Diplompsychologe und Verhaltenstherapeut Jens Corssen schlägt eine einfache Übung vor, die sich wie folgt ausführen lässt: Stellen Sie sich jeden Tag im Bad vor den Spiegel und sprechen engagiert folgenden Satz: „Willkommen, Tag! Ich erwähle dich mit allem, was du mir schenkst!“ Dabei bitte lächeln und im Anschluss eine positive Geste anschließen – ein Schulterklopfen oder eine laut vernehmliche verbale Selbstbestätigung. Mit dem Wörtchen „erwählen“ trainieren wir die eigene Selbstverantwortung. Die Botschaft: Man selbst erwählt den Tag und alles, was er bringt, und nimmt es aktiv an, anstatt es passiv zu erdulden.

Gut funktioniert ein Post-it am Badezimmerspiegel als Reminder. Also etwa folgender Ablauf: Ins Bad gehen, den Post-it sehen, lächeln und den Satz sprechen. Eine positive Geste anschließen und danach das Bad verlassen. Im Anschluss betritt man das Bad wieder und beginnt das Ganze von vorn – mit zehn Wiederholungen. Es kann auch eine andere schlichte Intervention sein, die als Gewohnheit eingeführt wird. Entscheidend ist zu Beginn, dass es wirklich leicht und in kurzer Zeit zu machen ist. Einfache Übungen wie diese trainieren unsere Basalganglien (einige für zahlreiche Funktionen wichtige Teile des menschlichen Gehirns), die selbst bei hochintelligenten Menschen nicht viel besser sind als bei einem Hund.

Tiefgreifende Veränderung statt kurzfristiger Ziele

Dieses Vorgehen ist sozusagen das Grundmuster für die Gewohnheiten erster Stufe. Damit kann man zu Beginn gut üben und anschließend sein Gewohnheitsportfolio nach und nach auf den Prüfstand stellen. Bei allen angestrebten Änderungen muss man darauf achten, nicht wieder auf ein Ziel zu fokussieren (wie z.B. 15 Kilo abzunehmen oder den Halbmarathon in bestimmter Zeit zu schaffen). Es geht um den Prozess, den Weg und den Flow, der sich auf diesem Weg entfaltet.

Shaolin-Mönche trainieren auch mit weit über 80 Jahren noch täglich – ohne irgendwo ankommen zu wollen oder zu müssen. Und auch das Unternehmersein erfordert gerade heute ein tägliches und lebenslanges Training. Wem es gelingt, seine Gewohnheiten zu erkennen, zu verändern und zu beherrschen, der kann auch aus dem Hamsterrad aussteigen und mit einer hohen inneren Gelassenheit, einer guten Energie und mentaler Klarheit seine Selbstbestimmung zurückgewinnen und das Schicksal in die eigenen Hände nehmen – in allen Lebensbereichen!

Stefan Merath

Stefan Merath, Unternehmenscoach und Buchautor



Vorheriger Artikel

Seit 35 Jahren kommen hochwertige Geräte aus Bayern

Nächster Artikel

GmbH-Geschäftsführer: Eigenmächtige Veräußerung von Immobilien

You might be interested in …

Was sind Managementprinzipien?

Managementprinzipien geben einem Manager eine einheitliche Richtung bei der Anwendung unterschiedlicher Führungsinstrumente vor. Die Prinzipien lassen sich in verschiedene Modelle unterteilen. Führungspersönlichkeiten in Unternehmen sind wie die Anforderungen der Wirtschaftswelt sehr unterschiedlich. Managementprinzipien, auch Führungskonzepte […]