ESG-Berichtspflicht: So landet ihr Papiertiger im Data Warehouse

Für die meisten GmbH-Geschäftsführer ist die Umsetzung der ESG-Richtlinien eine Riesenherausforderung. Sie erscheint vielen unnütz und führt zu steigenden Kosten, weiß unser Gastautor Dr. Andreas Dahmen aus seiner täglichen Praxis als Digitalisierungsexperte. Doch wenn die vom Wirtschaftsprüfer zu bescheinigenden Daten nicht vorgelegt werden können, drohen Unternehmen und Chefs erhebliche Gefahren.

Geschäftsführer müssen sich auf eine Mammutaufgabe gefasst machen. Denn die meisten Unternehmer, die ab 2024 dazu verpflichtet sind, ein ESG-Reporting vorzulegen, wissen derzeit nicht, wie sie die Daten zusammenbekommen sollen. „Wir haben doch die meisten Unterlagen lediglich in Papierform vorliegen. Der Rest schlummert in unterschiedlichsten IT-Systemen“, klagte letzthin ein GmbH-Geschäftsführer, als er mich auf unsere aktuelle Studie zum ESG-Reporting ansprach. Wie soll man also den notwendigen Nachweis für Wirtschaftsprüfer führen?

Rund 15.000 Unternehmen sind ab 2024 in mehreren Schritten von der ESG-Berichtspflicht betroffen – und die meisten wissen laut der jüngsten GHK-Studie zum Digitalisierungsgrad des Deutschen Mittelstands immer noch nicht, wie sie diese umsetzen werden. Es herrscht Ratlosigkeit und es lauern erhebliche Gefahren für Geschäftsführer und Gesellschaften.

Dabei ist die Berichtspflicht gut gemeint: ESG-Kennzahlen sollen künftig dazu dienen, um öffentlich nachzuweisen, dass z.B. die gesetzlich vorgeschriebene Reduzierung des CO2-Ausstoßes auch tatsächlich erreicht wird. Das kostet zwar Geld, bringt aber auch Rückflüsse wie z.B. Kosteneinsparungen bei Energie oder Image-Gewinne, die die Attraktivität als Lieferant oder Arbeitgeber steigern.

Die Lösung ist automatisiertes ESG-Reporting

Um ESG-Ziele zu erreichen, ist Datenmanagement eine unabdingbare Voraussetzung. Die Realität im Mittelstand ist allerdings eine andere: Die Daten liegen fragmentiert in nicht integrierten IT-Systemen, Dokumenten und Abteilungen vor und sind in der Regel auch nicht in der notwendigen Qualität und Konsistenz verfügbar.

Hier kann die Umsetzung durch ein automatisiertes ESG-Reporting eine Lösung sein. Die Gefahr ist durchaus erkannt – 82 Prozent der in der GHK-Studie befragten Unternehmen planen derzeit, ihr Reporting zu automatisieren. Dazu muss jetzt aber investiert werden oder es drohen zusätzliche Personalkosten für Fachkräfte, die gar nicht verfügbar sind. Die Automatisierung stellt damit meiner Meinung nach die einzige Lösung dar, um fristgerecht liefern zu können. Und der Druck steigt, denn die Geschäftsführer können für die Nicht-Veröffentlichung in Haftung genommen werden.

Darüber hinaus ist vielen Firmenlenkern nicht klar, dass das ESG-Reporting von Wirtschaftsprüfern zwingend auf Richtigkeit hin überprüft werden muss: So berichtete die Finanzgeschäftsführerin eines Mittelständlers mit einer bedeutenden US-Tochtergesellschaft, dass der Prüfer schon angemerkt habe, dass eine Excel-Tabelle mit ESG-Kennzahlen nicht ausreiche, um deren Vollständigkeit und Richtigkeit feststellen zu können. Und wie kann man prüfen, dass die Frauenquote stimmt? Entweder sind alle US-Personalverträge nach Deutschland zu übersenden – oder die Frauenquote wird eben durch ein IT-Personaltool zum automatisierten ESG-Reporting nachgewiesen.

