Die Abberufung des GmbH-Geschäftsführers: Wann ein wichtiger Grund für die Abberufung vorliegt

Der Geschäftsführer einer GmbH kann verhältnismäßig einfach aus seinem Amt abberufen werden. Für ihn gilt das Prinzip der freien Widerrufbarkeit seiner Bestellung (§ 38 Abs. 1 GmbH-Gesetz). Es besteht allerdings auch beim GmbH-Geschäftsführer die Möglichkeit, durch gesellschaftsvertragliche Regelungen vorzusehen, dass eine Abberufung nur beim Vorliegen eines wichtigen Grundes erfolgen kann. Wann ist das der Fall?

Grundsätzliches zur Abberufung eines Geschäftsführers

Wie einleitend dargelegt, sieht § 38 Abs. 1 GmbH-Gesetz (GmbHG) im Grundsatz vor, dass ein Geschäftsführer jederzeit abberufen werden kann. Die Zuständigkeit für die Abberufung liegt nach § 46 Nr. 5 GmbHG bei der Gesellschafterversammlung. Die Abberufung hat die Konsequenz der Beendigung der organschaftlichen Stellung des Geschäftsführers; unberührt bleibt hingegen die dienstvertragliche Beziehung, also das Schuldverhältnis zwischen Geschäftsführer und GmbH, aus dem sich z.B. die Vergütung des Geschäftsführers, aber auch Regelungsthemen wie Dienstwagen und Urlaub ergeben.

Diese Unabhängigkeit der beiden Rechtsbeziehungen ist in § 38 Abs. 1 GmbHG ebenfalls ausdrücklich angesprochen, wenn es dort heißt, dass die jederzeitige Widerruflichkeit der Bestellung des Geschäftsführers „unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen“ besteht.

Beispiel:
G ist Geschäftsführer der A-GmbH. In seinem Dienstvertag ist die Regelung enthalten, dass dieser auf fünf Jahre befristet ist und ich um jeweils weitere fünf Jahre verlängert, wenn nicht eine Vertragspartei der Verlängerung mit einer Frist von sechs Monaten zum jeweiligen Ablaufzeitpunkt widerspricht. G befindet sich im ersten Jahr des aktuellen Vertragsturnus; die Gesellschafterversammlung der A-GmbH beruft ihn als Geschäftsführer ab. G verlangt für die Restlaufzeit des Vertrags die Zahlung des vertraglich vereinbarten Gehalts.

Da durch den Abberufungsbeschluss ausschließlich die Stellung des G als Organ der A-GmbH beendet wurde, nicht jedoch der Anstellungsvertrag, bestehen die sich aus dieser Vertragsbeziehung für G ergebenden Ansprüche trotz Abberufung grundsätzlich weiter. Hat die GmbH nicht die Möglichkeit, auch dieses Vertragsverhältnis im Kündigungsweg zu beenden, muss die Vergütung daher bis zum Ablaufzeitpunkt des Vertrags weitergezahlt werden. In der Praxis ist es allerdings üblich, dass eine Regelung gefunden wird, nach der dem Geschäftsführer eine Abfindung gezahlt und der Dienstvertag einvernehmlich aufgehoben wird.

Ausschluss der freien Abberufbarkeit

Vom Grundsatz des § 38 Abs. 1 GmbHG kann durch gesellschaftsrechtliche Regelungen abgewichen werden. § 38 Abs. 2 Satz 1 GmbHG stellt ausdrücklich klar, dass die Zulässigkeit des Widerrufs auf den Fall beschränkt werden kann, dass wichtige Gründe vorliegen. Von der Möglichkeit einer solchen Vertragsgestaltung wird regelmäßig aber nur dann Gebrauch gemacht, wenn der Geschäftsführer zugleich Gesellschafter ist. Eine entsprechende Klausel kann wie folgt formuliert werden:

„Die Abberufung eines Geschäftsführers setzt das Bestehen eines wichtigen Grundes voraus.“

So formuliert, stellt dies eine ganz allgemeine Regelung dar, die jeden Geschäftsführer betrifft. Eine spezifische Regelung ausschließlich für Gesellschafter-Geschäftsführer kann wie folgt lauten:

