Die neue SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel trat im August in Kraft. Sie konkretisiert für den Zeitraum der Corona-Pandemie die zusätzlich erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen für den betrieblichen Infektionsschutz und die bereits im SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard beschriebenen allgemeinen Maßnahmen.
Zunächst das Wichtigste: Um ein Gesetz oder eine Verordnung handelt es sich, wie schon beim SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard (im Folgenden Standard genannt), auch bei der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel (im Folgenden Regel genannt) nicht. Rechtlich gesehen bleibt es deshalb dabei: Unternehmen müssen auch weiterhin in Eigenverantwortung über die betrieblichen Arbeitsschutzmaßnahmen zum Schutz vor Infektionen entscheiden. Allerdings sollten Unternehmen die Regel 1:1 umsetzen, denn Betriebe, die die in der Regel vorgeschlagenen technischen, organisatorischen und personenbezogenen Schutzmaßnahmen umsetzen, können davon ausgehen, dass sie rechtssicher handeln. Zudem erhalten die Aufsichtsbehörden der Länder durch sie eine einheitliche Grundlage, um die Schutzmaßnahmen in den Betrieben zu beurteilen. Mit anderen Worten: Unternehmen sind gut beraten, diese Regel im eigenen Betrieb mit Leben zu erfüllen.
Die „AHA-Formel“: Die Grundlage des Virenschutzes
Das Ziel von Standard und Regel ist gleich: Alle Beschäftigten sollen auch während der Pandemie sicher arbeiten können und effektiv vor Infektionen mit dem Coronavirus bei der Arbeit geschützt sein. Um dies zu erreichen, sollte immer die „AHA-Formel“ angewendet werden: Abstand, Hygiene, Alltagsmasken. Gleichzeitig sollten die Gefährdungsbeurteilungen entsprechend aktualisiert werden.
Branchenspezifische Informationen
Auf folgender Webseite finden Unternehmen alle branchenspezifischen Regelungen der Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungen: www.dguv.de/de/praevention/corona/sonderseiten-corona/index.jsp
Nicht branchenspezifisch
Die Regel selbst listet wie der Standard keine branchenspezifischen Schutzmaßnahmen, sondern führt zumeist nur allgemeine, für alle Branchen empfehlenswerte Schutzmaßnahmen auf. Die Unfallversicherungen und Berufsgenossenschaften haben aber zwischenzeitlich jeweils für ihre Branchen spezifische Empfehlungen herausgegeben. Die einzigen branchenspezifischen Angaben finden sich sowohl im Standard als auch in der Regel zur Land- und Forstwirtschaft, zu Transport- und Lieferdiensten sowie zum Baugewerbe. Um einen Eindruck von den empfohlenen Maßnahmen zu vermitteln, sollen im Folgenden einige besonders wichtige Schutzmaßnahmen für die Bereiche technische Maßnahmen, organisatorische Maßnahmen und personenbezogene Maßnahmen vorgestellt werden.
Technische Maßnahmen
An die Arbeitsplatzgestaltung sind folgende Anforderungen zu stellen:
- Mitarbeiter sollten ausreichend Abstand (mindestens 1,5 Meter) untereinander und zu anderen Personen halten.
- Im Unternehmen sollten transparente Abtrennungen bei Publikumsverkehr und möglichst auch zur Abtrennung der Arbeitsplätze mit ansonsten nicht gegebenem Schutzabstand installiert werden. Der obere Rand der Abtrennung für Sitzarbeitsplätze muss mindestens 1,5 Meter über dem Boden enden, bei Steharbeitsplätzen sowie bei Sitzarbeitsplätzen mit stehenden Kunden mindestens zwei Meter über dem Boden. Die Abtrennung sollte – falls nötig – Öffnungen außerhalb des Atembereichs (z.B. zum Bezahlen bzw. zum Bedienen des Kartenlesegeräts, ggf. auch zur Warenherausgabe) aufweisen. Beide Seiten der Abtrennung sollten täglich mit einem handelsüblichen Reinigungsmittel gereinigt werden.
Sanitär- und Pausenräume
Zur Reinigung der Hände sollten den Beschäftigten hautschonende Flüssigseife und Handtuchspender zur Verfügung gestellt werden.
Die Beschäftigten sollten ausreichend Möglichkeiten zur Reinigung und Hygiene bekommen, ggf. sind die Reinigungsintervalle anzupassen.
Zur Vermeidung von Infektionen sollten im Unternehmen Türklinken und Handläufe regelmäßig gereinigt werden.
In Pausenräumen und Kantinen sollte ebenfalls ein ausreichender Abstand sichergestellt werden.
Es sollte darauf geachtet werden, dass möglichst keine Warteschlangen bei der Essensaus- und Geschirrrückgabe sowie an der Kasse entstehen. Gegebenenfalls sollten die Kantinen- und Essensausgabezeiten erweitert werden.
Auch an mobilen und abgelegenen Arbeitsplätzen ist für eine Möglichkeit der hygienischen Händereinigung und -trocknung zu sorgen. So z.B. indem im Betrieb den Beschäftigten Handwaschstationen oder Kanister mit Wasser, Flüssigseife sowie Einmalhandtücher oder geeignete Handdesinfektionsmittel zur Verfügung gestellt werden.