Ohne qualifizierte Kennzahlen keine Kredite

Doch damit nicht genug, es drohen weitere Risiken. Das positive Prüfungsergebnis wird künftig eine zwingende Voraussetzung sein, damit Banken ESG-pflichtigen Unternehmen Kredite geben können. Institutionelle Anleger werden zudem bald nur noch Kapital bereitstellen können, wenn die Prüfer die Richtigkeit der ESG-Kennzahlen überprüft haben.

Was können Unternehmen also tun? Gemäß dem Transitionsplan der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) ist der Startpunkt die Erkundungs- und Eingrenzungsphase – in der neben der Feststellung des Umfangs der ESG-Berichtspflichten auch eine Roadmap zu deren Umsetzung aufzustellen ist. In der zweiten Phase sind relevante ESG-Ziele, die Strategie zu deren Erreichung und ein Projektplan zu entwickeln. In der Implementierungsphase folgen die Konzeption der erforderlichen KPIs und der dafür benötigten BI-Zielstruktur mittels eines Data Warehouse sowie die Umsetzung des Konzepts. BI steht hierbei für Business Intelligence, also unternehmenseigene Konzepte, die regeln, wie für Führungskräfte entscheidungsrelevante Daten automatisch erfasst, analysiert, aufbereitet und kommuniziert werden.

Der Transitionsplan schließt mit der Reporting-Phase ab, in der das ESG-Reporting Teil eines integrierten Controlling-Dashboards sein sollte – bestehend aus finanziellen und operativen Kennzahlen. Das Reporting speist sich dann automatisiert aus dem neu entwickelten Data Warehouse. Der Transitionsplan beinhaltet damit als Kern ein automatisiertes Reporting. Nur so wird die Prüfung durch die Wirtschaftsprüfer gewährleistet und die Haftung für Geschäftsführer reduziert.

Praxisfall Stromproduzent

Wie aber entsteht ein Data Warehouse? Dies soll hier an einem Beispiel aus meiner Beratertätigkeit verdeutlicht werden: Das Unternehmen war ein unabhängiger Stromproduzent im Markt der erneuerbaren Energien und investierte für den Portfolioausbau in Wind- und Solarparks. Börsennotierte Unternehmen müssen jährlich mehrere Finanzberichte veröffentlichen. Die dafür nötigen Reporting-Anforderungen sollten um weitere operative Kennzahlen – sogenannte ESG-Kennzahlen – erweitert werden. Dafür war der Aufbau einer Struktur notwendig, die das Reporting zeitnah, automatisiert und über Systemgrenzen hinweg bereitstellen kann.

Auf dem Weg zur Planung und deren Umsetzung waren die inhaltliche Festlegung von Kennzahlen, Prozessentscheidungen zur Planung und Kapitalkonsolidierung, aber auch technische Überlegungen notwendig: beispielsweise die Einbindung von Produktionssystemen und den von den Wind- und Solarparks in Form von Special Purpose Vehicles (SPVs) verwendeten unterschiedlichen Buchhaltungssystemen. Data-Lakes, BI-Tools, Analyseinstrumente sowie Visualisierungstools waren als integrierte Technologieplattform zu konzeptionieren, damit neue SPVs jederzeit automatisiert an die etablierte Plattform andocken können.

Die digitale BI-Zielstruktur für das Data Warehouse wurde so entwickelt, dass geeignete Dienstleister für die Umsetzung identifiziert und ein Ausschreibungsprozess durchgeführt werden konnten. Das Gesamtprojekt wurde unter Berücksichtigung des Gesamtziels in drei Teilprojekte gegliedert.

