Fachkräftebindung in Zeiten des Wandels: Das leisten betriebliche Pflegelotsen

Die meisten Unternehmen haben Angebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf entwickelt, um Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden. Anders sieht es (noch) bei der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf aus. Eine Lösung für diese Zukunftsaufgabe bietet das Modell der betrieblichen Pflegelotsen.

Fehler, Fehlzeiten, Kündigung: Wenn Mitarbeiter sich um die Pflege eines Angehörigen kümmern müssen, ist das für den Betroffenen eine psychisch und physisch belastende Situation. Aber auch für den Arbeitgeber hat diese Situation zumeist gravierende Folgen: Der zunehmend belastete pflegende Mitarbeiter ist oft übermüdet, macht Fehler und wird öfter krank. Viele pflegende Mitarbeiter reduzieren erst ihre Stunden und kündigen schließlich ganz, weil sie die Doppelbelastung aus Pflege und Beruf nicht mehr bewältigen können. Neben den finanziellen Belastungen stehen Arbeitgeber damit vor der Herausforderung, in Zeiten des Fachkräftemangels einen qualifizierten Ersatz zu finden.

Mehr Pflegefälle durch längere Lebensarbeitszeiten

Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wird es für Arbeitgeber noch dringlicher, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Denn längere Lebensarbeitszeiten bedeuten auch, dass die Risiken für einen Pflegefall in der Familie steigen. Zwar können Unternehmen nicht den Pflegefall verhindern, wohl aber die Folgen für den pflegenden Angehörigen abfedern. Diese Aufgabe übernehmen die betrieblichen Pflegelotsen. Sie sind erste Ansprechpartner im Unternehmen, wenn Mitarbeiter eine Pflegesituation in der Familie bewältigen müssen und Informationen bzw. Unterstützung wünschen oder benötigen. Zudem fungieren sie als Vermittler zwischen betroffenen Arbeitnehmern und Arbeitgebern.

Die Aufgaben der Pflegelotsen

Bei den betrieblichen Pflegelotsen handelt es sich um Mitarbeiter des Unternehmens, die eine zweitägige Qualifizierung absolvieren. Ihre Aufgaben reichen von der Sensibilisierung für das Thema und Empfehlungen zur Vorbereitung auf den Pflegefall, wenn dieser sich abzeichnet, bis hin zu konkreter Hilfestellung, wenn der Pflegefall eingetreten ist.

Folgende Aufgaben kann der betriebliche Pflegelotse konkret übernehmen:

  • Er informiert, welche Maßnahmen eingeleitet werden müssen, wenn der Pflegefall eintritt.
  • Er gibt einen Überblick über die verschiedenen Formen der Pflege und die unterschiedlichen Möglichkeiten der Betreuung.
  • Er stellt den Mitarbeitern die innerbetrieblichen Angebote des Unternehmens zur besseren Vereinbarkeit von Pflege und Beruf vor.
  • Er informiert über die gesetzlichen Vorgaben zur Familienpflegezeit und die Möglichkeit der Pflegezeit.
  • Er kennt die regionalen Beratungs- und Hilfsangebote und kann dem Betroffenen Anlaufstellen nennen.
  • Gemeinsam mit dem betroffenen Mitarbeiter überlegt er, wie eine flexible Arbeitszeitgestaltung aussehen könnte und leitet diese in die Wege.
  • Er bespricht gemeinsam mit dem Arbeitgeber und dem betroffenen Arbeitnehmer die gesetzlichen Rahmenbedingungen.
  • Der betriebliche Pflegelotse kann innerbetriebliche Informationsveranstaltungen zum Thema Pflege und Beruf organisieren.

Damit der betriebliche Pflegelotse diese vielschichtigen Aufgaben übernehmen kann, braucht er entsprechend umfangreiches Wissen zum Thema Pflege und Beruf. Er weiß, mit welchen Problemen und Herausforderungen pflegende Angehörige konfrontiert sind. Diese können ganz konkret sein, wie beispielsweise die Fragen, wie die Anschlussversorgung nach einem Krankenhausaufenthalt gestaltet werden kann, welche Fördermaßnahmen für erforderliche Umbaumaßnahmen es gibt, wo man ein Pflegebett beantragt oder welche unterstützenden Dienstleistungen man in Anspruch nehmen kann. Antworten auf diese Fragen zu finden, ist in der emotionalen Ausnahmesituation, in der sich die Mitarbeiter befinden, kaum möglich. Zugleich rauben diese rein organisatorischen Aufgaben die Zeit und die Kraft, die die pflegenden Angehörigen benötigen, um sich um den zu pflegenden Angehörigen zu kümmern. Genau hier kann der betriebliche Pflegelotse entlastend wirken und Lösungen zeigen.

