Digitale GmbH-Gründung: Ein ruhmreiches Jubiläum? Drei Jahre Online-Beurkundung in Deutschland

Dieser Tage feiert die digitale Unternehmensgründung ihr dreijähriges Jubiläum. Seit dem 1. August 2022 ist es in Deutschland möglich, eine GmbH vollständig online zu gründen. Gründern soll damit eine moderne, unkomplizierte Alternative zum traditionellen Notartermin vor Ort zur Verfügung gestellt werden – hin zu mehr Effizienz, Modernität und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen GmbH. Dieses Ziel genießt eine hohe Priorität beim Gesetzgeber und in der Bundesregierung. Der Koalitionsvertrag vom 9. April 2025 spricht gar von einer „Unternehmensgründung binnen 24 Stunden“. Bislang wurden aber keine verlässlichen Zahlen darüber publiziert, wie viele Gründungen seit der Einführung der Online-Beurkundung tatsächlich auf digitalem Wege durchgeführt wurden – vielleicht ein Indiz für eine kaum messbare Inanspruchnahme? Hält die Online-Gründung, was sie verspricht?

Richtungsweisende Evaluierungsphase

Die Frage ist insbesondere deshalb von richtungsweisender Bedeutung für die weiteren Digitalisierungstrends, weil der Gesetzgeber eine Evaluierungsphase vorgesehen hat, um nächste Liberalisierungsschritte in Form einer Erweiterung des Anwendungsbereichs von Online-Verfahren abzuwägen. In diesem Zusammenhang wurde auch die Bundesrechtsanwaltskammer befragt, die zwei klare Empfehlungen ausgesprochen hat:

  • Der Bekanntheitsgrad der Existenz und Reichweite der Online-Verfahren muss erhöht werden.
  • Praktische Hürden müssen abgebaut werden, um die Zahl der möglichen Online-Beurkundungen zu erhöhen.

Welche Voraussetzungen gilt es derzeit zu erfüllen, wo liegen praktische Hemmnisse, und welche Chancen bietet die Online-Beurkundung bereits jetzt?

Gesetzliche Ausgangslage

Die Online-Gründung beruht auf der EUDigitalisierungsrichtlinie EU 2019/1151 und soll insbesondere grenzüberschreitende Gründungen – zur Eröffnung von Zweigniederlassungen – erleichtern. Gesetzliche Grundlage in Deutschland sind das Beurkundungsgesetz (BeurkG) und das GmbHGesetz (GmbHG). Seit dem 1. August 2023 ist das Online-Verfahren danach nicht nur bei reinen Bargründungen, d.h. bei Gründungen, bei denen die Nennbeträge der Geschäftsanteile von den Gesellschaftern in Geld eingebracht werden, sondern auch bei Sachsowie gemischten Sach- und Bargründungen zulässig. Was vielen Bürgern überhaupt nicht bekannt ist: Auch die Beglaubigung von Handelsregisteranmeldungen und die Beurkundung von Gründungsvollmachten ist virtuell möglich (allerdings nur für vorab erteilte Vollmachten; bei nachträglichen Genehmigungen sollte die Unterschrift vorsichtshalber auf herkömmliche Weise physisch beim Notar geleistet werden).

Welche Online-Verfahren sind derzeit möglich?

  • GmbH-Gründung (Bar- und Sachgründung)
  • Anmeldungen zum Handelsregister
  • Gründungsvollmachten
  • Einstimmige GmbH-Satzungsänderungen

Voraussetzungen

Was müssen Gründer mitbringen, um am Online-Verfahren teilnehmen zu können? Bei der Beantwortung dieser Frage tun sich bereits die ersten praktischen Hemmnisse auf. Zunächst werden Identifizierungsdokumente benötigt. Deutsche Staatsangehörige können sich mit ihrem Personalausweis mit Ausweis-PIN und zusätzlich mit Reisepass ausweisen (bei Ausweisen nach 2021 muss kein zusätzlicher Reisepass vorgelegt werden). Die Ausweis-PIN wird standardmäßig im Rahmen der Ausstellung des Personalausweises übermittelt. Gegebenenfalls muss die PIN-Funktion im Bürgeramt rückgesetzt werden (Online-Bestellung des PINRücksetzbriefs wird nicht mehr angeboten). EU-Staatsangehörige verwenden ihre Unionsbürgerkarte mit PIN oder einen geeigneten EU-Personalausweis. Drittstaatsangehörige mit EU-Aufenthaltstitel verwenden ihren elektronischen Aufenthaltstitel mit PIN und einen geeigneten Reisepass. Für die Teilnahme am Online-Verfahren durch Drittstaatsangehörige ohne Aufenthaltstitel in der EU ist derzeit noch keine Lösung vorgesehen.

Checkliste: Welche technischen Gegebenheiten müssen vorhanden sein?

  • Computer, Laptop oder Tablet mit Webcam, Mikrofon und stabiler Internetverbindung
  • Smartphone mit NFC-Schnittstelle und Mobilfunkempfang
  • Notar-App (kostenlos)

Weitere Informationen finden Sie unter: https://online.notar.de

Verfahrensablauf und Zuständigkeit

Zunächst vernetzen sich die Gründer über das vorgenannte „Notarportal“ der Bundesnotarkammer mit einem örtlich zuständigen Notar. Der Notar prüft Identität, Geschäftsfähigkeit und ggf. Vertretungsberechtigung. Natürlich können die Gründer hierzu zunächst auch auf klassischem „Offline“-Wege auf einen örtlich zuständigen Notar ihrer Wahl zugehen. Ein absolutes Novum ist hierbei das Erfordernis der örtlichen Zuständigkeit: Zuständig sind nur Notare am Sitz der Gesellschaft oder am Sitz eines Gründers bzw. Gesellschafters. Diese Zuständigkeitsschwelle, die der flächendeckenden Versorgung mit dem Digitalangebot und der Unabhängigkeit dienen soll, ist bislang aus dem Notarwesen unbekannt.