Entwicklung einer digitalen BI-Zielstruktur

Im ersten Teilprojekt wurden Interviews mit allen Projektbeteiligten geführt, um die Anforderungen aufzunehmen, die Prozesse zu dokumentieren sowie die IT-Infrastruktur als Quellsystem für das Reporting zu erfassen. Nach der Ist-Analyse wurde die digitale BI-Zielstruktur für ein zeitnahes und automatisiertes Reporting unter stetiger Berücksichtigung der Gesamtstrategie abgeleitet. Dies ist notwendig, um einerseits im Hinblick auf die Anforderungen des Kapitalmarkts die digitalen Reporting-Prozesse aufsetzen zu können und andererseits die spezifisch für einen Stromproduzenten benötigten IT-Tools im Sinne einer unternehmensweiten Technologieplattform auszuwählen. Neu zu erwerbende SPVs können so kurzfristig an die Plattform angebunden und danach im BI-Reporting ausgewertet werden. Den Abschluss des ersten Teilprojekts bildete die Entwicklung einer Roadmap zur Umsetzung der digitalen BI-Zielstruktur. Konkret sind dies der Projektplan des Ausschreibungsprozesses für die Dienstleister, eine erste zeitliche Übersicht der konkreten Implementierung sowie eine Aufwandsschätzung.

Anforderungskatalog und Ausschreibung

Im zweiten Teilprojekt war nun ein Anforderungskatalog zu entwickeln, der in einem Ausschreibungsprozess mündete. Der Aufbau einer digitalen BI-Zielstruktur für ein vollautomatisiertes BI-Reporting besteht aus drei Leistungsbereichen zur Abdeckung des identifizierten Tool-Bedarfs: einer cloudbasierten Data-Warehouse-Infrastruktur, einem Konsolidierungs- und einem Planungsmodul.
Die Ausschreibung wurde so aufgebaut, dass für die drei Leistungsbereiche entweder drei  unabhängige Dienstleister beauftragt oder auch Dienstleister ausgewählt werden konnten, die eine Kombination von zwei oder auch drei Leistungsbereichen anboten. In Abstimmung mit dem Kunden folgten fünf Arbeitsschritte:

  1. Erstellung eines Anforderungskatalogs,
  2. Durchführung des Long-List-Ausschreibungsprozesses,
  3. Durchführung des Short-List-Ausschreibungsprozesses,
  4. Vertragsgestaltung sowie -unterzeichnung,
  5. Vorbereitung des Projekts zur Umsetzung der digitalen BI-Zielstruktur.

Da der Zeitraum für die Ausschreibung kurz war, mussten einige Arbeitspakete zeitgleich durchgeführt werden. Parallel zur Entwicklung des Anforderungskatalogs wurden Dienstleister für den Longlist-Prozess angesprochen und deren Bereitschaft zur Teilnahme abgefragt.

Parallel zur ersten Aussendung des Anforderungskatalogs wurde mit dem Management eine Bewertungsmatrix abgestimmt, um nach der Rücksendung der Angebote innerhalb von zwei  Tagen die objektive Bewertung finalisieren zu können. Aufgrund der bereits abgestimmten Slots konnten weitere zwei  Tage später die auf der Shortlist verbliebenen drei Dienstleister pro Leistungsbereich eingeladen werden. Nach knapp zwei Monaten wurde die finale Auswahl der Dienstleister getroffen.

Implementierung des digitalen Reportings

In der Implementierungsphase mussten die Dienstleister im Sinne eines Gesamtprojekts gesteuert werden. Daneben erfolgte eine Einbindung des externen Steuerberaters sowie der Wirtschaftsprüfer mit dem Teilprojekt zur Einführung des IFRS-Standards. Zeitrahmen und Budget wurden trotzdem eingehalten. Der Stromproduzent ist nun in der Lage, auch bei weiterem Wachstum zeitnah das finanzielle, das originäre operative sowie das ESG-Reporting sicherzustellen, ohne zusätzliches Personal einstellen zu müssen.

Dr. Andreas Dahmen

Dr. Andreas Dahmen ist Digitalisierungsexperte mit mehr als 25 Jahren Berufserfahrung. Er ist Gründer und Vorstand der GHK Management Consulting AG und war bis März 2023 Professor an der accadis Hochschule Bad Homburg. Mit seinem Beratungsansatz „CFO Excellence – powered by GHK®“ entwickelt das Unternehmen digitalisierte Datenräume als besondere Form eines Data Warehouse, die als Basis für automatisiertes ESG-Reporting oder spätere KI-Anwendungen genutzt werden können.

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