Lüftung
Durch regelmäßiges Lüften wird die Luftqualität gefördert, da in geschlossenen Räumen die Anzahl von Krankheitserregern in der Raumluft steigen kann. Durch das Lüften wird die Zahl möglicherweise in der Luft vorhandener erregerhaltiger, feinster Tröpfchen reduziert.
Das Übertragungsrisiko über raumlufttechnische Anlagen ist insgesamt als gering einzustufen. Von einer Abschaltung solcher Anlagen insbesondere in Räumen, in denen Infizierte behandelt werden oder mit infektiösen Materialien hantiert wird, sollte Ihr Unternehmen aber absehen, da dies zu einer Erhöhung der Aerosolkonzentration in der Raumluft und damit zur Erhöhung des Infektionsrisikos führen kann.
Organisatorische Maßnahmen
Unternehmen sollten die Nutzung der Verkehrswege im Betrieb (u.a. Treppen, Türen, Aufzüge) so planen, dass Personen stets den Sicherheitsabstand von mindestens 1,5 Meter zu anderen Personen einhalten können. Wo erfahrungsgemäß Personenansammlungen entstehen (bei der Zeiterfassung, Kantine, Werkzeug- und Materialausgaben, Aufzüge etc.) sollen die Schutzabstände mit Klebebändern auf dem Boden oder eventuell auch an den Wänden markiert werden.
Auch bei Zusammenarbeit mehrerer Beschäftigter, z.B. in der Montage, sollte der Mindestabstand von 1,5 Meter zwischen Beschäftigten gewährleistet sein. Ist dies mit technischen oder organisatorischen
Maßnahmen nicht umsetzbar, müssen die betroffenen Beschäftigten durchgehend Schutzmasken tragen.
Arbeitsmittel/Werkzeuge
Werkzeuge und Arbeitsmittel der Beschäftigten sind nach Möglichkeit personenbezogen zu verwenden. Ist die personenbezogene Nutzung von Arbeitsmitteln nicht möglich, sollten die Beschäftigten angewiesen werden, diese vor dem Weiterreichen mit handelsüblichen (Haushalts-)Reinigern zu reinigen.
Insbesondere Oberflächen, die in Kontakt mit den Beschäftigten gekommen sind, z.B. durch Tröpfchenabgabe beim Sprechen, sollten besonders gründlich gereinigt werden. Solche Oberflächen sind beispielsweise Tischplatten, IT-Geräte, Telefonhörer, Lenkräder, Schalthebel sowie Werkzeuge.
Aufbewahrung und Reinigung von Arbeitsbekleidung und PSA
Besonders strikt sollten Unternehmen auf die ausschließlich personenbezogene Benutzung jeglicher persönlicher Schutzausrüstung (PSA) und Arbeitsbekleidung achten. Arbeitsbekleidung und PSA sollten immer getrennt von der Alltagskleidung aufbewahrt werden.
Betriebsinterne Kommunikation
Über die von der Geschäftsleitung vorbereiteten Präventions- und Arbeitsschutzmaßnahmen sollten die Beschäftigen im Vorfeld der Umsetzung informiert werden – und zwar möglichst über alle relevanten
betriebsinternen Kommunikationskanäle wie Intranet, Aushänge und Informationsveranstaltungen/Unterweisungen.
Die für die Umsetzung der Maßnahmen hauptverantwortlichen Personen sollten allen Mitarbeitern bekannt sein. Ebenfalls sollte kommuniziert werden, welche Personen im Betrieb als Ansprechpartner für Fragen und Probleme in Frage kommen und wie und wann diese am besten zu erreichen sind.
Personenbezogene Maßnahmen
Bei unvermeidbarem Kontakt zu anderen Personen bzw. nicht einhaltbaren Schutzabständen, sollten die Beschäftigten Mund-Nase-Bedeckungen (Gesichtsmasken) zur Verfügung gestellt bekommen und zum Tragen der Masken verpflichtet werden.
Unternehmen sollten beachten, dass die Verwendung einer Mund-Nase-Bedeckung (MNB), von medizinischen Gesichtsmasken und filtrierenden Halbmasken zu höheren Belastungen (z.B. höherer Atemwiderstand aufgrund des Filterwiderstands der Filtermaterialien) führt. Die Unternehmen sollten insoweit prüfen, inwieweit die Tragezeiten durch andere Tätigkeiten oder regelmäßige Pausen reduziert werden können.
Dr. Joerg Hensiek, promovierter Politikwissenschaftler, ist freiberuflicher Journalist, Redakteur und PR-Berater. Seine fachlichen Schwerpunkte liegen im betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie in der beruflichen Qualifizierung von Menschen mit Behinderungen.
Michael Kolbitsch, Ingenieur für Maschinenbau, berät u.a. als Fachkraft für Arbeitssicherheit v.a. Unternehmen im Sozial- und Gesundheitswesen, in der Verwaltung, im Maschinenbau sowie in der Nahrungsmittelindustrie. Darüber hinaus arbeitet er als Auditor, Dozent und betrieblicher Beauftragter für Umwelt und Energie bzw. Qualität.
michael.kolbitsch@baum-kolbitsch.com