Für sämtliche anderen Maßnahmen herrscht eine bundesweite freie Notarwahl („Sie können ein Haus in München beim hamburgischen Notar verkaufen.“). Bei „mehrstöckigen“ GmbH-Strukturen oder Konzernen hofft die Praxis derzeit, dass die örtliche Anknüpfung weit verstanden wird und die Ansässigkeit eines mittelbaren Gesellschafters für die Zuständigkeitsbegründung ausreicht. Hierdurch würde jedenfalls die Anzahl der zur Verfügung stehenden Notare erhöht, was im Interesse des Bürgers sein dürfte.

Haben die Gründer einen Notar ausgewählt, übermitteln sie diesem die erforderlichen Informationen – wie z.B. die Firma – vorab elektronisch. Hierzu kann auch das Musterprotokoll aus Anlage 2 zum GmbHG verwendet werden, das u.a. einen vorgegebenen Satzungstext sowie eine Gesellschafterliste enthält. Dieser gesetzlich festgelegte Mustertext darf jedoch inhaltlich nicht verändert werden. Während das Musterprotokoll für den notariellen Präsenztermin (vgl. Anlage 1 zum GmbHG) kostenprivilegiert ist, kostet das Online-Muster wertvolle Flexibilität, weshalb sein Nutzen – jedenfalls für die GmbH-Gründung – fragwürdig ist.

Durchführung der Videokonferenz

Der Gründungsakt, insbesondere die Beurkundung des Gesellschaftsvertrags, findet in einer Echtzeit-Videokonferenz statt. Die Verlesung der Gründungsdokumente durch den Notar wird durch die Online-Gründung aber nicht ersetzt. Alle Beteiligten müssen sich für die Dauer der Verlesung einwählen und auch eingewählt bleiben.

Einzahlung des Stammkapitals als (unveränderte) logistische Herausforderung

Nach Übermittlung der Gründungsurkunde kann damit für die Gesellschaft bei einer Bank ein Geschäftskonto eröffnet werden. Hierauf wird bei Bargründungen das Stammkapital der Gesellschaft einbezahlt. Erst danach (was – je nach gewählter Bankverbindung – durchaus mehrere Wochen in Anspruch nehmen kann) kann das Verfahren weitergehen. Hieran hat die Einführung von Online-Beurkundungen leider nichts geändert. „Unternehmensgründungen binnen 24 Stunden“ sind daher wohl eher Zukunftsmusik.

Eintragung

Haben die Gründer dem Notar die Einzahlung des Stammkapitals bestätigt, meldet dieser die Gründungsdokumente digital beim Handelsregister an. Nach Prüfung durch das Registergericht wird die GmbH eingetragen – sie erlangt ihre Rechtsfähigkeit.

Vorteile und Herausforderungen

Das Online-Verfahren erlaubt eine flexiblere Gestaltung als das traditionelle Verfahren, da der Weg zum Notartermin entfällt. Die Online-Gründung erleichtert auch Gründern, die nicht in Deutschland ansässig sind, den Zugang zum deutschen Markt. Voraussetzung hierfür ist allein ein gültiges eID-Dokument nach EU-Standard. Nachdem auch Gründungsvollmachten online beurkundet werden können, ist nicht einmal das Beisein der Gründer bei der Videokonferenz nötig.

Als Kehrseite zur vermeintlichen Effizienz des neuen Verfahrens verfügt nicht jeder potenzielle Gründer über die nötige technische Ausstattung oder Erfahrung in ihrem Umgang. In der Praxis führt daher insbesondere der zweistufige Identifizierungsprozess zu Verzögerungen. Probleme müssen zudem nicht allein beim Nutzer vorliegen, sondern sie können sich auch aus der bereitgestellten Software ergeben. Des Weiteren führt das dargelegte „Ortsprinzip“ in der Praxis zu einer Einschränkung der Notarauswahl.

Fazit

Zwar wird die Möglichkeit der Online-Gründung oft als bedeutender Fortschritt deutscher Unternehmenslandschaft betrachtet. Sie böte eine flexible und damit effiziente Alternative zum traditionellen Verfahren. Die Flexibilität scheitert aber bereits am starren Kontoeröffnungsprozess, an dem leider bei dieser „gesetzgeberischen Gelegenheit“ nichts geändert wurde.

Es bleibt zu hoffen, dass die Ankündigungen der Regierungskoalition, Gründungsprozesse weiter zu optimieren, wahrgemacht werden. Der Kontoeröffnungsvorgang dürfte hierbei eine sich aufdrängende Stellschraube darstellen. Zudem hat die Technik ihre Grenzen, und so müssen Gründer manchmal doch physisch beim Notar erscheinen. In vielen Fällen ist daher das Online-Verfahren mehr „Beta-Test“ als Ideallösung. Gerade Personen mit wenig Technikaffinität dürften auch weiterhin vom traditionellen Gründungsverfahren profitieren.

Nicht zuletzt bleibt zu hoffen, dass die gesetzlichen Zuständigkeitsschwellen nicht zu eng ausgelegt werden, damit – wie es die Bundesregierung und die Berufsverbände zu Recht fordern – der Bekanntheits- und Verbreitungsgrad der Online-Gründung erhöht wird, um diese aus ihrem „Schattendasein“ zu befreien.

Dr. Bettina Wirth-Duncan
Dr. Finn Lubberich


Partner der Anwaltskanzlei
Flick Gocke Schaumburg.

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