„Die Abberufung von Geschäftsführern, die im Zeitpunkt der Abberufung Gesellschafter der Gesellschaft sind, bedarf des Vorliegens eines wichtigen Grundes.“

Solche Regelungen haben auch den Effekt, dass ein gewisser Gleichlauf zwischen einerseits der organschaftlichen Stellung und ihrer Beendigung und andererseits der dienstvertraglichen Situation besteht. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Beendigung der organschaftlichen Stellung wird vielfach zugleich einen wichtigen Grund für die außerordentliche fristlose Kündigung des Dienstvertrags darstellen.

Allgemeine Umschreibung eines wichtigen Grundes

In ganz unterschiedlichen rechtlichen Konstellationen ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes Voraussetzung für die Möglichkeit der fristlosen Kündigung einer Rechtsbeziehung. Eine allgemeine Regelung für Dauerschuldverhältnisse enthält die Vorschrift des § 314 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch. Ein wichtiger Grund liegt danach vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Diese ganz grundlegende Vorschrift aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch hat auch Eingang in die Beurteilung gefunden, wann ein wichtiger Grund im Sinne des § 38 Abs. 2 Satz 1 GmbHG vorliegt. Ein solcher ist nach der Rechtsprechung des BGH dann gegeben, wenn der weitere Verbleib des Geschäftsführers in seinem Amt der Gesellschaft und den Gesellschaftern bei Würdigung aller Umstände unter Berücksichtigung der betroffenen Interessen nicht länger zugemutet werden kann. Das Gesetz selbst hat in Konkretisierung dessen in § 38 Abs. 2 Satz 2 GmbHG als wichtigen Grund insbesondere die grobe Pflichtverletzung oder die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung benannt.

Kein Schaden für die GmbH erforderlich

Ebenfalls nicht erforderlich ist, dass der Gesellschaft durch das Verhalten des Geschäftsführers ein Schaden entstanden ist (Kammergericht – KG Berlin, Urteil vom 11. August 2011, Az. 23 U 114/11).

Beispiel:
Der Gesellschaftsvertrag der B-GmbH sieht vor, dass der Geschäftsführer die vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung bei einer Reihe von Geschäften und Maßnahmen einholen muss. Dazu gehört u.a. der Erwerb oder die Veräußerung von Grundstücken. Geschäftsführer G ist der Auffassung, dass ein Grundstück, das benachbart zur aktuellen Produktionsstätte der B-GmbH gelegen ist, erworben werden sollte, um als Reservefläche für einen etwaigen zukünftigen Ausbau der Produktion zur Verfügung zu stehen. Die Gesellschafter teilen diese Meinung nicht und verweigern die Zustimmung zum Erwerb der Fläche. G schließt gleichwohl einen Kaufvertrag über die Immobilie ab. Der vereinbarte Kaufpreis liegt im Erwerbszeitpunkt zehn Prozent unter dem Verkehrswert des Grundstücks und kann aus liquiden Mitteln der Gesellschaft gezahlt werden.

Im vorgenannten Beispiel ist der Gesellschaft durch den Erwerb kein Schaden entstanden. Gleichwohl hat G seine Geschäftsführerpflichten verletzt, als er unter Verstoß gegen die gesellschaftsvertraglichen Regelungen den Kaufvertrag nicht nur ohne Zustimmung der Gesellschafterversammlung, sondern sogar gegen den Willen der Gesellschafter abgeschlossen hat. Obwohl sich das Geschäft für die Gesellschaft sogar als günstig erweisen kann, liegt in einem derartigen Fall im Zweifel dennoch ein wichtiger Grund für die Abberufung des Geschäftsführers vor.

Sachgrundloser Entzug des Vertrauens unzureichend

Maßgeblich für das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist immer, dass ein tiefgreifendes Zerwürfnis bzw. eine Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen Gesellschaft und/oder Gesellschaftern einerseits und Geschäftsführer andererseits gegeben ist. Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn die Gesellschafter dem Geschäftsführer ohne sachlichen Grund schlicht das Vertrauen entziehen.

