D&O-Versicherung

OLG Hamm, Beschluss vom 28. Februar 2024, Az. 20 U 224/23


Keine D&O-Versicherung für einen „Strohmann“-Geschäftsführer

(OLG Hamm, Beschluss vom 28. Februar 2024, Az. 20 U 224/23)

– Der Fall und die Entscheidung:

Der Kläger begehrt von der beklagten Versicherung eine Deckungszusage für die außergerichtliche Abwehr von gegen ihn geltend gemachten Geschäftsführerhaftungsansprüchen. Er war seit Mitte 2018 als Geschäftsführer der S-GmbH (=Versicherungsnehmerin) im Handelsregister eingetragen. Diese hatte eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Unternehmensleiter abgeschlossen. Nach den allgemeinen Versicherungsbedingungen verzichtete der Versicherer darauf, wegen arglistiger Täuschung den Vertrag anzufechten und vom Vertrag zurückzutreten. Wäre der Versicherer wegen einer arglistigen Täuschung zur Anfechtung des Vertrags berechtigt, wenn er auf dieses Recht nicht verzichtet hätte, behalten diejenigen versicherten Personen ihren Versicherungsschutz, die die arglistige Täuschung nicht selbst begangen haben. Diejenigen versicherten Personen, die arglistig getäuscht haben, haben keinen Versicherungsschutz.

Über das Vermögen der S-GmbH wurde im Herbst 2021 das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Schreiben vom 28. Juli 2022 nahm der Insolvenzverwalter den Kläger wegen Zahlungen nach Insolvenzreife in Höhe von über rund 4,1 Millionen Euro persönlich in Anspruch. Dieser erklärte, er sei nur „Geschäftsführer auf dem Papier“ gewesen. Der Prokurist Y, der die S-GmbH gegründet habe, sei vor dem Kläger Geschäftsführer gewesen. Er habe die Geschäfte unverändert weitergeführt. Eine formelle Geschäftsführung sei dem Y dienstrechtlich nicht möglich gewesen (hauptberuflich Polizeibeamter). Die Beklagte lehnte eine Deckungszusage u.a. mit der Begründung ab, der Kläger habe ihr bei Abschluss der Versicherung nicht offengelegt, dass er nur als „Scheingeschäftsführer“ tätig gewesen sei.

Die erste Instanz lehnte die Gewährung einer Deckungszusage ab, weil ein Versicherungsschutz wegen arglistiger Täuschung ausgeschlossen sei. Dieser Auffassung ist auch die zweite Instanz gefolgt.

– Konsequenzen:

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts (OLG) hätte der Kläger die Beklagte bei Vertragsschluss „ungefragt“ darüber aufklären müssen, dass er nur Scheingeschäftsführer war. Das Verschweigen eines gefahrerheblichen Umstands, den ein Versicherer nicht oder nur mündlich abgefragt hat, begründet bei Arglist des Versicherungsnehmers ein Anfechtungsrecht des Versicherers (§ 123 Bürgerliches Gesetzbuch). Eine solche sich aus Treu und Glauben ergebende spontane Anzeigepflicht kommt aber nur dann in Betracht, wenn es sich um die Mitteilung außergewöhnlicher und besonders grundlegender Informationen handelt, die das Aufklärungsinteresse des Versicherers so grundlegend berühren, dass sich dem Versicherungsnehmer ihre Mitteilungsbedürftigkeit aufdrängen musste. Im laufenden Verfahren liegen solche offensichtlich gefahrerheblichen Umstände vor, die der Versicherer nach Treu und Glauben nicht hätte abfragen müssen.

Der Versicherer hat u.a. das Risiko dafür übernommen, dass der Kläger deswegen in Anspruch genommen wird, weil er die Geschäfte der Versicherungsnehmerin nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns führt. Ein offensichtlich gefahrerheblicher Umstand liegt bei einem „Strohmann“-Geschäftsführer vor. Eine formell zum Geschäftsführer bestellte Person ist „Strohmann“, wenn sie den Geschäftsführeraufgaben nicht selbst nachkommt, sondern dies einer dritten Person, die aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen die formelle Organstellung nicht erlangen kann oder will, als „faktischen Geschäftsführer“ überlässt und bei Erlangung der formellen Organstellung von vornherein nicht willens und/oder in der Lage gewesen ist, die ihr kraft ihrer Organstellung obliegenden Aufgaben selbst zu erfüllen. Solche Umstände können dann vorliegen, wenn die Geschäfte (wie hier) tatsächlich von einem Prokuristen als faktischem Geschäftsführer geführt werden, der sich – da hauptberuflich Polizeibeamter – aus dienstrechtlichen Gründen der Geschäftsführung nicht in dem für erforderlich gehaltenen Umfang widmen kann.

Beachten Sie: Eine Strohmanneigenschaft eines formell bestellten Organs liegt nicht bereits dann vor, wenn es Geschäftsführeraufgaben – und sei es auch in weitreichendem Umfang – an eine nicht zum Geschäftsführer bestellte Person als faktischen Geschäftsführer (z.B. Prokuristen) delegiert. Denn dies ist einem (formellen) Geschäftsführer gestattet. Kraft seiner Organisationsgewalt muss er dann aber sicherstellen, dass die der Gesellschaft obliegenden Aufgaben durch die damit beauftragten Personen auch tatsächlich erfüllt werden.

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