Die Qualifizierung zum betrieblichen Pflegelotsen

Dieses Hintergrundwissen, das für die umfassende Beratung der Kollegen unerlässlich ist, wird dem angehenden betrieblichen Pflegelotsen im Rahmen der Qualifizierung vermittelt.

Die Schulung umfasst insgesamt zwei Seminartage mit jeweils acht Stunden. Der Termin wird individuell mit dem Unternehmen und den Mitarbeitern abgestimmt. In der Regel erfolgt die Schulung der ausgewählten Mitarbeiter direkt vor Ort im Betrieb.

Die Schulungsinhalte umfassen folgende Themenschwerpunkte:

  • Grundlagen der Pflegeversicherung
  • Wo findet Pflege statt?
  • Was tun, wenn das Geld für die Pflege nicht reicht?
  • Palliativ- und Hospizversorgung
  • Überblick zur Vorsorge
  • Was ist ein betrieblicher Pflegelotse?
  • Gesprächsführung und Kommunikation
  • Demenz

Zu Beginn der Schulung erhalten alle Teilnehmer ein Handout zum gesamten Schulungsinhalt. So können sie die Inhalte im Nachgang noch einmal nachlesen. Zusätzlich erhalten die Teilnehmer des Seminars auch weiteres Informationsmaterial, Nachschlagewerke und Ratgeber, die für die Arbeit als betrieblicher Pflegelotse hilfreich sind und Unterstützung bieten.

Nach der Schulung erhalten alle Teilnehmer ein Zertifikat, das sie als „Betrieblicher Pflegelotse“ ausweist.

Die Qualifizierung zum betrieblichen Pflegelotsen können die Personalverantwortlichen, Mitglieder des Betriebsrats oder Mitarbeiter, denen dieses Thema am Herzen liegt und die den Kollegen gerne als Ansprechpartner und Unterstützer im Pflegefall bereitstehen wollen, absolvieren.

Mehrwerte für Unternehmen

Mit der Qualifizierung von Mitarbeitern zu betrieblichen Pflegelotsen leisten Unternehmen noch immer Pionierarbeit. Das lohnt sich, denn Unternehmen, die sich auch für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf engagieren, haben einen Wettbewerbsvorteil. Zum einen ist es ein deutliches Signal der Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern, wenn sich ein Unternehmen in dieser Form um das Wohlbefinden der Belegschaft sorgt und kümmert. Das stärkt die Identifizierung der Mitarbeiter mit dem Unternehmen. Auch für Bewerber wird das Unternehmen durch dieses Engagement und eine nachhaltige Personalpolitik zum noch attraktiveren Arbeitgeber. Zum anderen ist das Unternehmen bestens vorbereitet, wenn bei Mitarbeitern der Pflegefall eintritt. Sie können schnell handeln und helfen – und direkte sowie indirekte Mehrkosten vermeiden. Denn durch die Doppelbelastung lassen Konzentration und Leistungsfähigkeit nach. Häufige Krankenstände beeinträchtigen die zuverlässige Beschäftigungsfähigkeit. Durch den Pflegelotsen lassen sich Ausfallzeiten reduzieren oder sogar vermeiden.

Betriebliche Pflegelotsen können sogar dabei helfen, Kündigungen infolge der enormen Doppelbelastung zu vermeiden. So reduziert sich auch die mögliche Fluktuation. Mitarbeiter, die in dieser schwierigen Situation Rückhalt und Unterstützung durch den Arbeitgeber erfahren haben, fühlen sich noch stärker an das Unternehmen gebunden. So kann es durch die betrieblichen Pflegelotsen gelingen, die Mitarbeiter zu binden und wertvolle Fachkräfte zu halten. Damit ist die Qualifizierung von Mitarbeitern zu betrieblichen Pflegelotsen ein sinnvolles Investment in die Zukunft des Unternehmens.

Melanie Felthaus

Als Unternehmerin im Pflege- und Betreuungssektor sowie als anerkannte Pflegeberaterin (IHK) besitzt Melanie Felthaus ein umfassendes Fachwissen. Sie kennt die Wünsche, Sorgen und Bedürfnisse von pflegebedürftigen Menschen und deren Angehörigen aus ihrer langjährigen praktischen Erfahrung. Im Rahmen von Beratungen und Qualifizierungen, beispielsweise zum betrieblichen Pflegelotsen, gibt sie dieses Fach- und Erfahrungswissen in Unternehmen weiter. So ermöglicht sie den Unternehmen, auch in Zeiten des demografischen Wandels durch eine bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf Fachkräfte zu gewinnen und zu binden.

Mehr Informationen unter:

www.felthaus-vorsorgemanagement.de

Vorheriger Artikel

Entwicklung einer authentischen Markenidentität für effektives Standortmarketing

Nächster Artikel

Neue Ausgabe des Wirtschaftsmagazins gmbhchef: Ausgabe 3-24

You might be interested in …