Verletzung der Neutralitätspflicht

Ein solcher Grund kann aber vorliegen, wenn sich der Geschäftsführer im Disput der Gesellschafter parteiisch verhält und somit seine Neutralitätspflicht verletzt. Die Beachtung dieser Pflicht fordert das KG Berlin in seinem Beschluss vom 9. März 2023 (Az. 2 U 56/19).

Beispiel:
A und B sind Gesellschafter der D-GmbH, deren Geschäftsführer G ist. Die beiden Gesellschafter sind zerstritten und führen einen Rechtsstreit gegeneinander, dessen Streitgegenstand Bezug zu der D-GmbH hat. A obsiegt in dem Rechtsstreit; G weigert sich, die sich daraus für die GmbH ergebenden Konsequenzen umzusetzen.

Die Rechtskraft der ergangenen Entscheidung betrifft nach § 325 Abs. 1 Zivilprozessordnung zwar nur die Parteien des Rechtsstreits. Gleichwohl wird G den Inhalt der Entscheidung beachten müssen. Hintergrund ist, dass eine gesellschaftsrechtliche Treuepflicht besteht, die nicht nur die Gesellschafter untereinander zur Rücksichtnahme verpflichtet, sondern die auch im Verhältnis der Gesellschafter zu der Gesellschaft und auch umgekehrt besteht. Da die Gesellschaft durch den Geschäftsführer vertreten wird, muss auch G den Inhalt der Entscheidung respektieren. Tut er dies nicht, sondern setzt er den Willen des im Rechtsstreit unterlegenen Gesellschafters um, so spricht viel dafür, dies als wichtigen Grund für eine Abberufung zu betrachten.

Beispiel:
G ist Geschäftsführer der E-GmbH und hat über Jahre hinweg der F-GmbH, an der seine Ehefrau maßgeblich beteiligt ist, Aufträge erteilt, bei denen die Vergütung 30 Prozent über dem Marktüblichen liegt.

Bei diesem Verhalten, das ggf. sogar im strafrechtlichen Sinne die Voraussetzungen einer Untreue erfüllt, wird man davon ausgehen können, dass, gleichgültig welche Umstände ansonsten vorliegen, ein wichtiger Grund zur Abberufung auf jeden Fall gegeben ist.

Ähnlich wie im Arbeitsrecht die Kündigung, ist auch die Abberufung des Geschäftsführers aus wichtigem Grund die ultima ratio, d.h. es ist stets zu fragen, ob mildere Mittel denkbar sind, um auf die gegebene Situation angemessen zu reagieren.

Beispiel:
G ist alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der G-GmbH. Bei der Begründung von Vertragsbeziehungen mit Kunden und Lieferanten, zu denen G in keinerlei persönlicher oder wirtschaftlicher Beziehung steht, sind immer wieder ungünstige Konditionen für die G-GmbH vereinbart worden. Der Gesellschaft ist daraus ein wirtschaftlicher Schaden entstanden.

In einer solchen Konstellation kann ein milderes Mittel z.B. darin liegen, dass die Einzelvertretungsbefugnis des G beendet wird und er zukünftig nur noch im Zusammenwirken mit einem weiteren Geschäftsführer oder einem Prokuristen die Gesellschaft wirksam vertreten kann.

Fazit

Wie jedes Dauerschuldverhältnis kann auch die Bestellung zum Geschäftsführer einer GmbH fristlos beendet werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Das Gesetz nennt in § 38 Abs. 2 GmbHG zwar nur die grobe Pflichtverletzung und die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung. Eine umfangreiche Rechtsprechung hat aber eine große Zahl weiterer wichtiger Gründe für eine Abberufung herausgearbeitet, z.B. die Annahme von Schmiergeldern, langjährige Bilanzmanipulationen, ein persönliches Zerwürfnis der Geschäftsführer untereinander, wiederholte Nichtbefolgung von Gesellschafterweisungen, andauernde Krankheit oder die Nichteinreichung der Jahresabschlüsse beim Finanzamt.

Zur Person:

Dr. Jochen Blöse ist Rechts- und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht bei der Kanzlei Jacobs & Dr. Blöse in Troisdorf.

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